Film

Vier Oscars für „Im Westen nichts Neues“ von Edward Berger

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Autor/in
Rüdiger Suchsland

„Im Westen nichts Neues“, die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Erich Maria Remarque ist schon jetzt ein Welterfolg und ein Triumph für den Streamingdienst Netflix, der mit vier Oscars belohnt wurde.

Das deutsche Gegenstück zu Unterhaltung und Wohlfühlkino

Es sind wieder einmal Tod und Blut, Schrecken und Verderben, mit dem ein deutscher Filmerfolg verbunden ist. Auch die bislang einzigen deutschen Oscar-Siegerfilme von Volker Schlöndorff, Caroline Link und Florian Henkel von Donnersmarck boten vor allem politische Lektionen, sie zeigten Gewalt, Diktatur, Folter, Schrecken und Trauma. Insofern passt auch dieser Film ins internationale Bild von typisch deutschen Filmstoffen.

„Im Westen nichts Neues“ ist schon jetzt ein Welterfolg

Und das in einem Ausmaß, dass an die größte Zeit des deutschen Kinos erinnert, an die Stummfilmära der die Zwanziger Jahre, als die Filmstudios in Babelsberg auf Augenhöhe mit Hollywood mithalten konnten.

Damals gewann der deutsche Schauspieler Emil Jannings 1929 den allerersten Oscar, der je in der Kategorie als „Bester Schauspieler" vergeben wurde. Und als deutsche Regisseure wie Ernst Lubitsch, Friedrich Wilhelm Murnau und Josef von Sternberg von den Amerikanern umworben wurden und nach Hollywood emigirierten.

Wie gut ist dieser Film eigentlich?

„Im Westen nichts Neues“ ist insofern schon mal eine Besonderheit, als dass dieser Film kein wirklicher Kinofilm ist, auch wenn er in Deutschland zuerst in ausgewählten Kinos lief – den Regeln der Filmförderung sei Dank.

Tatsächlich handelt es sich aber um ein Streaming-Produkt, um einen exklusiv für Netflix produzierten Film, der auch in seiner Bildsprache der Ästhetik des kleineren Bildschirms im Pantoffelkino zu Hause folgt.

Filmstill
Lewis Milestones erste Remarque-Verfilmung war einer der ersten Tonfilme und ähnlich wie der Roman provozierte er die nach der Weltkriegsniederlage gespaltene junge deutsche Republik.

Lewis Milestone erste Verfilmung provozierte die deutsche Republik

Kurioserweise stammt die bisher maßgebliche Verfilmung aus dem Hollywood der späten Zwanziger Jahre. Lewis Milestones Remarque-Verfilmung war einer der ersten Tonfilme und ähnlich wie der Roman provozierte er die nach der Weltkriegsniederlage gespaltene junge deutsche Republik.

Denn von Ruhm und Ehre, vom süßen Sterben fürs Vaterland oder der Dolchstoß-Verschwörungslegende bleibt hier nichts übrig. Edward Bergers Neu-Fassung kann da nicht mithalten.

Filmstill
Regisseur Edward Bergers Neuverfilmung hat die Handlung von Remarques Roman an zahlreichen Stellen verändert und um die Karikaturen böser Militärs und traumatisierter Kinder erweitert.

Edward Berger veränderte die Romanhandlung

Das liegt auch daran, dass die Handlung gegenüber dem Buch an zahlreichen Stellen verändert wurde und um die Karikaturen böser Militärs und traumatisierter Kinder erweitert wurde.

Von der Nachdenklichkeit, der Trauer und Melancholie der Vorlage bleibt vergleichsweise wenig übrig. Trotzdem verrät Bergers Film die Vorlage nicht – auch wenn Historiker Fehler bemängeln.

Und ein amerikanischer Kritiker bemerkte nicht zu Unrecht, dass der Film weniger der tatsächlichen Erfahrung in den Blutmühlen der Westfront ähnelt, als der cleanen Ästhetik eines Computerspiels.

Ukraine-Krieg macht den Stoff erschreckend zeitgemäß

Es hilft dem Film, dass Berger der grausame Zufall der Geschichte zur Seite sprang.Denn durch den Ukraine-Krieg und apokalyptische Sinnlosigkeits-Orgien und Stellungskriegs-Szenarien wie in Butscha ist der Stoff erschreckend zeitgemäß geworden.

Und in seiner Kritik an jeder Art von Patriotismus macht er es allen zeitgenössischen Vereinfachern nicht leicht. Erich Maria Remarque war Pazifist, Krieg war für ihn nie gerecht, da gab es kein Gut und Böse.

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Rüdiger Suchsland