Ein Kraftakt und ein Meilenstein: Im Herzen von Freiburg ist das Dokumentationszentrum Nationalsozialismus am Donnerstag feierlich eröffnet worden. Jahrelang war geplant, umgebaut und an der Dauerausstellung gefeilt worden. Wo einst das ehemalige Verkehrsamt seinen Platz hatte, erinnern nun Fotos, Infotafeln und bewegende Zeitzeugenberichte an die NS-Geschichte der Stadt - in einer Zeit, in der die Zahl der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen schwindet und die Erinnerung an die NS-Zeit zu verblassen droht. Ab Freitag ist das NS-Dokuzentrum als neuer Bestandteil der Städtischen Museen Freiburg für die Öffentlichkeit zugänglich.
Zeitzeuge Felix Rottberger und seine Familie haben die Ausstellung schon vorab besucht. Rottberger ist Jude, 88 Jahre alt, und hat den Holocaust überlebt. Beim Besuch im Untergeschoss, einem ehemaligen Luftschutzkeller, sagt er, dass es ihm helfe, sich immer wieder mit der Nazizeit auseinanderzusetzen. "Das ist ein bedrückender Eindruck, aber das soll es ja auch sein, so soll es auch wirken."
SWR-Reporterin Marion Eiche berichtet im Radio über die ersten Eindrücke:
Von 1918 bis heute: Dauerausstellung "Hinter den Fassaden"
Wer das Haus am Rotteckring 14 betritt, taucht unmittelbar in die Dauerausstellung "Hinter den Fassaden" ein. Diese Ausstellung beleuchtet Ereignisse und Persönlichkeiten aus Freiburg und der umliegenden Region von 1918 bis in die Gegenwart. Sie ist in vier sogenannte "ZeitRäume" unterteilt und dreisprachig: auf Deutsch, Englisch und Französisch.
- "Freiburg in der Weimarer Zeit" von 1918 bis 1938
- "Etablierung der Diktatur: Ausgrenzung und Anpassung" von 1933 bis 1938
- "Zweiter Weltkrieg: Gewalt und Normalität" von 1938/39 bis 1945
- "Freiburg und der Nationalsozialismus - Was bleibt?" von 1945 bis heute
Architektonisch sticht ein großer, begehbarer Würfel im gläsernen Gedenkraum heraus. Entlang der Wände sind die Namen von 1.048 Menschen zu lesen, die eine Verbindung zu Freiburg hatten. Diese Menschen wurden zwischen 1933 und 1945 von den Nazis ermordet oder starben infolge ihrer Verfolgung. In den Boden eingelassen sind mehrere Fundamentsteine der Synagoge, die bis 1938 auf dem heutigen Platz der Alten Synagoge stand. Diese Steine wurden bei Bauarbeiten für den Gedenkbrunnen entdeckt.
François Blum forscht seit vielen Jahren zum Schicksal seiner jüdischen Familie in Freiburg. Er selbst lebt in Frankreich (Lyon) und engagiert sich im Verein Ehemalige israelitische Gemeinde von Freiburg, mit dem er sich für Erinnerungskultur stark macht. Mit rund hundert der 350 aus Freiburg verschleppten und ermordeten Juden sei er zumindest entfernt verwandt, sagt Blum. Doch sie hätten nicht als einzige gelitten:
Im früheren Verkehrsamt: Vom Propaganda-Büro zum NS-Dokuzentrum
800 Quadratmeter Ausstellungsfläche, verteilt auf drei Stockwerke: Das NS-Dokuzentrum hat einen historischen Ort bezogen. Es ist im ehemaligen Verkehrsamt der Stadt untergebracht. Das Verkehrsamt wurde 1936 eröffnet. Damals diente es als eine Art Tourismusbüro für Reisende, jedoch mit einem klaren Propaganda-Auftrag: Es sollte das Ideal der "völkischen Heimat" verbreiten. Zudem arbeitete es eng mit der NS-Freizeitorganisation "Kraft durch Freude" zusammen.
Eine Großbaustelle: So sah es im NS-Dokuzentrum in Freiburg im April 2024 aus
Während der Umbauarbeiten entdeckten die Bauarbeiter ein lange verborgenes Fresko, das die Zeit überdauert hatte. "Das nationalsozialistische Gemälde zeigt Menschen, die dem sogenannten nationalsozialistischen Idealbild entsprechen", erläuterte Julia Wolrab, die Leiterin des NS-Dokumentationszentrums, damals. Der überraschende Fund des Gemäldes führte zu Verzögerungen bei den Bauarbeiten, doch er fügte der Geschichte des Ortes eine weitere Schicht hinzu. Die Geschichte des ehemaligen Verkehrsamtes und dessen Räumlichkeiten, einschließlich eines Luftschutzkellers, wird nun Teil der Dauerausstellung sein.

NS-Dokuzentrum: Ein Ort zum Forschen und Nachdenken
Das Dokumentationszentrum Nationalsozialismus in Freiburg dient vor allem als neuer Erinnerungsort für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft. Es bietet zudem eine Anlaufstelle für Forschung und Bildung. Schulklassen können sich interaktiv mit der NS-Geschichte befassen. Der Schwerpunkt liegt auf der Geschichtsvermittlung, um Denkanstöße und neue Impulse zu geben. Dabei thematisiert man auch aktuelle Fälle von Antisemitismus, Antiziganismus, Rechtsextremismus und Diskriminierung.
Unter dem Dach des NS-Dokuzentrums werden auch der Nachlass der christlichen Widerstandskämpferin Gertrud Luckner sowie Teile der Gertrud-Luckner-Bibliothek zu finden sein. Gleichzeitig zieht die Außenstelle Freiburg der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) ins benachbarte Rotteckhaus ein.
Mehr als 300 Mitglieder im Förderverein
Drei Jahre vor der Eröffnung des NS-Dokuzentrums gründete sich der dazugehörige Förderverein mit mehr als 300 Unterstützern. Zu den bekanntesten Mitgliedern gehören der frühere SC-Trainer Christian Streich und der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle. Der Verein unterstützt das Dokumentationszentrum mit Spenden, um Sonderausstellungen zu realisieren und Freiburger Biografien zu erforschen. Vorsitzender ist Christoph Ebner, Leiter des SWR-Studios Freiburg.
Philine Weyrauch-Herrmann, stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins, sagte anlässlich der Eröffnung: "Erinnerung kann ja nur im konkret Erlebten wach werden oder wach und lebendig gehalten werden. Deswegen finden wir, dass die Bürgerinnen und Bürger hier gerade in Freiburg vor Ort sehen sollen, wie Geschichte sich anfühlt."
Schirmherrin Muhterem Aras: "Demokratie schätzen und schützen"
Der Verein will die Einrichtung in der Stadt- und Zivilgesellschaft verankern, was durch eine Mitgliedschaft möglich ist. Es sollen sich möglichst viele Menschen hinter das Dokumentationszentrum stellen und damit auf die Seite der Demokratie. Weiter will der Verein einen wichtigen finanziellen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten.
Die Schirmherrschaft für das NS-Dokuzentrum hat die baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras übernommen. "In Anbetracht der Tatsache, dass junge Menschen heutzutage immer weniger von der Shoa wissen, ist es eine großartige Leistung der Stadt Freiburg, mitten in der Stadt einen modernen Lern- und Gedenkort für das Dreiländereck einzurichten", sagte sie anlässlich der Eröffnung. Es gehe darum, "unsere Demokratie auch in Zukunft mit voller Überzeugung zu schätzen und zu schützen".