Seit dem Tod der 14-Jährigen in Illerkirchberg ist etwas mehr als eine Woche vergangen. Seitdem ist der Ort im Alb-Donau-Kreis bundesweit bekannt geworden. Die Stimmung in der Gemeinde ist nach der Messerattacke aufgeladen.
An hitzige politische Auseinandersetzungen und Inszenierungen von Rechtsextremen muss sich der 4.900-Einwohner-Ort südlich von Ulm erst noch gewöhnen. Sie gehören offensichtlich zum neuen Alltag von Illerkirchberg. Am Montagabend, genau eine Woche nach dem tödlichen Angriff auf eine 14-jährige Schülerin, nutzen rund 20 Anhänger der rechtsextremen Partei "Der dritte Weg" den Rathausvorplatz als politische Bühne, spielen deutschnationale Lieder, fordern mit großen Plakaten "Kriminelle Ausländer raus".
Die Rede wird von rund 200 Gegendemonstranten über weite Strecken übertönt. "Nazis raus", ruft die Mehrheit bei eisigen minus neun Grad, hält Schilder hoch mit der Aufschrift: "Wir trauern. Hier ist kein Platz für rechten Hass." Die wenigsten der Teilnehmer auf beiden Seiten dürften aus dem Dorf stammen.
Noch eine Stunde zuvor haben in der Kirche Sankt Sebastian im Teilort Oberkirchberg die Glocken zu einem ökumenischen Friedensgebet geläutet. Viele in der Gemeinde sehnen sich nach einem Ort der Trauer abseits des Tatorts, haben sich von sich aus an die Kirche gewandt.
Einwohner von Illerkirchberg: Macht die Kirchen auf!
"Wir haben E-Mails bekommen mit der Bitte: Macht die Kirchen auf!", berichtet der evangelische Pfarrer Andreas Wündisch. Es habe den Leuten gut getan, wenn man zusammenstehen, miteinander reden konnte. Sein katholischer Kollege Jochen Boos ergänzt: "Der Austausch ist auch eine Sehnsucht des Menschen in solchen Situationen."
Jetzt, eine Woche später, werde auf den Straßen in Illerkirchberg nicht mehr ganz so lebhaft über die Tat und mutmaßliche Hintergründe geredet, beobachtet Pfarrer Boos. "Aber die Mimik der Menschen sagt ja auch einiges aus. Es ist irgendwie ein Schleier über dem Ort." Inzwischen habe sich auch eine Erschöpfung breit gemacht. "Gleichzeitig lässt es einen nicht los", sagt Wündisch.
Noch immer hunderte Kerzen am Tatort
Am Tatort leuchten noch immer hunderte Kerzen. Noch viel mehr sind inzwischen erloschen. Dazwischen Plüschtiere, Blumen, Fotos, Karten und Tafeln mit dem Wort "Warum?". Genau hier hatte am Morgen des 5. Dezember ein Mann auf die beiden 13 und 14 Jahre alten Mädchen eingestochen - direkt vor dem Haus, in dem drei Flüchtlinge aus Eritrea lebten. Einen von ihnen, einen 27-Jährigen, hat die Polizei als mutmaßlichen Täter ermittelt. Er schweigt nach wie vor.
Die 14-Jährige überlebte den Angriff nicht. Die 13-Jährige wurde schwer verletzt. "Ich bin mit dem Fahrrad aus dem Nachbarort Senden gekommen", erzählt ein Mann mit einer Kerze in der Hand. "Das hat mich sehr mitgenommen und beschäftigt." Er wolle nun für die Angehörigen beten.
Anwohnerin: "Wir sind erschüttert und ängstlich"
Eine Anwohnerin aus Oberkirchberg kommt regelmäßig zu den Mahnwachen am Tatort. "Wir sind immer noch erschüttert und ängstlich, auch wenn jetzt eine Woche vergangen ist", erklärt die Frau. Sie sei enttäuscht und fühle sich allein gelassen von der Politik. Auch die Gemeindeverwaltung und der Bürgermeister böten keine Hilfe, kritisiert sie, keinen Anlaufpunkt für Fragen und Sorgen. Sie vermisst eine Aussage, wie eine solche Tat in Zukunft verhindert werden könne.
Der Bürgermeister von Illerkirchberg ist an diesem Abend nirgends zu sehen, weder bei den Demonstrationen vor dem Rathaus noch bei der Mahnwache oder beim Friedensgebet. SWR-Anfragen lässt er seit Tagen unbeantwortet.
Eine weitere Frau kommt mit Kerzen zum Tatort. Sie ist nach einer Woche die erste, die auch vor die Tür des Hauses, in dem die afrikanischen Flüchtlinge lebten, Lichter stellt. Einer, der laut Polizei völlig unbeteiligt war, hat sich inzwischen umgebracht. "Mich bewegt auch deren Schicksal, inklusive das des mutmaßlichen Täters", sagt die Frau. Sie bleibt noch eine Weile stehen und verschwindet dann in der dunklen Kälte.