Ausstellung in der VHS Stuttgart

Der Mensch und die Umwelt: „Recent Topographics“ zeigt Fotografien von Rainer Zerback

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Autor/in
Luisa Sophie Klink

In seiner 30-jährigen künstlerischen Laufbahn widmet sich der Fotograf Rainer Zerback dem Thema Zivilisation. Den gebürtigen Stuttgarter beschäftigt das Zusammenspiel zwischen Mensch und Umwelt. Ist die Klimakatastrophe unaufhaltsam? Hat der Mensch die Natur schon zerstört? Die Volkshochschule Stuttgart zeigt nun seine Arbeiten in der Ausstellung „Recent Topographics“.

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Postkartenmotive zählen nicht zu Zerbacks Sujet

Rainer Zerback ist immer auf der Suche nach neuen Motiven für die Umsetzung seiner Projektideen. Schöne glattgebügelte Postkartenmotive sind dabei nicht das Objekt seiner Begierde.

Mystisch, in helles zartgelbes, roséfarbenes oder hellblaues Licht getaucht – wie Aquarelle erscheinen die überbelichteten Bilder mit morbiden Motiven wie Autoskeletten am Strand, verlassenen Strandkörben oder Booten.

So wirkt die Serie „Contemplationes“, an der der gebürtige Stuttgarter über 20 Jahre feilte, zwar licht und zart, aber zugleich irgendwie bedrückend, gar dystopisch. Entstanden ist die Serie durch Zufall. 

Fotos aus dem Bildband „The World Without Us“
Rainer Zerback sammelt schon seit Ende der 1990er-Jahre Motive für seine Reihe „Contemplations“. Bild in Detailansicht öffnen
Fotos aus dem Bildband „The World Without Us“
Sie zeigen die Spuren einer vermeintlich längst vergangenen Zivilisation und vermitteln ein Gefühl von Vergänglichkeit. Bild in Detailansicht öffnen
Fotos aus dem Bildband „The World Without Us“
So könnte die Welt aussehen, wenn wir nicht mehr da sind. Bild in Detailansicht öffnen
Fotos aus dem Bildband „The World Without Us“
Aber wie lange würde es denn wirklich dauern, bis die Natur alle unsere Spuren verwischt hat? Die folgenden Ausführungen basieren auf dem Buch „Die Welt ohne uns” von Alan Weisman. Bild in Detailansicht öffnen
Kippe auf Sand
Nach zwei Jahren würde man keine Kippenstummel mehr finden, weil sie sich bis dahin komplett zersetzt haben. Bild in Detailansicht öffnen
Kaugummiautomat
Nach fünf Jahren gäbe es auch keine Kaugummis mehr, die man sich aus Automaten ziehen kann. Bild in Detailansicht öffnen
kaputtes Holzhaus
Einfache Holzbauten würden nach zehn Jahren einstürzen, wenn sie nicht instand gehalten werden. Bild in Detailansicht öffnen
Knochen in einem Wald
Nach zwölf Jahren wären alle menschlichen Überreste Geschichte. So lange dauert es, bis der menschliche Körper komplett verwest. Übrig wären dann nur noch vereinzelte Knochen. Bild in Detailansicht öffnen
Schutthaufen
Wohnhäuser aus Beton würden nach 100 Jahren anfangen, in sich zusammen zu fallen. Bild in Detailansicht öffnen
Kaputte Brücke
Brücken würden nach 300 Jahren einstürzen. Bild in Detailansicht öffnen
Eine Bank aus der Vogelperspektive, überall drumrum ist braunes Wasser zu sehen
Bis dahin wären auch Deiche und Dämme so durchweicht, dass sie überfluten oder brechen. Bild in Detailansicht öffnen
Plastikflasche am Strand
Besonders hartnäckig sind Plastikflaschen und Wegwerfwindeln. Sie wären erst nach 500 Jahren vollständig zersetzt. Bild in Detailansicht öffnen
Atommüll
Ziemlich gruselig: Der radioaktive Müll unserer Atomkraftwerke ist auch eine Million Jahre nach unserem Verschwinden noch gefährlich. Bild in Detailansicht öffnen
Mount Rushmore
Die Porträts der US-Präsidenten am Mount Rushmore wären nach sieben Millionen Jahren zumindest noch andeutungsweise zu erkennen. Voraussetzung wäre aber, das keine anderen Naturphänomene dazwischen kommen, wie etwa Asteroiden oder Erdbeben. Bild in Detailansicht öffnen
Sonne
Alles geht dann aber definitiv nach fünf Milliarden Jahren zu Ende, denn dann schwillt die Sonne zu einem „roten Riesen“ an. Die Erdkruste wird zu einem einzigen Lava-Ozean aufgeschmolzen und die Meere verdampfen. Spätestens jetzt erlischt alles Leben auf der Erde.  Bild in Detailansicht öffnen

„Ich habe ein Bild gemacht, das allererste Bild der Serie in Andalusien. Und dieses Bild habe ich selber im Fotolabor vergrößert und beim Vergrößern ist es versehentlich zu hell geworden. Ich habe dann sofort erkannt, dass dieses zu helle irgendwo ein Potenzial für eine Serie beinhaltet“, sagt Rainer Zerback.  

Von menschenleeren Landschaften zu bevölkerten Plätzen

Kunstfertig sind auch seine „Places of Interest“ – das genaue Gegenteil seiner menschenleeren Bilder. Diese Serie war so eigentlich gar nicht geplant, denn Zerback war ursprünglich weiter auf der Suche nach menschenleeren Plätzen. 

„Da hab ich ewig gewartet, bis es im Kopf irgendwann Klick gemacht hat und ich gesagt habe, warum denn eigentlich menschenleer, das gehört doch zu den Landschaften dazu – zeigt doch genau dieses Phänomen ,Massentourismus‘“, sagt der Fotograf.  

 

Ausstellung Rainer Zerback: Recent Topographics, VHS Stuttgart
Aus der Serie „Places of Interest“ (seit 2013). Pariser Platz, Berlin, Deutschland, 2020.

Aber auch das auf fotografisch ästhetische Weise: Die Menschen auf den Fotos wirken real, sind aber hineinmontiert. Sie stehen in perfektem Abstand zueinander, sind bunt gekleidet, werfen sich in die unterschiedlichsten Posen. 500 bis 1500 Einzelbilder fertigt Zerback in ein bis zwei Stunden für das endgültige Bild an.

Die Nacharbeit ist die Hauptarbeit: „Ich arbeite dann unterschiedlich zwischen einigen Tagen bis einigen Wochen. Das fertige Bild setzt sich am Ende zusammen aus 50 bis vielleicht 120, 130 verwertbaren Einzelbildern“, so Zerback. 

Immer dabei: ein siebeneinhalb Meter hohes Stativ

Der Aufwand ist enorm: Bis zu 30 Kilo Gepäck schleppt der Stuttgarter regelmäßig an seine Aufnahmeorte. Immer mit dabei: ein siebeneinhalb Meter hohes Stativ. Seine Bilder sollen Tiefe bekommen und der Beobachter einen Überblick über das Geschehen. 

Wir sind heute mit so einer Bilderflut konfrontiert, dass wir Bilder sofort wegwischen oder uns anderen Dingen zuwenden. Und wenn es mir gelingt, die Menschen über diesen Moment hinaus an ein Bild zu binden, dann habe ich das erreicht, was ich will. 

Von seiner Faszination für die Fotografie hat sich die Kuratorin der VHS-Photogalerie, Bettina Michel, anstecken lassen. Sie beobachtet Zerbacks Wirken schon viele Jahre und findet die Themen seiner beiden Serien „Contemplationes“ und „Places of Interest“ aktueller denn je.  

Was bleibt am Ende übrig von der Welt?

„Was mich unmittelbar an den beiden Serien fasziniert, ist ihr inneliegender Widerspruch, diese fast schon poetisch anmutende Atmosphäre, die aber im Grunde genommen diese Doppeldeutigkeit in sich birgt“, sagt Bettina Michel.   

Betreibt der Mensch weiter Raubbau an der Umwelt, könnten lediglich menschliche Relikte übrigbleiben. Darauf zielt auch der Titel des Fotobuchs zur Ausstellung ab: „The world without us“ – Die Welt ohne uns. 

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