„Ihre journalistische Integrität und ihr Mut, den Finger überall dort in die Wunde zu legen, wo es der Schutz der Freiheit und der Menschenwürde fordert, prädestiniert sie für den Schillerpreis der Stadt Mannheim,“ sagt Oberbürgermeister Christian Specht über die Journalistin Golineh Atai. Die frühere ARD-Korrespondentin in Kairo und Moskau wurde für ihre Reportagen aus Krisengebieten mehrfach ausgezeichnet.
Podiumsgespräch statt klassischer Laudatio
Golineh Atai hatte sich für ihre Preisverleihung statt einer klassischen Laudatio ein Podiumsgespräch gewünscht. Und so sprach sie eine gute Stunde lang mit ihrer Kollegin Juna Grossmann entlang einiger Ausschnitte aus ihren Reportagen der letzten Jahre über ihre Arbeit.

Jüngstes Beispiel: Syrien. Dort führte Golineh Atai ein Interview mit einer Frau, die mutig mit anderen auf die Straße ging, um nach dem Sturz von Diktator Assad für ein freies und selbstbestimmtes Leben zu demonstrieren.
Dabei wurde der Frau und ihren Mitstreiterinnen bewusst, dass sie ihr ganzes Leben lang politisch so unterdrückt wurden, dass sie keine Erfahrung darin haben, wie man selbst aktiv wird und Dinge kritisch hinterfragt, kommentiert Atai.

Menschen im Nahen Osten sehnen sich nach Frieden und Freiheit
Golineh Atai erzählt auf beeindruckende Weise von ihren Begegnungen mit Menschen in Krisengebieten im Nahen Osten, die sich nach Frieden und Freiheit sehnen, nach einem „ganz normalen Leben“ – ohne staatliche Gewalt, Unterdrückung und Korruption.
Preisgeld als Spende für irakischen Studenten
In einer ihrer Reportagen zeigt Golineh Atai, wie weit die Macht des iranischen Regimes in der ganzen Region reicht – auch bis nach Kerbala im Irak.
Das Preisgeld spendet Golineh Atai für die medizinische Behandlung eines irakischen Studenten, der seit einer Schussverletzung bei einer Demonstration 2020 vom Hals abwärts gelähmt ist und den sie in einem ihrer Berichte porträtierte.
Freiheit ist das Thema ihres Lebens
Im vollbesetzten Foyer der Mannheimer Kunsthalle wird deutlich, dass sich Golineh Atai bei aller Professionalität eine zutiefst humane Empathie bewahrt hat. Ihr Engagement für Freiheit und Menschenrechte sei sicher auch ein Stück weit aus ihrer Biografie zu erklären, sagt sie:

Ich glaube, das Thema Freiheit ist ein Lebensthema von mir. Es sind Fragen, die mich zwangsläufig seit meiner Kindheit und Jugend und begleitet haben, weil ich 1980 den Iran […] verlassen habe, und immer im Hintergrund die Frage auftauchte: Wie konnte es zu einer religiösen Diktatur kommen, und welche Möglichkeiten haben wir, um gegen diese Verdunkelung vorzugehen?“
Genau beobachten, keine voreiligen Schlüsse ziehen
Golineh Atai betont, dass es ihr neben der Information auch ein großes Anliegen sei, ihrem Publikum die Angst vor „dem Fremden“ zu nehmen.
Dass sie gelernt habe, sehr genau zu beobachten, nicht nur die üblichen Quellen zu nutzen und keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, ist ihrer Meinung nach eine Schlüsselqualifikation, die immer wichtiger werde – nicht nur im Journalismus.
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Von Dawid Romanowski, Antonia Märzhäuser, Borhan Akid, Stefanie Delfs
Produktion: Studio Jot für SWR, RBB, WDR und NDR, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Welle