Steril, ästhetisch, pflegeleicht: Die Gründe, aus denen sich Hausbesitzer und Hausbesitzerinnen für Schottergärten entscheiden, sind vielseitig. Dass diese Form der Gartengestaltung in Baden-Württemberg bereits seit Juli 2020 durch eine Neuregelung des baden-württembergischen Naturschutzgesetzes verboten ist, schreckt nicht überall von dem Garten-Trend ab.
Große Rückbau-Offensive in Karlsruhe, kaum Fortschritt in Stuttgart
Ausdrücklich verboten sind in Baden-Württemberg alle Schottergärten, die ab dem 31. Juli 2020 errichtet wurden. Das regelt eine Neuerung im Landesnaturschutzgesetz. Sie müssen zurückgebaut werden - im Zweifel auf Anordnung. Für die Erfassung von Anlagen und die Durchsetzung des Verbots sind die Kommunen im Land zuständig.
In Karlsruhe, so die Auskunft der Stadt, habe das zuständige Bauamt in bislang sieben überprüften Gebieten in 96 Fällen den Rückbau eines Schottergartens angeordnet - davon seien bereits 73 Rückbau- und Begrünungsmaßnahmen durchgeführt worden. In den übrigen Fällen sei die Frist zum Rückbau noch nicht erreicht.
In Stuttgart hingegen mussten bisher nur wenige Schottergärten einer Begrünung weichen. So wurden laut Angaben der Landeshauptstadt von etwa 50 erfassten Schottergärten bisher nur zwei Anlagen auf Anordnung zurückgebaut. Über weitere vier Gärten werde derzeit entschieden, hieß es auf SWR-Anfrage.
Rechtsauffassung des Landes schützt ältere Schottergärten
Die meisten Schottergärten sind laut Angaben der Stadt Stuttgart vor dem 31. Juli 2020 entstanden - das macht es den städtischen Baurechtsbehörden schwer, gegen sie vorzugehen. Denn das ist laut Auffassung des Bauministeriums und des Umweltministeriums der Stichtag, seit dem das Verbot gilt. Seither werden Schottergärten als keine "zulässige Verwendung" nicht bebauter Grundstücksflächen definiert.
Die Stadt Stuttgart hätte gern einen früheren Stichtag durchgesetzt. Demnach sollten auch Besitzer von Schottergärten, die ab dem 1. Januar 1996 angelegt wurden, zum Rückbau aufgefordert werden können. Begründet wurde dies mit der Landesbauverordnung aus diesem Jahr. Die Ministerien bleiben jedoch bei ihrer Rechtsauffassung. Ältere Schottergärten müssten laut den Ministerien von den Baurechtsbehörden geprüft werden, ein Rückbau könne im Einzelfall angeordnet werden.
Kampf gegen Steinwüsten Schottergarten-Verbot: Städte in BW drohen mit Rückbau
Trotz Verbots entstehen in Baden-Württemberg noch immer Schottergärten. Einige Städte machen Ernst - Besitzer müssen die Steinwüsten wieder urbar machen.
Begrünungsvorschriften in Karlsruher Bebauungsplänen
In Karlsruhe hingegen wendet das städtische Bauamt andere Rechtsgrundlagen an, um auch gegen ältere Schottergärten vorgehen zu können. Man beziehe sich auf die konkreten Begrünungsvorschriften, die in den örtlichen Bebauungsplänen der Stadt festgehalten wurden.
Bebauungspläne sind Satzungen einzelner Gemeinden, die damit als örtliche Gesetze gelten. "Dann ist das Rechtskraftdatum des Bebauungsplans maßgeblich. Dieses liegt bei den meisten Bebauungsplänen vor 2020", teilte ein Pressesprecher der Stadt auf SWR-Anfrage mit.
Naturschutzbund: Schottergärten befeuern Überhitzung von Städten
Den geringen Fortschritt beim Kampf gegen die "Geröllwüsten" bedauert auch der Naturschutzbund (NABU) Baden-Württemberg. In den Kommunen werde zwar vereinzelt der Rückbau von Schottergärten durchgesetzt, es fehle aber an Personal und Kontrolle - denn die Kommunen müssen auf Schottergärten aufmerksam werden, die Einzelfälle prüfen, und Verfahren anordnen. Außerdem fehlt es laut Helena Sommer vom NABU Baden-Württemberg vor allem an der Aufklärung der Bevölkerung über die ökologischen Nachteile von Schottergärten.
Städte und Gemeinden bräuchten in Zeiten des Klimawandels mehr Grünflächen und Rückzugsorte, die eine kühlende Wirkung haben - für Tier und Mensch. Bereits in den nächsten 30 Jahren rechnen Klimaforscher mit drastischen Hitzesommern.
"Wir rechnen damit, dass es bis 2050 auch 45 Grad im Schatten in Deutschland geben kann. Darauf ist dieses Land nicht vorbereitet, nicht in der Art und Weise, wie wir heute Städte und Häuser bauen", berichtete ARD-Wetterexperte Karsten Schwanke in einer Ausgabe der Tagesthemen vom 20. Juni über die extremen Folgen der Klimaerwärmung. Große versiegelte Flächen in Städten sehen Klimaforscher schon lange als Problem.
Städte schaffen kreative Anreize gegen Schottergärten
Für mehr Bäume und Grünflächen im Stadtbild können Kommunen Fördermittel beim Land beantragen - der Rückbau privater Schottergärten gestaltet sich jedoch deutlich schwieriger. Um Besitzer und Besitzerinnen von Schottergärten trotz fehlender Rückbaupflicht von der Umgestaltung ihres Gartens zu überzeugen, lassen sich manche Kommunen kreative Ideen einfallen - so etwa Holzgerlingen.
Die Stadt hatte einen Wettbewerb ins Leben gerufen, bei dem Fotos des eigenen "hässlichsten Schottergartens" eingereicht werden sollten. Die Besitzer der vier hässlichsten Schottergärten gewannen den Umbau ihrer Schottergärten durch einen Landschaftsgärtner im Wert von insgesamt 10.000 Euro.
"Das ist grundsätzlich ein neuer, spannender Ansatz", sagt Helena Sommer vom NABU BW. Wie viele Personen durch solche Aktionen erreicht würden und ob Besitzer von Schottergärten überhaupt an einem Umbau interessiert seien, sei allerdings fraglich. Neben entsprechender Aufklärung seien Fördergelder jedoch ein guter Anreiz.
Finanzielle Unterstützung gibt es auch in anderen Städten: Die Klimaschutzagentur Mannheim bietet beim Rückbau von Schottergärten unter bestimmten Voraussetzungen finanzielle Unterstützung an. Bis zu 50 Euro Fördergeld pro Quadratmeter neu begrünter Fläche werden gezahlt. In Karlsruhe und Pforzheim bietet die Stadt Förderprogramme für den Rückbau von Schottergärten an, die vor dem 31. Juli 2020 gebaut wurden.