Der AfD-Landtagsabgeordnete Miguel Klauß nimmt ein TikTok auf

AfD in BW in Kurzvideo-App erfolgreich

TikTok als "scharfes Schwert" im Wahlkampf? Wieso die Plattform immer mehr in den politischen Fokus rückt

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Hannah Vogel
Hannah Vogel ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg".
Edina Schmitt
Edina Schmitt ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg".

Die AfD in Baden-Württemberg ist auf TikTok äußerst erfolgreich. Mit ihren Inhalten erreicht sie vor allem junge Menschen. Was bedeutet das für die nächsten Wahlen?

Für die AfD ist TikTok eine Waffe im Wahlkampf. Sie ringt dort um Stimmen junger Menschen. "Die holen sich all ihre Informationen auf TikTok", sagt der AfD-Landtagsabgeordnete Miguel Klauß in der SWR-Sendung "Zur Sache! Baden-Württemberg". Deshalb sei es wichtig, dort als Partei oder Politiker aktiv zu sein. "Damit die jungen Leute dann sehen: Mit dieser Position identifiziere ich mich, deswegen wähle ich dann vielleicht die AfD."

Miguel Klauß ist einer der erfolgreichsten TikToker seiner Partei. Ihm folgen rund 350.000 Menschen, mehr als doppelt so viele wie in seinem Wahlkreis Calw wohnen. "Abschieben, abschieben, abschieben", ruft er in einem seiner Videos am Rednerpult des Landtags. "Wir müssen abschieben, bis die Startbahnen anfangen zu glühen." Das Video zählt zu den meistgeklickten auf seinem Account, weit mehr als eine Million Menschen haben es gesehen.

AfD-Politiker: TikTok-Account als "scharfes Schwert" für Landtagswahlen

Den Wahlerfolg der AfD in Thüringen und in Sachsen führt Miguel Klauß auch auf TikTok zurück. Die AfD hatte bei den Landtagswahlen am vergangenen Sonntag dort jeweils mehr als 30 Prozent der Stimmen geholt. "Sogar ich habe TikTok und die Sozialen Medien unterschätzt", sagt Klauß im Hinblick auf die Wahl-Nachanalyse. In den Wochen vor der Wahl hatte er auf seinem TikTok-Account immer wieder Wahlwerbung für die AfD in Sachsen und Thüringen gemacht.

Nun hat Klauß schon die nächsten Wahlen im Blick. "Ich glaube, wir können noch viel stärker und professioneller werden", sagt er. Seinen TikTok-Account will er zu einem "scharfen Schwert" für die Bundestagswahl und die nächste Landtagswahl in Baden-Württemberg machen. TikTok solle das Medium sein, in dem die Partei Wahlkampf betreiben könne, sagt er.

Wissenschaftlerin: AfD hat einen "riesigen Vorsprung"

Aber können Wahlen auf TikTok wirklich gewonnen werden? Für Kerria Drüppel, Medienwissenschaftlerin an der Universität Hohenheim, ist diese Frage nicht leicht zu beantworten. "Was Nutzerinnen und Nutzer auf TikTok erleben, ist wahnsinnig individuell", sagt sie. Die meisten von ihnen sähen kaum politische Inhalte. Das bestätigt auch eine Studie der Universität Potsdam, die diese Woche veröffentlicht wurde. Sie zeigt, dass von 75.000 untersuchten Videos nur 2.000 eine explizit politische Ausrichtung hatten. "Wenn der Algorithmus sich aber dahingehend ändert, dass er einem viele dieser Inhalte ausspielt, dann kann das natürlich einen Einfluss auf die Wahlentscheidung haben."

Den Erfolg der AfD auf TikTok führt Drüppel unter anderem darauf zurück, dass die Partei schon viel länger auf TikTok aktiv ist als andere. "Die etablierten Parteien haben sich lange Zeit schwer getan mit der Plattform", sagt sie. Dadurch hätten AfD-Politikerinnen und AfD-Politiker einen riesigen Vorsprung. "Sie kennen die Plattform besser und wissen, was funktioniert. Das spielt ihnen jetzt in die Karten."

Der AfD-Landtagsabgeordnete Miguel Klauß nimmt ein TikTok auf.
Miguel Klauß braucht für zwei TikToks keine zehn Minuten, sagt er.

Populismus zieht laut Drüppel auf TikTok

Von den Landtagsfraktionen in Baden-Württemberg hat derzeit neben der AfD nur die SPD einen TikTok-Account. Die FDP plant einen Account, Grüne und CDU sind als Fraktion nicht vertreten. Zudem sind mehrere Politikerinnen und Politiker aus dem Land auf TikTok aktiv, aber nur wenige haben ähnliche Klickzahlen wie Miguel Klauß. Grünen-Chefin Ricarda Lang hat zum Beispiel auch mehrere Videos mit jeweils mehr als einer Million Klicks, in manchen davon geht es aber um ihr Privatleben - nicht um Politik.

Für Medienwissenschaftlerin Kerria Drüppel kommt es bei TikTok unter anderem auf die Spontanität an, die vermittelt wird. "Das macht die Person sehr viel nahbarer als ein überproduziertes Video, was natürlich schön aussieht, aber in dem Moment eben nicht das ist, was Nutzerinnen und Nutzer sehen wollen", sagt sie. Außerdem werden populistische Inhalte nach Ansicht von Drüppel häufig geklickt. "Sie polarisieren und rufen eine emotionale Reaktion hervor. Das regt uns an, auf den Inhalt zu reagieren und zum Beispiel in den Kommentaren Stellung zu beziehen oder die Inhalte jemandem weiterzuleiten", sagt sie. Das führe wiederum dazu, dass der Algorithmus die Inhalte verstärkt ausspiele.

SPD-Fraktionschef: "Die Welt da draußen ist komplexer"

Aus Sicht des SPD-Fraktionsvorsitzenden Andreas Stoch tut sich die AfD gerade wegen ihres Populismus auf TikTok oft leichter. "Die Phrasen, die die AfD in die Welt setzt, sind oft kurz und knackig", sagt Stoch. "Die Welt da draußen ist aber komplex." Er selbst ist auch auf TikTok aktiv, hat aber nicht so viele Follower wie Miguel Klauß. Stochs erfolgreichstes Video haben 130.000 Menschen gesehen.

Stoch will auf TikTok mit positiven Botschaften überzeugen und sich dadurch von der AfD unterscheiden. Seine Videos sind aufwändiger produziert als die von Miguel Klauß. Er zeigt sich auf seinem Motorrad, wünscht Nutzerinnen und Nutzern auch mal schöne Sommerferien oder besucht beim Format "Sport mit Stoch" verschiedene Sportvereine und trainiert selbst mit.

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch beim TikTok-Dreh
SPD-Fraktionschef Stoch will TikTok nicht den "Radikalen" überlassen.

Stoch will TikTok nicht "Populisten und Radikalen" überlassen

Mit seinem TikTok-Account will Stoch der AfD auch aktiv entgegentreten. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Populisten und Radikale die Sozialen Netzwerke mit ihrer Logik der Blasen und Algorithmen dafür nutzen, Menschen sozusagen einzukapseln in eine alternative Wirklichkeit", sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende. "Das wäre hochgefährlich und deswegen müssen wir dagegenhalten als Demokratinnen und Demokraten."

Im Hinblick auf TikTok gibt es schon länger datenschutzrechtliche Bedenken. Es geht um die Sorge, dass die chinesische Staatsführung Zugriff auf Daten bekommen könnte, was diese immer wieder zurückweist. Andreas Stoch lässt das nicht als Einwand gelten. "Solange diese Plattform existiert, solange sie für viele, vor allem junge Menschen, eine hohe Relevanz hat, dürfen wir nicht so tun, als gäbe es sie nicht. Sonst entsteht eine Spaltung in der Gesellschaft", ist er überzeugt. Die AfD habe sich schon früh auf dieses Medium gestürzt. "Die anderen müssen jetzt nachziehen."

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