Nicht weniger als eine Superhunderasse schwebt dem preußischen Rittmeister Max von Stephanitz (1863–1936) vor, als er am 22. April 1899, vor 125 Jahren, gemeinsam mit seinen Gefährten in Karlsruhe den Verein für Deutsche Schäferhunde gründet.
Sowohl ein Arbeitstier als auch Gefährte soll diese neue Hunderasse sein. Ein Hütehund, der neben Nutztieren auch Hab, Gut und Besitzer beschützt. Angst sollte das Tier machen, als Schoßhund jedenfalls ist der Schäferhund von Beginn an nicht gedacht. Und vor allem eins soll er sein: reinrassig.
Stephanitz ist nicht nur ein adeliger Hundenarr, sondern auch ein glühender Nationalist. Sein eigener Rüde, dem er den aristokratisch klingenden Namen Horand von Grafrath gibt, erhält die Nummer 1 des Zuchtbuchs und gilt damit als Vater aller Deutschen Schäferhunde.
Unnötige Grausamkeit, militärische Härte und Rassenwahn
Seine Vorstellung vom idealen Hund schreibt Stephanitz 1921 im Werk „Der Deutsche Schäferhund in Wort und Bild“ nieder. Bei der Selektion von Welpen legt der Züchter unnötige Grausamkeit an den Tag, wenn er vorschlägt, sich „der zum Tode geweihten Überzähligen (…) am einfachsten (zu entledigen), indem man sie von der Höhe des ausgestreckten Armes kräftig auf einen Steinboden oder eine Wand wirft“.
Im Zeitalter von Sozialdarwinismus, Eugenik und Rassenlehre scheint es Stephanitz nicht abwegig, die Ideen der Hundezucht auch auf den Menschen zu übertragen. Es ist ein abstoßendes Dokument: „Wir können unsere Schäferhundezucht recht wohl mit der menschlichen Gesellschaft vergleichen“, schreibt er. Und weiter: „Bei der Menschenzucht achten wir leider viel zu wenig oder gar nicht auf all die Dinge, die von Einfluss auf das Erzeugen guter, gesunder und brauchbarer Nachkommenschaft sind.“
Jahre später urteilt der renommierte schwedische Verhaltensforscher und Wolfsexperte Erik Zimen über den nachhaltigen Einfluss jener Ideen:
Das Tier als Waffe
Doch Stephanitz schafft tatsächlich eine Superhunde-Rasse: Der Deutsche Schäferhund ist klug und gelehrig, schnell, muskulös und ausdauernd. Das macht ihn bis heute zu einem vielseitig einsetzbaren Arbeitshund. Gerade bei Polizei und Militär ist die Rasse beliebt.
Das Tier wird damit aber auch zur Waffe: Zig Tausende Schäferhunde lassen in den beiden Weltkriegen ihr Leben, sei es als Nachrichtenübermittler, Minenspür- und Wachhund oder gar als lebende Bombe.
Eine der Folgen: Nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg wird außerhalb Deutschlands nicht länger vom „Deutschen“ Schäferhund gesprochen. Der Hund wird zum „Elsässer“.
Der britische Kennel Club bezeichnet die weltweit beliebte Hunderasse kurzerhand als „Alsatian Dog“ (Elsässer Hund), der neue Name setzt sich im englischsprachigen Raum durch. Erst 1977 wird die Umbenennung vom englischen Zuchtverband rückgängig gemacht.
Militärgeschichte Tiere im Krieg: Von haarigen Helden und armen Schweinen
Der Einsatz von Tieren als Kriegswaffe hat eine lange Tradition. Bereits der kathargische Heerführer Hannibal zog mit Elefanten gegen Rom. Pferde, Hunde, Tauben dienten militärischen Zwecken und wurden zugleich als Maskottchen oder Kriegshelden verehrt.
Adolf Hitler ist begeisterter Liebhaber der Rasse
Vor allem aber wird der Deutsche Schäferhund eins: Teil der Propaganda. Besonders deutlich zeigt sich das mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten.
Adolf Hitler gilt als begeisterter Liebhaber des Deutschen Schäferhunds. Zwischen 1922 und 1945 soll er dreizehn Deutsche Schäferhunde besessen haben, mehrere seiner Hündinnen hörten auf den Namen „Blondi“, Rüden nannte er meist „Wolf“. Für die NS-Presse inszeniert sich der Führer gerne mit seinen Hunden.
Der Deutsche Schäferhund wird damit zum nationalsozialistischen Symbol schlechthin: Er verkörpert in den Augen der Nazis Stärke, Treue und Mut, darüber hinaus imponiert seine wolfsähnliche Gestalt.
Die bekannteste unter den Blondi-Hündinnen, die 1945 im Führerbunker mit Gift getötet wurde, hat heute gar einen eigenen Wikipedia-Eintrag.
Zigtausende Schäferhunde werden im KZ eingesetzt
Doch das für die Nazi-Presse inszenierte Familienidyll trügt: Der Deutsche Schäferhund wird auch als Wachhund in den Konzentrationslagern eingesetzt, rund 30.000 Tiere sollen hier gelebt und auch gestorben sein.
Wie sich die Hunde im KZ verhalten sollten, formuliert Heinrich Himmler in einem Schreiben von 1943 an Oswald Pohl und Richard Glücks, die für Diensthunde verantwortlich waren, wie folgt: „Hunde, die an der Außenseite der Lager revieren, müssen zu derartig reißenden Bestien erzogen werden, so wie es die Hetzhunde in Afrika sind. Sie müssen so abgerichtet sein, dass sie mit Ausnahme ihres Wärters jeden anderen zerreißen.“
Nicht nur, aber vor allem waren es Deutsche Schäferhunde, die in den Konzentrationslagern für die Nazi-Verbrechen in Dienst genommen wurden.
Auch in der DDR dienen Schäferhunde als brutales Werkzeug
Als Werkzeug eines totalitären Staates wird der Deutsche Schäferhund aber nicht nur während der NS-Zeit missbraucht. Auch in der DDR patroullierten vor allem Schäferhunde an der innerdeutschen Grenze.
Als sogenannte „Mauerhunde“ sind sie an etwa fünf Meter langen Ketten angeleint, die wiederum an einem bis zu 100 Meter langen Drahtseil befestigt wurden. Ihre Aufgabe war es, gerade auch an schlechter bewachten Grenzabschnitten auf Republikflüchtlinge aufmerksam zu machen. Mitunter töteten die Hunde auch Meschen auf der Flucht.
Laut MDR waren die Methoden der Ausbildung brutal: Mit Gewalt seien die Tiere gefügig gemacht worden, heißt es.
Eine tierische Projektionsfläche
Ob „reißende Bestien“, angstmachende Aufpasser oder Super-Schnüffler mit Kuschelfaktor: Bis heute kursieren etliche Bilder vom Deutschen Schäferhund in der Gesellschaft.
Sind es zu seinen Anfängen zunächst gefährliche Attribute, die die Hunderasse zugesprochen bekommt, ändert sich das spätestens mit den Bildern, die Hollywood oder die Serie „Kommissar Rex“ vom Schäferhund zeichnet.
In der Popkultur ist der Schäferhund nun ein Star, sei es als „Rin Tin Tin“ oder als „Partner mit der kalten Schnauze“, der die Menschen bei Ermittlungen furchtlos und klug unterstützt.
Schäferhunde-Boom in den 1990ern mit üblen Folgen
Doch der Schäferhunde-Boom, der Ende der 90er durch Filme und die Serie rund um den Wiener Polizeihund „Rex“ ausgelöst wird, hat ebenso Schattenseiten: unkontrollierter Welpenhandel, Überzüchtung und etliche ausgesetzte Tiere am Straßenrand sind die üblichen Folgen, die jede Trend-Hunderasse umgeben. Nicht wenige Deutsche Schäferhunde fristen im Anschluss an den Boom ein Leben im Tierheim.
Bis heute ist wohl keine Hunderasse in Deutschland so sehr mit Klischees belegt wie der Deutsche Schäferhund. Das ist auch an seinem 125. Geburtstag traurige Realität.