Geständnis wurde von US-Militärgericht nicht gewertet

Staatsanwaltschaft Trier: Kein Druck auf Beschuldigten des Wittlicher Messerangriffs

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Anna-Carina Blessmann
Anna-Carina Blessmann am Mikrofon

Nach dem Tötungsdelikt auf der Säubrennerkirmes ist der Beschuldigte vom zuständigen US-Militärgericht freigesprochen worden - trotz Geständnis. Die Air Force wirft den deutschen Behörden vor, den Mann unter Druck gesetzt zu haben. Die weisen die Vorwürfe strikt zurück.

Für die Familie von Michael Ovsjannikov, der am 19. August 2023 auf der Wittlicher Säubrennerkirmes getötet wurde, gab es eigentlich nur eine Möglichkeit, wie der Prozess um diese Tat hätte ausgehen müssen: Jemand wurde am Morgen danach festgenommen, gestand vor der Polizei und hatte dabei Täterwissen, kam in Untersuchungshaft, wurde angeklagt und hätte verurteilt werden müssen.

Doch es kam anders: Das Geständnis, das ein auf der Air Base Spangdahlem stationierter US-Soldat vor deutschen und US-amerikanischen Ermittlern gemacht hatte, wurde im Militärprozess auf dem Flugplatz nicht gewertet. Die Richterin war der Ansicht, es sei nicht freiwillig gewesen. Deshalb hatten es die Geschworenen, die den Angeklagten letztlich freisprachen, nie gehört.

Air Base Spangdahlem: Das sprach gegen das Geständnis

Auf mehrfache SWR-Anfragen gab die Air Base Ende vergangener Woche Details zu dieser Entscheidung bekannt: Maßgeblich dafür sei gewesen, wie lang der damals Verdächtige in Polizeigewahrsam war. Außerdem habe es Verwirrung um seine Rechtsbelehrung und seine Entscheidung, eine Aussage zu machen, gegeben. Der stärkste indirekte Vorwurf, der aus der Antwort der Air Base hervorgeht: Für den US-Soldaten habe es eine "wahrgenommene Drohung" gegeben, er würde über Nacht festgehalten, wenn er nicht redet.

"Da muss man sich fragen, ob das realistisch ist, dass die deutsche Polizei jemanden bedroht, um ein Geständnis zu bekommen", sagt dazu ein Freund des Todesopfers bei einer Demonstration gegen den Freispruch am vergangenen Freitag.

Druck durch die Polizei auf einen Verdächtigen - kann das sein? Gab es diese Drohung wirklich oder gab es etwas, das den Soldaten zumindest glauben ließ, ihm werde gedroht? Innenminister Michael Ebling (SPD) wies das im Gespräch mit dem SWR zurück: "Für die Polizei kann ich festhalten: Das, was an Vernehmung und Belehrung gelaufen ist, ist absolut über jeden Zweifel erhaben." Auch die Trierer Staatsanwaltschaft sieht auf SWR-Nachfrage kein Fehlverhalten bei der Polizei.

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Staatsanwaltschaft: Zu keinem Zeitpunkt wurde Druck ausgeübt

Demnach liegen der Staatsanwaltschaft nur die Akten vor, die die deutschen Ermittler erstellt hatten, bevor das Verfahren nach NATO-Truppenstatut an die US-Strafverfolgung abgeben wurde. "Diesen Dokumenten lässt sich eine an den Beschuldigten gerichtete Drohung, über Nacht in Haft zu bleiben, wenn er nicht rede, oder eine sonst unzulässige Unterdrucksetzung nicht entnehmen", so der Leitende Oberstaatsanwalt Peter Fritzen.

Außer der Auskunft der Air Base an den SWR liege der Staatsanwaltschaft aber keine genauere Begründung, insbesondere nicht die Entscheidung der Militärrichterin vor, warum sie das Geständnis nicht zugelassen hat: "Hier ist daher nicht bekannt, auf welche Tatsachen sie sich stützt." Die Staatsanwaltschaft wisse auch nicht, ob die amerikanischen Ermittler später Belege dafür gefunden haben, dass dem Beschuldigten gedroht worden wäre. Nur die US-Behörden würden alle Akten kennen.

So lief die Vernehmung des Beschuldigten ab

Was die deutschen Akten preisgeben: Als der US-Soldat im August vergangenen Jahres vernommen wurde, waren deutsche Beamte und solche vom Office of Special Investigation (OSI) dabei: "Die deutschen Beamten hatten den Beschuldigten nach deutschem Strafprozessrecht belehrt, die US-amerikanischen Beamten nach US-amerikanischem Recht."

Der Beschuldigte hatte demnach auf einen Verteidiger verzichtet. Er wurde erst von einem deutschen Kripobeamten verhört, wobei eine Kollegin vom OSI übersetzte. Zunächst sei aufgeschrieben worden, was der US-Soldat zu sagen hatte. Nachdem er die Messerstiche auf der Säubrennerkirmes gestand, so Fritzen, sei das weitere Geständnis zusätzlich auf Video aufgezeichnet worden.

Unter der Römerbrücke hat ein Passant die Tatwaffe in der Lieser entdeckt. Von der Brücke bis zum Tatort sind es nur fünf Minuten zu Fuß.
Unter der Römerbrücke hat ein Passant die Tatwaffe in der Lieser entdeckt. Von der Brücke bis zum Tatort sind es nur fünf Minuten zu Fuß.

Anschließend konnten auch die US-Beamten den Mann befragen. Aber: Wie genau diese Vernehmung verlief, weiß die Trierer Staatsanwaltschaft nicht. Das sei im deutschen Protokoll nicht festgehalten worden. Alle Unterlagen und Beweismittel haben die deutschen Beamten später an ihre US-Kollegen übergeben. Was Staatsanwalt Fritzen sagen kann: Der Beschuldigte war zum Zeitpunkt der Vernehmung nicht erheblich betrunken gewesen, eine Blutprobe habe 0,2 Promille ergeben.

Nach dem, was Anwalt, Familie und Freunde des Todesopfers bei der öffentlichen Haftprüfung auf der Air Base Spangdahlem aus dem dort vorgelesenen Geständnis gehört haben, hatte der US-Amerikaner zudem Täterwissen: Offenbar konnte er nicht nur die Marke des Messers nennen, mit dem zugestochen wurde. Nach SWR-Informationen wusste er auch, wo das Messer entsorgt worden war. Er soll es den Ermittlern auf einer Karte gezeigt haben, woraufhin diese die Waffe in der Lieser fanden.

Wie geht es jetzt weiter?

Im deutschen Recht gibt es das Verbot der Doppelbestrafung im Grundsatz "nicht zweimal in derselben Sache". Auch im US-amerikanischen Recht ist dieser Grundsatz, dass niemand zweimal wegen desselben Verbrechens angeklagt werden darf, als "double jeopardy" verankert. Dass der US-Soldat noch einmal angeklagt wird, ist daher unwahrscheinlich, weil die Staatsanwaltschaft im US-Recht auch keine Berufung einlegen kann.

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