Viele Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, haben in ihrem Heimatland traumatisierende Erfahrungen gemacht. Das rheinland-pfälzische Integrationsministerium setzt sich daher nach eigenen Angaben dafür ein, dass Flüchtlinge sowohl in den Erstaufnahmeeinrichtungen als auch in den Kommunen psychologisch betreut werden.
Psychologische Angebote in den Erstaufnahmeeinrichtungen
In den Aufnahmeeinrichtungen des Landes bieten demnach psychologische und psychotherapeutische Fachkräfte ihre Hilfe an. Auf diese Angebote werden die neu ankommenden Flüchtlinge bei Kennenlerngesprächen hingewiesen. In Trier wird zusätzlich ein "Screeninggespräch" durchgeführt, das explizit dazu dient, psychische Belastungen zu identifizieren. Das Angebot soll in diesem Jahr nach Angaben der zuständigen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) auf die Aufnahmeeinrichtung in Speyer ausgeweitet werden.
Kommunen müssen therapiebedürftige Flüchtlinge unterstützen
Sobald die Flüchtlinge die Erstaufnahmeeinrichtungen verlassen, liegt die Verantwortung für die Versorgung der Menschen laut dem rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerium bei den Städten und Kreisen, auf die sie verteilt werden. Sind Fälle darunter, die einer Therapie bedürfen, ist es demnach die Aufgabe der zuständigen Ausländerbehörden dafür zu sorgen, dass die Flüchtlinge die Behandlung bekommen, die sie brauchen.
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In Rheinland-Pfalz gibt es zwei Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete - die AfA Speyer und die AfA Trier. Was wird dort getan, um psychisch Kranken rechtzeitig zu helfen?
Doch hier gibt es einige Probleme. Wie eine SWR-Umfrage unter den Kreisen in Rheinland-Pfalz ergeben hat, haben die Kommunen bislang nur sporadisch von den Aufnahmeeinrichtungen Informationen über den (mentalen) Gesundheitszustand der Flüchtlinge erhalten, die bei ihnen eintreffen. Dies soll sich laut dem Land jedoch mit einer "Checkliste" ändern, die Anfang des Jahres eingeführt wurde.
Sprachbarriere erschwert Suche nach Therapieplatz
Ein Problem bleibt jedoch: die schwierige Suche nach einem Therapeuten. Theoretisch haben zwar auch Flüchtlinge laut Gesundheitsministerium einen Anspruch auf psychologische Betreuung im Regelsystem der Gesundheitsversorgung. Therapieplätze sind jedoch rar gesät - auch viele Deutsche warten mitunter monate- oder gar jahrelang, bis sie Hilfe bei ihren psychischen Problemen erhalten. Flüchtlinge haben zudem oft das Problem der Sprachbarriere, außerdem gibt es bürokratische Hürden, wie das Ministerium einräumt.
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Sechs Psychosoziale Zentren für Flüchtlinge in RLP
Ein ergänzendes Angebot sind daher die Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (PSZ), die von Bund und Land gefördert werden. In Rheinland-Pfalz gibt es sechs dieser Zentren - in Kaiserslautern, Ludwigshafen, Mainz, Mayen, Montabaur und Trier. Träger sind die Caritas, die Diakonie sowie das Deutsche Rote Kreuz (DRK).
Die PSZ beschäftigen nach eigenen Angaben sogenannte Sprach- und Kulturmittler, die extra geschult werden. Dabei handelt es sich in der Regel um Menschen mit Migrationshintergrund, die bei der Therapie übersetzen. Im ersten Halbjahr 2024 wurden nach Angaben des Integrationsministeriums in den sechs PSZ insgesamt 892 Personen versorgt. Dabei seien 2.329 therapeutische Gespräche geführt wurden.
Posttraumatische Belastungsstörungen – Welche Therapien helfen können
Die typischen Krankheitsbilder, die dort behandelt werden, sind SWR-Recherchen zu Folge hauptsächlich Depressionen und postraumatische Belastungsstörungen (PTBS). Schwerwiegende Krankheiten wie Psychosen oder Wahnstörungen gebe es zwar auch. Diese seien bei Geflüchteten allerdings nicht häufiger als beim Rest der Bevölkerung.
Zusammenarbeit mit psychiatrischen Kliniken
Von den Zentren werden sowohl Kurz- als auch Langzeittherapien angeboten. Aggressives Verhalten sei bei den betreuten Personen kaum zu beobachten. Im Fall von Eigen- oder Fremdgefährdung werden die therapierten Personen den Angaben zufolge an psychiatrische Kliniken vermittelt. Den Kreisen im Land sind jedoch nur wenige solcher Einzelfälle bekannt.
Die Menschen sind sehr dankbar. Viele sagen, dass sie das erste Mal in ihrem Leben Vertrauen fassen und endlich über das sprechen können, was ihnen passiert ist.
Nach Einschätzung von Markus Göpfert, dem Fachdienstleiter Migration des Caritasverbands Rhein-Mosel-Ahr, zu dem auch das PSZ Mayen gehört, gibt es einen hohen Therapiebedarf bei Flüchtlingen. Er verweist dabei auf Studien, nach denen etwa 30 Prozent der geflüchteten Menschen an psychischen Erkrankungen leiden. Die im PSZ betreuten Personen seien sehr dankbar: "Viele sagen, dass sie das erste Mal in ihrem Leben Vertrauen fassen und endlich über das sprechen können, was ihnen passiert ist."
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Viele Flüchtlinge leiden unter Posttraumatischer Belastungsstörung
Aufgrund der hohen Nachfrage beträgt die Wartezeit auf einen Therapieplatz in Mayen etwa vier bis sechs Monate. Im PSZ Pfalz in Ludwigshafen müssen Geflüchtete für ein Erstgespräch bis zu drei Monate warten. Die Betreuer in der Pfälzer Einrichtung kümmern sich vor allem um geduldete Geflüchtete, die nicht abgeschoben werden können. Laut der Diakonie Ludwigshafen leiden fast alle betreuten Geflüchteten unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Um der großen Zahl an Therapiebedürftigen gerecht zu werden, werden nach Angaben von Dirk Hermann, dem Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Caritasverbände Rheinland-Pfalz, seit dem vergangenen Jahr vermehrt Gruppentherapien angeboten. Der Vorteil sei, dass man mehr Leute erreichen könne. Allerdings könne man natürlich auch weniger auf die Bedürfnisse der Einzelnen eingehen.
Zentren können nur Bruchteil der bedürftigen Flüchtlinge helfen
Die Diakonie Ludwigshafen geht davon aus, dass die Psychosozialen Zentren in ganz Deutschland nur drei Prozent der bedürftigen Flüchtlinge versorgen können. Trotzdem seien jetzt die Bundesmittel von 13 Millionen auf 7 Millionen Euro gekürzt worden. Im PSZ Pfalz müsse deshalb sogar eine Stelle gestrichen werden.
Neben den PSZ gibt es in den Kreisen aber auch noch andere Anlaufstellen, an die sich Flüchtlinge mit ihren Sorgen und Nöten wenden können. Etwa die sozialpsychiatrischen Dienste der Kreise, Migrationsdienste, Flüchtlingskoordinatoren oder Beratungsstellen caritativer Einrichtungen.
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Hinweise aus der Flüchtlingshilfe
Oftmals suchen Flüchtlinge jedoch gar nicht selbst nach Hilfe - etwa aus Unkenntnis, Vorbehalten oder Scham. Daher sind die zuständigen Behörden auch auf die Hinweise von Menschen angewiesen, die direkt mit den Flüchtlingen zu tun haben. Neben Sozialarbeitern, die in Sammelunterkünften auf Personen stoßen, die sich auffällig verhalten, kommen etwa auch Integrationshelfer oder Menschen aus der Flüchtlingshilfe auf die Behörden zu.
Dabei kann es auch vorkommen, dass die betroffenen Personen die Angebote nicht annehmen, wie etwa die Kreisverwaltung Altenkirchen berichtet. In der Regel bestehe aber kein Grund, in irgendeiner Form Zwang auszuüben oder eine Einweisung zu veranlassen - auch wenn dies grundsätzlich möglich sei. Ob jemand Hilfe annehmen möchte, sei ihm oder ihr selbst überlassen.