Rudolf-Levy-Ausstellung in Kaiserslautern

Gerechtigkeit für Rudolf Levy – Sammler-Paar erinnert an den jüdischen Maler

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Autor/in
Sandra Biegger
Sandra Biegger, Team SWR Kultur
Onlinefassung
Dominic Konrad

Rudolf Levy war zu Beginn des 20. Jahrhundert ein aufstrebender jüdischer Künstler. Die Machtergreifung der Nazis beendete seine Karriere jäh. Die Pfalzgalerie Kaiserslautern widmet dem Expressionisten jetzt eine eigene Ausstellung und wird dabei von einem Sammler-Ehepaar nicht nur mit Leihgaben unterstützt.

Rüdiger Schwarz und Jürgen Oßwald mit einem Gemälde von Rudolf Levy
Das Sammlerehepaar Rüdiger Schwarz (links) und Jürgen Oßwald (rechts) mit einem Gemälde von Rudolf Levy. Zwei weitere Werke des jüdischen Malers aus ihrem Besitz werden aktuell in der Pfalzgalerie gezeigt.

Verlustgefühle und große Ehre

Jürgen Oßwald und Rüdiger Schwarz sitzen im lichtdurchfluteten Wohnzimmer ihrer Kaiserslauterer Altbauwohnung. Beide blicken abwechselnd auf die Wände überm Sofa und dem Kamin. In ihren Blicken liegen gleichermaßen Wehmut und Stolz.

Normalerweise hängen dort zwei Gemälde des Expressionisten Rudolf Levy. Das Paar hat sie derzeit für die Ausstellung „Rudolf Levy – Magier der Farbe“ an die Pfalzgalerie Kaiserslautern verliehen.

Das sei ein bisschen so, als wenn Familienmitglieder ausgezogen seien, erklärt Jürgen Oßwald mit einem verschmitzten Lächeln: „Ich spüre Verlust.“ Gleichzeitig empfinden er und sein Ehepartner es aber auch als große Ehre, einen Beitrag zu der Ausstellung leisten zu können. Die Freude darüber überwiege den Trennungsschmerz, betont der 58-Jährige. 

Bewahren, nicht investieren

Jürgen Oßwald ist Jurist, sein Mann Rüdiger Schwarz Studiendirektor am Staatlichen Studienseminar Kaiserslautern, wo er Englischlehrerinnen und -lehrer für Gymnasien ausbildet. Außerdem unterrichtet er an einem Kaiserslauterer Gymnasium.

Begeisterte Museumsgänger sind die beiden schon lange. Vor etwa zehn Jahren haben sie angefangen, Kunstwerke zu sammeln. Nicht als Geldanlage, wie Jürgen Oßwald betont, sondern aus dem Wunsch heraus, Schönes zu bewahren und weiterzugeben.

Rudolf Levy: Stillleben (1937, Privatbesitz)
Dieses Stillleben von Rudolf Levy aus dem Jahr 1937 gehört Jürgen Oßwald und Rüdiger Schwarz. Es ist derzeit in der Ausstellung „Rudolf Levy – Magier der Farbe“ zu sehen.

Außerdem sei die intensive Auseinandersetzung mit Kunstwerken, Künstlern und Epochen, das Wälzen von Katalogen, Kunstliteratur und das Mitbieten bei Auktionen auch ein wenig zur Leidenschaft geworden.

Von Levy magisch angezogen

Auf Rudolf Levy, sein Werk und sein tragisches Schicksal sind die beiden vor einigen Jahren aufmerksam geworden.

Rudolf Levy wurde 1875 in Stettin geboren. Er studierte Kunst in Karlsruhe und München, ging anschließend nach Paris. Dort lernte er Henri Matisse kennen, wurde dessen Freund und Schüler. Ab 1928 war er Vorstands- und Jurymitglied in der Berliner Secession.

Die radikale Kultur- und Rassenpolitik der Nazis zwang den jüdischen Künstler bereits 1933 in die Emigration. Er zog durch halb Europa, lebte zeitweise in den USA. 1940 ließ er sich in Florenz nieder. Dort wurde er Ende 1943 verhaftet und ins Vernichtungslager Auschwitz gebracht, wo er starb.

Selbstporträt Rudolf Levys in der Pfalzgalerie Kaiserslautern
Durch dieses Selbstporträt wurden Jürgen Oßwald und Rüdiger Schwarz auf den jüdischen Maler aufmerksam.

Die Tragik dieses Lebens spiegelt sich für Jürgen Oßwald in einem späten Selbstporträt des Künstlers wider, das der Pfalzgalerie gehört. Er sagt, das Gemälde, das Rudolf Levy vor seiner Deportation nach Auschwitz gemalt hat, habe ihn von Anfang an in seinen Bann gezogen.

Das Bild zeige das ganze Empfinden und Leiden, das Eingesperrtsein Levys während seines Exils in Florenz. Nachdem die Stadt im September 1943 von den Nazis besetzt worden war, konnte sich der jüdische Maler auch in Italien nicht mehr frei bewegen.

Mittlerweile besitzen Jürgen Oßwald und Rüdiger Schwarz insgesamt drei Gemälde des Künstlers, zwei davon werden bis Ende Februar in der Pfalzgalerie gezeigt. Doch das Engagement des Paares für Rudolf Levy geht noch weiter.

Begleitende Unterrichtsvorschläge

Studiendirektor Rüdiger Schwarz erzählt, im Gespräch mit Kollegen und Freunden sei die Idee entstanden, rund um die Ausstellung in der Pfalzgalerie begleitende Unterrichtsvorschläge zu erarbeiten. Und zwar nicht ausschließlich für das Fach Bildende Kunst, sondern auch für Englisch, Französisch, Deutsch und Geschichte.

Ziel sei es zum einen, Kunst mehr in den Mittelpunkt des Unterrichts zu rücken, und zum anderen, bei den Schülerinnen und Schülern ein tieferes Verständnis für die turbulente Zeit zu wecken, in der Rudolf Levy gelebt hat. Bilder im Museum könnten dazu mehr beitragen als Abbildungen in Büchern oder Videos im Internet, ist sich der Pädagoge sicher.  

So konnte er für die Idee Kolleginnen und Kollegen vom Hohenstaufen- und dem Albert-Schweitzer-Gymnasium Kaiserslautern begeistern. Die Unterrichtsvorschläge stehen frei zugänglich für jeden im Internet. Wichtig war den Macherinnen und Machern, Themen, die ohnehin auf dem Lehrplan stehen, in einen Kontext mit Rudolf Levy zu setzen.

Rudolf Levy: „Tulpen in Keramikkrug“ (Privatbesitz)
“Tulpen in Keramikkrug” ist das zweite Werk aus der Sammlung Oßwald/Schwarz, das derzeit in der Pfalzgalerie gezeigt wird.

Sensibilisieren für Antisemitismus, Flucht und Exil

Rüdiger Schwarz hat sich dazu entschlossen, Judith Kerr ins Zentrum seiner Unterrichtsvorschläge für das Fach Englisch zu rücken, und damit für einen biographischen Ansatz.

Die jüdische Autorin wurde 1923 in Berlin geboren, 1933 musste sie mit ihrer Familie vor den Nazis nach Großbritannien fliehen. Bekannt ist sie für das teils autobiographische Jugendbuch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, das im Original auf Englisch erschienen ist – und somit ohnehin oft im Unterricht behandelt wird.

Über die Auseinandersetzung mit Judith Kerr sollen die Schülerinnen und Schüler sensibilisiert werden für die Themen Antisemitismus, Flucht und Exil – und damit auch für das Schicksal von Rudolf Levy, der anders als Judith Kerr nicht überlebt hat. Der Maler kam am 6. Februar 1944 in Auschwitz an und wurde vermutlich noch an diesem Tag im Vernichtungslager ermordet.

Von der Belle Epoque bis zum Kunstbegriff der Nazis

Bei den Unterrichtsvorschlägen für das Fach Kunst geht es zum Beispiel um Themen wie Perspektivierung und Farbe, aber auch um den Kunstbegriff der Nationalsozialisten.

Für das Fach Französisch gibt es unter anderem die Idee, Schülerinnen und Schüler selbst eine Levy-Ausstellung kuratieren zu lassen sowie Anregungen zum Thema „Paris während der Belle Epoque“.

Rudolf Levy hatte zu dieser Zeit in der französischen Hauptstadt gelebt. 1903 war er mit seinem Freund Walter Bondy dorthin gezogen. Das berühmte Café du Dôme wurde zum Treffpunkt des Künstlerkreises, der sich um die Maler Levy, Bondy und Purrmann herum bildete.

Rudolf Levy im Kreis seiner Malerkollegen
Rudolf Levy im Kreis seiner Malerkollegen, alle Mitglieder der Académie Matisse in Paris um 1900. Rudolf Levy sitzt in der Mitte mit Melone, rechts neben ihm Hans Purrmann.

Für Leid sensibilisieren

Jürgen Oßwald und Rüdiger Schwarz sind der Meinung, dass der Matisse-Schüler Rudolf Levy bislang zu Unrecht vom Kunstbetrieb vernachlässigt wurde. Sie sind froh, dass sich das langsam ändert. Zu Beginn des Jahres widmeten die Uffizien in Florenz dem Maler eine Ausstellung, jetzt werden seine Werke in der Pfalzgalerie Kaiserslautern gezeigt.

Die Kunstsammler hoffen, dass die Besucherinnen und Besucher egal welchen Alters durch die Auseinandersetzung mit dem Künstler exemplarisch für das Leid sensibilisiert werden, das die Nazis verursacht haben.

Sie sagen, in einer Zeit, in der Antisemitismus weltweit wieder an Bedeutung gewinnt, sei es extrem wichtig, an den Terror der Naziherrschaft und dessen grausame Folge zu erinnern. Wenn ihre Leihgaben, diese Schau aber auch die Unterrichtsvorschläge dazu einen Beitrag leisten, sei ein ganz wesentliches Ziel erreicht.

Künstler*innen des Expressionismus

Schloss Achberg

Werke des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit Werke von Paul Kleinschmidt auf Schloss Achberg

Auf Schloss Achberg (Kreis Ravensburg) ist derzeit eine Ausstellung zu sehen, die sich einem in Vergessenheit geratenen Künstler widmet. Bilder von Paul Kleinschmidt sind unter dem Titel "Hymnen der Malerei“ zu sehen.

SWR4 BW aus dem Studio Friedrichshafen SWR4 BW aus dem Studio Friedrichshafen