Digitaler Trend in der Kultur

Burgen, Schlösser und Museen mit Apps erkunden - langweilig oder innovativ?

Stand
Autor/in
Luisa Sophie Klink

Fast jedes Monument wird mittlerweile auch digital erlebbar gemacht. Doch wird das Angebot auch genutzt? Kunsthistoriker und App-Entwickler Frithjof Schwartz hat die App „Monumente 3D“ konzipiert und verrät, wie viel Arbeit und Herzblut darin steckt.

Wer kennt das nicht: Voller Vorfreude auf eine Ausstellung, eine Schloss- oder Burgenbesichtigung wird einem nicht nur mit Audioguides gewunken, sondern mittlerweile mindestens so oft mit QR-Codes, die in den Appstore zu einer begleitenden App führen.

Sei es im MoMa in New York, im Louvre in Paris oder im Prado in Madrid – oder eben bei den zahlreichen Sehenswürdigkeiten im Südwesten.

App gleich Audioguide oder digitaler Mehrwert?

Beinahe jedes Museum wartet mit innovativen Gadgets auf. Aber schaltet man bei dieser Flut an digitalen Angeboten nicht schon fast auf Durchzug, ist froh, wenn man sich bei Kultur gerade mal aufs Hier und Jetzt besinnen kann, beziehungsweise sich getrost und entspannt nur in den Gedanken in die Geschichte hineinversetzen darf?

Ist das oldschool, das Handy nur für Fotos, also sozusagen als Gedächtnisstütze nutzen zu wollen? Oder sind die Apps vielleicht gar nicht so öde und kompliziert, sondern spannend und innovativ?

Innovation made in Baden-Württemberg

Wem bei digitalen Trends in der Kultur nicht gleich Baden-Württemberg in den Sinn kommt, sollte beim nächsten Museumsbesuch einmal die angebotenen Apps der "Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württembergs" genau unter die Lupe nehmen.

Sie könnten nämlich aus der Feder von Kunsthistoriker und App-Entwickler Frithjof Schwartz stammen und mit viel Herzblut erstellt worden sein.

Die von ihm konzipierte und entwickelte „Monumente 3D“ App dient ganz und gar nicht als bloßer digitaler Audioguide, sondern entführt die Nutzer bildlich in die ursprüngliche geschichtliche Welt, wie sie früher einmal aussah.

Mit Videos, Geräuschen und Hörbeispielen werden etwa bei der Festungsruine Hohentwiel alte Mühlen, ähnlich einem Videospiel, zum Leben erweckt. So lassen sich die hörbar knarzenden Räderwerke virtuell bewegen und die Gebäude, die um 1800 zerstört wurden, digital erleben.

Hohentwiel im Original
Die Festungsruine Hohentwiel ist eine der größten und ältesten Festungsanlagen Deutschlands. Von der schwäbischen Herzogsresidenz, entstanden im Jahr 915 auf dem Berg Twiel, entwickelte sich die Anlage zur württembergischen Landesfestung. Bild in Detailansicht öffnen
Hohentwiel als digitale Rekonstruktion
Mit der "Monument 3D" App kann man die Ruine Hohentwiel virtuell in voller Pracht zur damaligen Zeit sehen. Bild in Detailansicht öffnen

„Monumente 3D“ gewinnt Best App Award in Wien

Bauwerke, die gar nicht mehr oder nur noch rudimentär bestehen, werden nach historischen Vorlagen digital rekonstruiert. Dies bedeutet jede Menge Arbeit, da die Grundstücke mit Laserscannern vermessen und 3D-Daten aus Fotos per Photogrammertrie ausgelesen werden müssen. Die Standorte der einzelnen Monumente seien zentimetergenau ins Geonetz eingehängt worden.

Monumete 3D App
„Hortus palatinus“ in Heidelberg: In der App kann man das Gartengelände samt Schloss im aktuellen Bestand sowie in Form des Rekonstruktionsmodells im Zustand um 1620 sehen. Die damals wegen des beginnenden 30-jährigen Krieges nicht mehr zum Abschluss gekommenen Bauten sind in die Modelle mitaufgenommen.

Und für diese Weltneuheit, wie Schwartz sie bezeichnet, gewann die App 2022 den Best App Award in Wien bei der Konferenz "Cultural Heritage and New Technologies" (CHNT), wo sich Entwickler und Wissenschaftler aus aller Welt untereinander Forschungsansätze austauschen und neue Projekte vorstellen.

Ziel sind innovative Technologien, um das kulturelle Erbe nachhaltig zu schützen, zu erforschen und aufzuwerten. Insbesondere die nächste Generation soll davon profitieren und einen leichteren Zugang dazu bekommen.

Virtuelle Rekonstruktion des "Hortus Platinus" in Heidelberg
Der Garten "Hortus Palatinus" wurde nie vollendet – ein Grund, sich als Besucher per App durch virtuelle Rekonstruktionen des Schlossgartens verschiedener Epochen, zu klicken.

App für Schloss Weikersheim, Burg Dilsberg, Bruchsaler Schloss geplant

Laut Schwartz sind für das nächste Jahr bereits weitere Projekte geplant. So soll bereits im ersten Halbjahr 2025 die Burgfeste Dilsberg photogrammetrisch vermessen werden und es erstmals ein Lern-Tool für Schulen geben.

Das Modul können Lehrer vorbestellen und dann als Unterrichtsmaterial nutzen - auch für den Biologieunterrichten, denn Artenschutz und Klima stünden bei den neuen Modulen ebenfalls ganz oben auf der Agenda. Die App hält bereits jetzt schon Infomaterial über Tiere und Pflanzen an den Standorten der Monumente bereit.

Außerdem soll das Watteau-Kabinett im Bruchsaler Schloss, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, virtuell rekonstruiert werden, so dass der kostbar ausgemalte Innenraum für die Besucher virtuell wieder in neuem Glanz erstrahlt.

Ebenso ist eine komplette digitale Wiederherstellung des Tafelzimmers in Schloss Weikersheim geplant. Wie genau dies aussehen muss, schwebt Schwartz bislang nur vor seinem geistigen Auge vor: „Eventuell werden Tassen und Teller zu den Besuchern sprechen“.

Millionen für Apps gerechtfertigt?

Bei dem beschriebenen Aufwand der Entwicklung einer solchen App oder einzelner Module wird sich der ein oder andere fragen, wie kostspielig die Herstellung solcher kulturellen Apps ist.

Tatsächlich wurde für die „Monumente 3D“ App bislang ungefähr eine halbe Million veranschlagt, die vom Land Baden-Württemberg im Rahmen der Digitalisierungs-Offensive übernommen wurden. Allein das Modul für den "Hortus Palatinus" im Heidelberger Schloss ist mit rund 350.000 Euro zu Buche geschlagen.

Monumete 3D App
2025 wird die virtuelle Rekonstruktion des Hortus Palatinus abgeschlossen sein und den Garten in verschiedenen Zeitschichten als Modell zeigen. Zur Flora und Fauna gibt es schon jetzt zahlreiche Hintergrundinformationen.

Nun drängt sich die Frage auf, ob die Apps auch wirklich genutzt werden und ob sie bei den Besuchern auf Anklang stoßen. Die Bewertung mit 4,5 Sternen und die rund 11.000 Downloads für Android und rund 13.000 für IOS zeigen, dass die App gut ankommt und auch angenommen wird.

Auch wenn Schwartz für seine Arbeit brennt, versteht er, dass man Museums-Apps auch misstrauisch gegenüberstehen kann. „Bei Museen, die nicht so viel Geld investieren, sind die Apps oft alle nach dem gleichen Baukastensystem aufgebaut und schnell langweilig. Das sollten sie nicht sein.“

Es muss prickeln, weg vom Audioguideimage, dass man Lust hat dranzubleiben.

Digitale App: Erlebnis für alle Sinne

Auch der Sorge, dass das eigene Datenvolumen vor Ort für den Download nicht reichen könnte, tritt er entgegen. Vor Ort sei im Eingangsbereich immer auch für ein gutes WLAN gesorgt. Bei den einzelnen Modulen während der Besichtigung würden nur noch kleine Datenmengen benötigt.

Am Ende darf natürlich jeder selber entscheiden, ob er sich per App in die Geschichte zurückversetzen lassen möchte, oder klassisch mit Lesetäfelchen und / oder Audioguide eine Anlage oder ein Museum besuchen möchte.

Einen Versuch, sich darauf einzulassen, sind diese Art von Apps aber mit Sicherheit wert.

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Luisa Sophie Klink