Immer wieder werden Ausreisepflichtige mit bundesweiten Sammelabschiebungen aus Deutschland geflogen.

Diskussion nach dem Attentat von Solingen

Viele Abschiebungen in RLP scheitern - Land will Kommunen mehr unterstützen

Stand

In Rheinland-Pfalz sind in diesem Jahr bisher rund 40 Prozent der Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern gescheitert. Integrationsministerin Binz kündigte an, das Land wolle den Kommunen bei Abschiebungen stärker helfen.

Laut Integrationsministerium mussten bis zum 30. Juni dieses Jahres mehr als 1.000 Flüchtlinge Rheinland-Pfalz wieder verlassen. In 381 Fällen sei die Ausreise gescheitert, 290 Mal seien die Menschen nicht angetroffen worden, bei 17 Personen habe Widerstand zum Scheitern der Überstellung geführt, 74 Menschen konnten aus anderen Gründen nicht abgeschoben werden. 

Dem standen von Januar bis Juni dieses Jahres dem Ministerium zufolge 671 Ausreisen (2023: 1.178) gegenüber, darunter 395 Abschiebungen oder Überstellungen sowie 276 freiwillige Ausreisen mit finanzieller Unterstützung.  

Rheinland-Pfalz

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Nach dem Attentat von Solingen ist eine Debatte über Abschiebungen entbrannt. In Rheinland-Pfalz sind im ersten Halbjahr 2024 rund 40 Prozent der Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern gescheitert. Das hat das Integrationsministerium mitgeteilt. Was sind die Gründe?

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Debatte um Abschiebungen gewinnt an Schärfe

Nach dem Messerattentat von Solingen gibt es eine Diskussion darüber, ob abgelehnte Asylbewerber konsequent abgeschoben werden. CDU-Chef Friedrich Merz forderte sogar, Menschen aus Afghanistan und Syrien grundsätzlichen nicht mehr in Deutschland einreisen zu lassen. CDU-Landeschef Christian Baldauf und der Fraktionsvorsitzende Gordon Schnieder sprachen sich ebenfalls für ein schärferes Asylrecht aus.

Merz könnte sich auch Änderungen beim Asylrecht in Zusammenarbeit mit der SPD vorstellen - ohne FDP und Grüne einzubinden. Union und SPD hätten hierfür im Bundestag eine ausreichende Mehrheit. Das wurde aber von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zurückgewiesen. Das Individualrecht auf politisches Asyl in Deutschland müsse erhalten bleiben, sagte Scholz im ZDF. Wenig später ruderte Merz wieder zurück und sprach nur noch von einem "faktischen Aufnahmestopp" - ohne Grundgesetzänderung.  

Mehr als 2.000 Flüchtlinge in RLP sind ausreisepflichtig

Nach Angaben des Integrationsministeriums gibt es in Rheinland-Pfalz aktuell mehr als 2.000 Flüchtlinge, die ausreisepflichtig sind und keine Duldung haben - sie müssten das Land also unmittelbar verlassen. Das Ministerium geht davon aus, dass es sich bei etwa 1.500 Personen um so genannte Dublin-Fälle handelt, die in ein anderes EU-Land überstellt werden müssen.

Auch der Attentäter von Solingen hätte eigentlich nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, denn in dieses EU-Land war er 2022 zuerst eingereist. Grundlage für Überstellungen innerhalb der EU ist die Dublin-III-Verordnung - sie sieht vor, dass Asylbewerber in das Land gebracht werden, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten haben. 

Die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Katharina Binz (Grüne) sagte im Gespräch mit dem SWR, dass das sogenannte Dublin-System im Asylrecht "dringend überholungsbedürftig" sei. Aus diesem System ergäben sich viele Abschiebehindernisse. Die EU habe eine Reform bereits beschlossen. Diese müsse jetzt aber in den EU-Mitgliedstaaten auch umgesetzt werden.

Laut dem Kompromiss sollen Menschen, die aus Ländern mit geringer Anerkennungsquote kommen, in Einrichtungen an den Außengrenzen festgesetzt werden. Dort soll über ihren Anspruch auf Asyl dann im Schnellverfahren entschieden werden.

Binz sagt Kommunen Unterstützung des Landes bei Abschiebungen zu

Binz versicherte, die Behörden in RLP würden nach dem Scheitern einer Abschiebung versuchen, weitere Termine zu organisieren. Und sie hätten auch "ein Auge" auf die betroffenen Menschen, ob von ihnen möglicherweise eine Gefahr ausgehen könnte.

Zudem wolle das Land die Kommunen bei Abschiebungen besser unterstützen. "Wir haben schon seit vielen Jahren die Zentralstelle für Rückführungsfragen in der Stadt Trier angesiedelt, die wir auch vom Land aus vollumfänglich finanzieren", sagte Binz. Zudem gebe es eine neue Landesverordnung. Durch sie würden die Kompetenzen der Zentralstelle weiter gestärkt.

Land bucht Abschiebeflüge für Kommunen

Die Zentralstelle könne im Auftrag der Kommunen Flüge buchen - über ein zentrales europäisches Portal. Das erspare den Kommunen jede Menge organisatorischen Aufwand und die EU finanziere die Flugbuchungen. "Es ist also auch eine finanzielle Entlastung."

Binz begrüßte die Initiative von CDU-Chef Merz grundsätzlich, in der Asylpolitik parteiübergreifend zusammenzuarbeiten. Das sei auch in der Vergangenheit schon geschehen, beispielsweise auf den Konferenzen der Ministerpräsidenten der Länder. Hier sei ja jede Couleur vertreten. Die demokratischen Parteien müssten in dieser Frage miteinander kooperieren.

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