Alles so unbequem hier
An Bahnhöfen, Flughäfen oder an öffentlichen Plätzen ist es Ihnen vielleicht auch schon aufgefallen: Sitzgelegenheiten im Stadtraum werden immer ungemütlicher gestaltet.
Statt auf Bänken zu verweilen, soll man sich auf eine Stange hocken oder an eine schräg abfallene Sitzfläche lehnen. In der Wartelounge sind die Sitzreihen durch Begrenzungen gestaffelt: Die Beine können Sie hier nicht mehr ausstrecken. Sowieso bleiben Sie nicht lange, denn aus den Lautsprechern dudelt kaum wahrnehmbar eine nervige Hintergrundmusik.
Obdach- und Wohnungslose aus der Stadt verdrängen
Einige Städte lassen sich einiges einfallen, damit Sie ihren Aufenthalt an öffentlichen Orten so kurz wie möglich gestalten. Dafür gibt es einen Fachbegriff: defensive Architektur.
Dahinter steckt ein Baustil, der darauf abzielt, obdach- und wohnungslosen Menschen den Aufenthalt an diesen Orten so unbequem wie möglich zu machen.
Als „menschenverachtend“ bezeichnet die Jury des „Unwort des Jahres“ diese Bauweise, weil sie gezielt marginalisierte Gruppen aus dem öffentlichen Raum verbannen möchte. Weil der Begriff diese Absicht verschleiere, ernennt die Jury ihn zu einem der drei Unwörter des Jahres 2022.
Im Stuttgarter Stadtbild verankert
Beispiel Stuttgart: Daniel Kanus von der lokalen Straßenzeitung „Trott-Wars“ führt in einem Insta-Reel von SWR Aktuell durch die Stadt.
Den Zugang zu trockenen und windgeschützten Flächen verwehren hässliche Betonklötze. In den U-Bahnstationen und zentralen Plätzen gibt es kaum noch Bänke. Unbequeme Sitzquadrate aus Metallgittern haben sie ersetzt. Lange ausruhen kann man sich hier nicht.
Stadtführung in Stuttgart zeigt Beispiele "Defensive Architektur": Wie die Stadt Menschen ausgrenzt
Immer öfter wird über sogenannte defensive Architektur in Städten gesprochen. Auch in Stuttgart. Verweilen ist nicht vorgesehen. Kommt nun Bewegung in die Debatte und Gemütlichkeit in die Städte?
Für Obdachlose unerträglich
Eine Holzbank mit durchgehender Sitzfläche und Lehnen spendet Wärme. Auf einem Hocker hingegen kann man nicht ausruhen. Noch dazu muss das Gepäck am Boden abgestellt werden und wird nass und dreckig.
Betonquader statt Sitzbänke: Das mag für die Stadtplanung praktisch, günstig und platzsparend sein. Obdachlose, die auf der Straße leben, sind jedoch auf Verweilmöglichkeiten angewiesen, die sicher sind.
Hamburger Rapper Disarstar wehrt sich
Auch die Stadt Hamburg hat spitzfindige Ideen, um den Aufenthalt in der Stadt für Obdachlose möglichst unbequem zu gestalten: Spikes und Betonklötze sind in potentielle Sitzflächen eingelassen. Einwegmülleimer verdrängen Pfandsammler aus der Innenstadt.
Der Rapper Disarstar lässt sich das nicht länger gefallen. In einem Youtube-Video bezeichnet er die Metallbügel an einer Sitzbank als Schikane gegen Obdachlose – und flext sie daraufhin kurzerhand weg: