37 sogenannte Dokumentationsstätten gibt es in Deutschland. Es sind Museen, Archive und Erinnerungsorte, an denen die Geschichte des Nationalsozialismus erklärt, verhandelt und begreifbar gemacht wird. Am Freitag kommt Nummer 38 dazu: Freiburg bekommt ein eigenes NS-Dokumentationszentrum.
Seit vier Jahren arbeitet Wolrab am Aufbau des Dokumentationszentrums
Dass die Stadt damit nicht gerade vorne dabei ist, weiß auch Julia Wolrab. Sie gibt zu, dass das NS-Dokuzentrum in Freiburg „relativ spät“ seine Tore öffne, immerhin 80 Jahre nach Kriegsende. Angesichts der aktuellen politischen Entwicklung aber auch „zur richtigen Zeit“.
Mit vielen Zeitzeugenberichten 80 Jahre nach Kriegsende: NS-Dokuzentrum in Freiburg eröffnet
Nach langer Planungs- und Bauzeit öffnet das NS-Dokumentationszentrum in Freiburg seine Tore. Das Haus will an die Verbrechen der NS-Diktatur erinnern, ein Lern- und Gedenkort sein.
Seit über vier Jahren leitet die studierte Islamwissenschaftlerin und Historikerin, die aus der Bildungsarbeit kommt, den Aufbau des Dokumentationszentrum Nationalsozialismus in Freiburg. Die Eröffnung des Museums im Herzen der Stadt ist der vorläufige Höhepunkt ihres Engagements.
Über 1000 Freiburger wurden im NS ermordet
Ihr sei klar, dass in letzten Jahrzehnten „nicht Nichts“ geschehen sei, so Wolrab. „Ich denke aber, dass es auch in Freiburg viel aufzuarbeiten gibt.“
Zwar stand Freiburg weniger im Fokus der Nazis als braune Metropolen wie München oder Nürnberg, aber auch hier hinterließ der Terror seine Spuren. Die Ausstellung im neuen Dokuzentrum erinnert unter anderem an die Namen von 1.048 Freiburgerinnen und Freiburgern, die in der Diktatur ermordet wurden.

Wolrab spricht von doppelter Verantwortung
Sie verspüre eine Art doppelte Verantwortung, sagt Wolrab im Interview. Zum einen natürlich den Opfern gegenüber. Aber verpflichtet sei sie genauso dem Heute, der Gesellschaft, die aus der kritischen Beschäftigung mit der eigenen Geschichte lernen könne.
„Die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur zeigt ja, was die Abwesenheit von bestimmten Werten wie Empathie, Solidarität und Einsatz für Schwächere, im schlimmsten Fall bedeuten kann“, so Wolrab. „Und das müssen wir uns, glaube ich, auch in diesen Tagen immer wieder vor Augen führen.“
Wie kann Vermittlungsarbeit gelingen?
Wolrab stellt also die Vermittlungsarbeit klar in den Vordergrund. Als „Ort der Demokratieförderung“, verstehe man sich. Von einer „Wohngemeinschaft für Demokratie“ spricht sie auch. Immerhin teile man sich die Räumlichkeiten mit der Landeszentrale für politische Bildung. Auch gemeinsame Projekte und Workshops seien geplant.
Eine besondere Herausforderung sehe sie darin, auch junge Menschen für die NS-Geschichte zu interessieren, sagt Wolrab. Tatsächlich belegt eine aktuelle Studie, dass das Wissen um den Holocaust unter den 18 bis 29-Jährigen mangelhaft ist. 40 Prozent der Befragten gaben zum Beispiel an, nicht gewusst zu haben, dass im Holocaust etwa sechs Millionen europäische Juden ermordet wurden.

Der Kontext ist entscheidend
Die authentische Wirkung von Erinnerungsorten sei dabei natürlich wichtig, sagt die Historikerin. Im NS-Dokuzentrum in Freiburg kann man etwa einen historischen Luftschutzkeller betreten. Genauso wichtig sei es aber auch, diese Wirkung zu „brechen“ und durch Texte erzählerisch einzuordnen. „Diese atmosphärische Wirkung darf nicht alleine stehen“, so Wolrab. „Sie muss kontextualisiert sein.“