Der größte LED-Bildschirm steht in Las Vegas
Ende September dieses Jahres eröffnete die „MSG Sphere“ im amerikanischen Las Vegas: eine riesige kugelförmige Mehrzweckhalle, deren Außenwand ein einziges überdimensionales Display ist.
Rund 58 Millionen LEDs machen sie zum weltweit größten LED-Bildschirm. In den vergangenen Wochen hat das Gebäude die Planeten Mars oder Erde imitiert oder blickte als ein animiertes gelbes Smiley auf die Stadt.
U2 eröffnen Sphere mit Konzerten
Das allein ist wohl schon eindrücklich und auch irgendwie verrückt – typisch Las Vegas eben. Doch erst die Innenausstattung von „Sphere“ lässt unter anderem Konzerte zu immersiven Veranstaltungen werden. Denn auch die Innenwand ist ein gigantischer LED-Bildschirm: gekrümmt wie die Kuppel, rund 15.000 Quadratmeter groß und mit einer Auflösung von 16K, so die Betreiber.
Die irische Rockband U2 eröffnete die Halle im September. Über den riesigen Bildschirm mit mehr als 250 Milliarden Pixeln glitten dabei unter anderem ein Sonnenaufgang in der Wüste, gefährdete Tierarten Nevadas, ein Ozean und ein Feuerwerk. „Wenn man Außenaufnahmen mit einer so hohen Auflösung um sich herum sieht, hat man den Eindruck, das Gebäude wäre verschwunden“, sagte Frontmann Bono dem US-Fernsehsender CBS.
Eintauchen durch 4D-Technik
Außerdem sind im Gebäude mehr als 160.000 Lautsprecher verbaut – modernste Technik für den bestmöglichen Sound auf jedem Platz. Dazu kommt noch haptische Technologie auf den Sitzplätzen: Die Besucherinnen und Besucher sollen das Geschehen auf dem Bildschirm körperlich spüren: mit Wind, Dampf und Gerüchen.
All diese Technik ermöglicht den Besucherinnen und Besuchern also möglichst viele Sinneseindrücke und dadurch ein Eintauchen in das Konzert. Damit bietet die „MSG Sphere“ buchstäblich ein immersives Konzerterlebnis und schließt sich an den Trend der immersiven Kunst an.
Monet, Klimt, Van Gogh in multimedial
Kunst-Shows wie „Monets Garten“ oder die „Van Gogh Experience“ touren seitdem durch deutsche Städte; „Viva Frida Kahlo“ ist ganz neu in Berlin und „Klimt – The Immersive Experience“ macht jetzt Halt in Ludwigsburg. Es sind Ausstellungen, die ganz ohne die eigentlichen Gemälde und Werke der Künstler auskommen.
Nicht weniger als „ein völlig neu konzipiertes Multimedia-Spektakel“ versprechen etwa die Veranstalter der Klimt-Reihe auf ihrer Homepage. Dazu werden die Gemälde in Form von Lichtinstallationen mehrfach vergrößert, projiziert und animiert. Damit soll vor allem auch ein niedrigschwelliger Kontakt zur Kunst ermöglicht werden.
Das immersive Erleben von Werken von Van Gogh ist der bislang wohl erfolgreichste Ableger dieser Kunst-Shows. 2021 gab es gleich mehrere konkurrierende immersive Van Gogh-Ausstellungen.
Ein Boom, der vielleicht begünstigt wurde durch die Corona-Pandemie: Die Menschen wollten wieder raus, etwas erleben, statt zu Hause an digitalen Veranstaltungen teilzunehmen. Paradox und fast schon komisch, dass dann doch ausgerechnet eine Form der digitalen Kunst zum Hype wird.
Auch „Emily in Paris“ entdeckte Van Gogh immersiv
Auch die Netflix-Serie „Emily in Paris“ könnte ihren Teil zum Erfolg beigetragen haben: Denn da spielt nicht nur eine amerikanische Marketingspezialistin, die nach Paris zieht, eine Hauptrolle, sondern auch irgendwie die Stadt selbst – mit all ihren klischeehaften und immer wieder abgebildeten Kulissen. Und auch die Ausstellung des „Atelier des Lumières“ mit seiner immersiven Van Gogh-Ausstellung wird schließlich zur Kulisse.
Tolle Bilder und guter Social Media-Content, das passt irgendwie zu Emily und lockt wohl auch viele der Besucherinnen und Besucher in diese Art der Ausstellungen: Sie erwarten – und bekommen – ein Spektakel, das sich teilen lässt und leicht zugänglich ist.
Social Media, Pandemie und Netflix haben den Hype vielleicht begünstigt, aber die erfolgreichen Veranstaltungsreihen starteten schon vor der Pandemie. Und in der Kunst ist der Trend zur Immersion sogar noch früher zu finden.
Erfolgreiches Künstlerkollektiv in Tokio: Teamlab
Das internationale Künstlerkollektiv Teamlab etwa eröffnete 2018 in Tokio das Digital Art Museum. Gegründet hat sich das Kollektiv bereits 2001. Die Gruppe besteht unter anderem aus Künstlern, Programmierern und Grafikern. Ihre Ausstellungen waren schon weltweit zu sehen – oder genaugenommen: zu erleben.
In Hamburg entsteht ein neues Museum für Digital Art
Medienkunst, die auch einen deutschen Investor so begeistert hat, dass er den Bau eines Digital Art Museums in der HafenCity von Hamburg initiiert hat. Das soll zwar erst 2025 eröffnet werden, Tickets kann man aber jetzt schon kaufen.
Auch hier wird digitale Kunst in „riesiger Dimension“ versprochen und eine Kunsterfahrung, „die ohne die übliche Distanz zwischen Kunst und Betrachter“ funktionieren soll. Die Homepage zeigt Lichtinstallationen, Animationen von Tieren oder Pflanzen, ein Form- und Farbenspiel.
„Infinity Rooms“ von Yayoi Kusama: Immersive Kunst seit den 60ern
Manches erinnert an die Arbeiten der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama. Schon in den 1960ern schaffte sie ihre „Infinity Mirror Rooms“: Räume, die durch Spiegelungen, Formen und Farben im wahrsten Sinne unendlich wirken. Im Londoner Museum Tate Modern sind zwei dieser Unendlichkeits-Räume von Kusama zu besuchen, zuletzt gab es auch die Gelegenheit in New York und Hong Kong.
Auch hier haben Plattformen wie Instagram und das ständige Selfie-machen sicher zur Popularität beigetragen. Denn Kusamas „Infinity Rooms“ sind begehrte museale Foto-Kulissen. Sie sehen gut aus im Foto, aber sie haben auch ihre Wirkung auf die Besucherinnen und Besucher eben wegen ihrer immersiven Eigenschaften.
Immersive Kunst ist nicht unumstritten
Anders als bei den Kunst-Shows zu Van Gogh, Klimt oder Frida Kahlo werden diese Arbeiten allerdings von Anfang an extra für das immersive Erleben geschaffen, genau wie die Digital Art von Teamlab – und letztlich auch die Animationen für „Sphere“. Es handelt sich also um eine andere Kunstform und nicht um eine Bearbeitung von Vorhandenem.
So werden die Klimt- und Van Gogh-Ausstellungen oft genug auch kritisiert. Denn sie bearbeiten die eigentlichen Gemälde auf eine Art und Weise, die von den Künstlern so nicht intendiert wurde – und gar nicht in dieser Weise bearbeitet werden konnten, schließlich gab es die technischen Möglichkeiten zu ihren Lebzeiten noch nicht.
Trotzdem bilden sie einen Trend ab: das immersive Erleben von Kultur. Einen Trend, der sich vielleicht sogar noch stärker in solchen Superlativ-Bauten wie „Sphere“ zeigt.
Natürlich kann man sich fragen, ob es wirklich notwendig ist, immer mehr Spektakel zu bieten, immer größer, bunter, lauter zu werden. In einer Zeit, in der technische Entwicklungen aber immer schneller vonstatten gehen, ist sie vielleicht einfach eine nachvollziehbare Entwicklung in der Kultur.