Vor fünf Jahren wurde in Deutschland nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie der erste Lockdown verordnet. Von den Maßnahmen waren auch Kinder und Jugendliche betroffen. Ängste, Depressionen und körperliche Folgen zeigen sich bis heute.
Rückblick auf ersten Lockdown vor vier Jahren So hat die Corona-Pandemie das Leben in BW eingeschränkt
Geschäfte und Restaurants schließen, Schüler bleiben zu Hause: Vor vier Jahren trat der erste Lockdown in der Pandemie in Kraft. Es sollten weitere folgen. Ein Rückblick.
Ein Beispiel ist der Fall von Deniz: In der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums Stuttgart haben er und seine Mutter einen Gesprächstermin. Die Ärztin Katrin Deitigsmann begleitet Deniz schon seit einigen Monaten. Der 12-Jährige war über drei Monate in stationärer Behandlung und wird weiterhin ambulant betreut. Deniz hatte es schwer, als er vor fünf Jahren in die Grundschule kam. Er war laut, unruhig und bekam Schwierigkeiten mit anderen Mitschülern, erzählt er:
Sie haben mich gemobbt, auch körperlich geschlagen. Dann haben sie mich ausgelacht, weil ich dick war.
Wenige Monate später brach Corona aus mit Lockdowns, Home-Schooling und Maskenpflicht. "Das war für uns eine einzige Katastrophe", berichtet seine Mutter. Deniz hatte ohnehin Schwierigkeiten zu lernen, aber zuhause konnte ihm seine Mutter bei den Aufgaben nicht helfen. Es fehlte ihm an Alltagsstruktur und Unterstützung. "In der Pandemiezeit nahm Deniz immer mehr zu, fühlte sich unwohler und zog sich vollkommen zurück."
Psychische Probleme seit Corona deutlich gestiegen
Deniz ging immer weniger in die Schule, verbrachte viel Zeit vor dem Fernseher oder mit dem Handy. Deniz Mutter hatte sich getrennt, war allein mit zwei kleinen Kindern überfordert. Nach vielen Gesprächen empfahl die Schule vor zwei Jahren eine Therapie. Denn Deniz hatte Schulangst und Angst vor sozialen Kontakten. Das habe bei Schulkindern seit Corona enorm zugenommen, erklärt Ärztin Deitigsmann, die sich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zur Psychologin fortbildet:
Was wir auch kennen, dass sowohl die somatischen Probleme wie Übergewicht und allen Folgeerkrankungen, die damit verbunden sind, und dass Einsamkeit und depressive Entwicklungen bei Kindern und Jugendlichen zugenommen haben.
Vor allem Jugendliche fühlten sich mit ihren Sorgen vor Krieg, Klimawandel oder wirtschaftlicher Unsicherheit alleingelassen. Soziale Medien verstärkten die Ängste.
Jugendpsychologie Jugendliche reagieren heute anders auf Probleme als früher
Eine neue US-Studie mit 178.000 Jugendlichen zeigt, dass diese seltener zu Alkohol und Gewalt greifen, aber vermehrt unter Depressionen und selbstschädigendem Verhalten leiden.
Mehr Suizidversuche bei Jugendlichen seit 2022
Seit 2022 hätten sich die Suizidversuche bei Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren verdreifacht und besonders Mädchen litten unter den psychischen Folgen, erklärt Dagmar Preiss. Sie ist Leiterin des Mädchengesundheitsladens in Stuttgart.
Wir haben immer noch einen deutlichen Anstieg, den wir praktisch seit Sommer 2022 im Kontext Suizidalität haben, also dieses Thema 'Ist die Erde hier ein guter Platz für mich?'
In akuten Krisen suchten sie gemeinsam mit den Betroffenen sofort die Kinder- und Jugendpsychiatrie auf, mit der sie eng zusammenarbeiten. Denn die Wartezeiten auf einen Therapieplatz seien lang, von mehreren Monaten bis zu einem Jahr. Obwohl die Plätze in Baden-Württemberg ausgebaut wurden, ist das System stark überlastet, erklärt Dagmar Preiss. Die Beratungsstellen seien lange im Voraus ausgebucht.
Neue Studie zur seelischen Gesundheit Junge Menschen in BW leiden häufig an psychischen Krankheiten
Depressionen und Essstörungen sind in BW weit verbreitet. Mädchen leiden häufig an Angststörungen. Krisen strapazieren laut Stuttgarter Klinikchef die "Gesundheit junger Menschen".
Auch im Mädchengesundheitsladen bekommen Mädchen erst nach etwa acht Wochen einen Termin und das sei einfach spät. Die Jugendlichen brauchen Orientierung - in einer Gesellschaft, die sich zunehmend polarisiere, so Preiss weiter. Sie fordert mehr Präventionsangebote und "Mental Health" als eine im Lehrplan integrierte Unterrichtseinheit. Aber vor allem sei es wichtig, dass Kinder und Jugendliche Eltern hätten, die zuhörten.

Deniz half die Therapie
Und Deniz und seine Mutter? Sie lernen in der Therapie, gut miteinander umzugehen und Strukturen im Alltag zu festigen. Deniz lernt, seine Impulse zu kontrollieren und sich nicht mehr von Mitschülern provozieren zu lassen. Sport mache ihm jetzt richtig Spaß und er habe abgenommen. Das gibt ihm Sicherheit, sagt seine Mutter und lächelt.