Marilyn Monroe, der wohl größte Filmstar ihrer Zeit, starb 1962 unter nicht ganz geklärten Umständen mit 36 Jahren an einer Überdosis Tabletten. Bis heute fasziniert an ihr dieses Ende, ihre unfassbar glamouröse Karriere und der Umstand, dass sie zeitgleich ein sehr unglücklicher Mensch war. Die Schriftstellerin Joyce Carol Oates hat der als Norma Jean Baker geborenen Monroe vor über 20 Jahren einen Roman gewidmet. Verfilmt hat ihn Netflix mit der sehr überzeugenden Ana de Armas als Marilyn.
Zum Geburtstag ein Blick auf das Foto des Vaters
Zum Geburtstag bekommt die kleine Norma Jean von ihrer Mutter eine Erinnerung geschenkt. Ein Blick auf ein Foto ihres Vaters, das sich ihr für immer einbrennt. Als ihre Mutter etwas später in eine Nervenheilanstalt kommt, kurz nachdem sie versucht hat Norma Jean umzubringen, ist diese Erinnerung ihr einziger Halt. Die Suche nach einer Vaterfigur wird zu einem ihrer großen Lebensthemen.
Buchvorlage von Joyce Carol Oates
„Blonde“ ist keine Filmbiographie im klassischen Sinn. Eine "literarische Verdichtung" hat es Joyce Carol Oates genannt. Und 1000 Seiten geschrieben, die auch viel Fiktionales enthalten. Es ist auch die Verdichtung des amerikanischen Aufstiegsmärchens, nur in einer düsteren Version.
Der Film erzählt Kindheit, Waisenhaus, die Anfänge als Pinup-Girl denkbar knapp bevor er sich zum ersten Mal in eine Art szenischen Stream of Consciousness stürzt: die ersten Schauspielworkshops, unsicheres Vorsprechen, das Scheitern an männlichen Erwartungen.
Hollywoods Studiosystem übernimt die Karriereplanung
Marilyn Monroe wird schließlich zu ihrem Pseudonym, zu der Rolle, die Norma Jean Baker vom klassischen Hollywood Studiosystem zugewiesen wird und die sie immer wieder angenommen hat. Eine Kunstfigur, die Männerfantasien bedient und die Kamera liebt. Im Lauf der Zeit wird der Einsatz von Maske, Alkohol und Drogen immer höher, weil sie ihre Rolle mehr und mehr hasst. Aber sie besitzt nicht die Stärke, sie sich ausreichend vom Leib zu halten.
Regisseur Andrew Dominik schrammt stellenweise hart am Kitsch vorbei
Der Film von Andrew Dominik dringt immer tiefer in diese Persönlichkeitsspaltung und ihre emotionalen Verwundungen ein. Er ist stellenweise schwer erträglich, explizit und scheint die Kamera ganz bewusst als Komplizin von Missbrauch und Zwangsabtreibung vorzuführen.
Zwischenzeitlich schrammt er hart am Kitsch vorbei und inszeniert Marilyn insgesamt etwas zu einseitig als Opfer eines Filmbetriebs, der zwischen Hinterzimmersex und explodierenden Blitzlichtern einen Menschen unbarmherzig vor sich hertreibt.
Ana de Armas glänzt als Marilyn Monroe
Ein Ereignis ist Schauspielerin Ana de Armas, sie schafft es in atemberaubender Weise, dem Original täuschend nah zu kommen und ihr im nächsten Moment eine ängstliche Zerbrechlichkeit zu verleihen, beseelt vom Wunsch, selbst Mutter zu werden, dann wieder in verzweifelter Einsamkeit, kindlich verloren, taumelnd bis über den Abgrund.
Filmbilder voller Trauer und Tragik
Es liegt viel Traurigkeit und Tragik in den Bildern, aber auch viel Abstraktion, weil sich der Film die ikonischen Marilyn-Motive anverwandelt. Vom hochfliegenden weißen Kleid aus dem „Verflixten 7. Jahr“ bis hin zu den letzten Nacktbildern, mit selbstbewussten filmischen Mitteln.
Da mutiert ein Laken zu einem reißenden Wasserfall, grelle schwarzweiß-Kontraste treffen auf Weichzeichner-Glücksmomente oder alles verschwindet in einem akustischen Sog. Damit versucht „Blonde“ nicht in erster Linie, der historischen Marilyn Monroe gerecht zu werden. Aber er verschafft ihrem Mythos etwas Luft zu atmen.