Prime-Serie von Roland Emmerich

Weltuntergang im Circus Maximus: „Those About to Die“

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Karsten Umlauf
Karsten Umlauf

Roland Emmerich hat die Welt im Kino schon ein paar Mal untergehen lassen in Endzeit-Filmen wie „Independence Day“ oder „The Day After Tomorrow“. Für seine erste Serie hat sich der gebürtige Stuttgarter eine ganz andere Zeit ausgesucht: „Those About to Die“, zu deutsch „Die Todgeweihten“, spielt in den 70er-Jahren des ersten Jahrhunderts, im alten Rom. Das Kolosseum wurde gerade gebaut, initiiert von Kaiser Vespasian. Und den spielt kein Geringerer als Anthony Hopkins.

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Spiele statt Brot

Die Menschen in Rom sind unruhig und haben Hunger. Die Getreidelieferungen aus Ägypten lassen auf sich warten. Revolten sind an der Tagesordnung, manchmal absichtlich aufgestachelt. Was hilft, ist Ablenkung: Wenn das Brot schon knapp wird, dann bleiben nur die Spiele.

Im Circus Maximus finden blutige Gladiatorenkämpfe statt. Die Massen begeistern sich aber vor allem für die Wagenrennen, bei denen traditionell die Teams von vier großen Patrizierunternehmen antreten dürfen. Mit einem unumstrittenen Star: Scorpus, der für seine Frauen- und Saufgeschichten bekannt, aber eben auch ein begnadeter Wagenlenker ist.

Filmstill
Unumstrittener Star im Circus Maximus: Scorpus (Dimitri Leonidas), der für seine Frauen- und Saufgeschichten bekannt, aber eben auch ein begnadeter Wagenlenker ist.

Aus dem antiken Rom macht Emmerich ein Sammelbecken von Schicksalen

Rom, so suggeriert die Serie, ist ein Sammelbecken von Schicksalen und Ambitionen: Da ist der alte Kaiser, den Anthony Hopkins als gebrechlichen Machtpolitiker spielt, seine Söhne, der aufrechte Titus und der nerohafte Domitian, dekadente Patrizierfamilien, schicksalsergebene Gladiatoren und verschleppte Sklavinnen aus Nordafrika.

Durch politische und finanzielle Intrigen sind alle Schichten miteinander verflochten. Und vom Bau des riesigen neuen Amphitheaters, das später mal Kolosseum heißen wird, wollen alle profitieren. Das Vergnügen, Menschen in Lebensgefahr zuzusehen, ist ein zynischer Zukunftssektor. Oft im Mittelpunkt: der verschlagene Plebejer Tenax, der ein Wettbüro leitet und sein Netzwerk für den gesellschaftlichen Aufstieg nutzt. 

Filmstill
Der verschlagene Plebejer Tenax (Iwan Rheon) leitet ein Wettbüro und nutzt sein Netzwerk für den gesellschaftlichen Aufstieg. 

Roland Emmerich versucht „Ben Hur“ und „Spartacus“ in digital

Der Soundtrack dröhnt imperial, die Räder kreischen im Sand, Peitschen knallen, in den Palästen gibt es sexuelle Ausschweifungen: Roland Emmerich ist zwar der Weltuntergangsspezialist, aber „Ben Hur“ und „Spartacus“ wären schon auch seine Kragenweite.

Emmerich teilt sich die Regie der zehn Folgen mit dem Grimmepreisträger Marco Kreutzpaintner. Sie lassen mit ihrem monumentalen Produktionsbudget von 150 Millionen Dollar eine computergestützt atemberaubende antike Welt entstehen, inklusive Vesuv, Wasserschlacht und überlebensgroßen blutrünstigen Löwen.

Für zarter besaitete Menschen, die Wert auf ein klug geführtes Figurenensemble, feine Charakterzeichnung und subtile Dramen legen, wird die Geschichte dagegen relativ bald ermüdend. Und man wird das Gefühl nicht los, dass anders als in den guten Monumentalfilmen der 1960er-Jahre oder auch den Nachfolgern wie Ridley Scotts „Gladiator“, das Potential der prominenten Besetzung nicht ausgeschöpft wird.

Filmstill
Roland Emmerich zeigt das antike Rom als global operierendes Unternehmen, die Stadt wird innerlich zusammengehalten durch mehr oder weniger legale Geldgeschäfte.

Monumental war vor allem das Produktionsbudget

Dabei ist es durchaus aufregend, wie die Serie Rom als global operierendes Unternehmen zeigt, die Stadt innerlich zusammengehalten wird durch mehr oder weniger legale Geldgeschäfte, und wie sich letztendlich Showbusiness und Politik begegnen. Wettkampf und die Inszenierung von Macht: Das scheint eine zeitlos aktuelle Verbindung.

Die Verantwortung von Massenunterhaltung gehört seit den alten Römern dazu. Und da ist auch 2.000 Jahre später noch Luft nach oben.

Trailer „Those About to Die“, ab 19.7. auf Prime

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