An den 25. Februar 2020 kann sich Hans-Georg Kräusslich noch genau erinnern: Es war der Tag, an dem in Baden-Württemberg zu ersten Mal eine Corona-Erkrankung diagnostiziert wurde. Tatsächlich war es aber ein anderes Ereignis, das dem Virologen des Heidelberger Uniklinikums noch stärker in Erinnerung geblieben ist: Der erste Corona-Ausbruch in Deutschland.

Heidelberger Uniklinikum traf schon im Januar Vorbereitungen
Anfang Januar 2020 war das Virus am Firmensitz eines bayerischen Automobilzulieferers ausgebrochen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt, sagt Kräusslich, sei klar gewesen, dass die Krankheit früher oder später auch in Baden-Württemberg auftreten würde. Deshalb wurde am Heidelberger Uniklinikum eine Kommission damit beauftragt, sich auf den Fall der Fälle vorzubereiten.
Wir haben zu diesem Zeitpunkt ganz sicher nicht mit einer Pandemie dieses Ausmaßes gerechnet - aber wir haben damit gerechnet, dass wir damit umgehen werden müssen.
Als dann tatsächlich der erste Corona-Patient ins Heidelberger Uniklinikum kam, war man laut Kräusslich so dafür gerüstet, dass man die Situation gut im Griff hatte. Schwieriger wurde es, als sich herausstellte, wie schnell sich der Erreger ausbreitete und man sah, wie viele schwere Verläufe es gab.
Corona-Erkrankungen Teil der Erkältungswelle
Fünf Jahre später können sich viele Menschen diese Situation kaum noch vorstellen, denn Covid hat mittlerweile seinen Schrecken verloren. Über die Jahre sind die Verläufe milder und Long-Covid-Erkrankungen seltener geworden.
Wie viele Menschen genau sich in der diesjährigen Erkältungswelle mit Corona infiziert haben, sagt Hans-Georg Kräusslich, lasse sich nicht exakt beziffern - denn flächendeckend getestet wird schon lange nicht mehr. Trotzdem können die Virologen das aktuelle Krankheitsgeschehen relativ sicher einschätzen.

Als die Zahl der Atemwegsinfektionen vor Weihnachten stark angestiegen war, seien bei vielen Patienten Tests durchgeführt worden - und in dieser Phase sei Covid der häufigste nachgewiesene Erreger gewesen. Zum gleichen Ergebnis kamen auch die damals durchgeführten Abwassertests. Dabei wird überprüft, welche Virenrückstände sich in Wasserproben nachweisen lassen. Dadurch lässt sich herausfinden, welche Erreger zurzeit am häufigsten vertreten sind.
Omikron-Variante sorgt für milde Verläufe
Dass Corona fünf Jahre nach der ersten Infektion in Baden-Württemberg heute kein großes Thema mehr ist, hat einen guten Grund. Während die sogenannte Alpha- und später auch die Delta-Variante noch heftige Verläufe verursachten, ist die heute vorherrschende Omikron-Variante durch ein deutlich milderes Krankheitsbild gekennzeichnet.
Dazu kommt, dass wir inzwischen eine sehr breite Immunität haben. Die schützt uns zwar nicht vor Infektionen - aber unser Immunsystem ist in der Lage, schwerere Verläufe zu verhindern.
Long Covid auf dem Rückzug
Richtig ist laut Hans-Georg Kräusslich aber auch, dass es bei Menschen mit Vorerkrankungen auch weiterhin zu schweren oder zum Teil sogar tödlichen Verläufen kommen kann. Patienten ohne Vorerkrankungen, die wegen einer Corona-Infektion auf die Intensivstation müssen, sehe man heute aber nicht mehr.
Auch die Zahl der Menschen, die unter Long Covid - also Langzeitfolgen von Corona - leiden, ist laut Kräusslich in den vergangenen Jahren zurückgegangen.
In vielen Fällen nehmen Long-Covid-Symptome nach einigen Monaten deutlich ab oder gehen auch ganz weg. Es gibt aber leider auch Patienten, die die Symptome über einen langen Zeitraum behalten - und diese Patienten gibt es durchaus in erheblicher Zahl.
Trotz weltweiter Bemühungen, sagt Kräusslich, gebe es aber bis heute keine gute Diagnostik, die es Ärzten ermöglicht, den Verlauf von Long Covid bei einem Patienten verlässlich vorherzusagen. Daran werde weitergeforscht, aber das Krankheitsbild sei komplex. Studien würden außerdem zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, neu an Long Covid zu erkranken, mittlerweile deutlich geringer ist.
Corona ist inzwischen Normalität
Dass in Zukunft neue Corona-Varianten auftreten könnten, die wieder deutlich schwerere Verläufe als Omikron verursachen, lässt sich laut Hans-Georg Kräusslich nicht komplett ausschließen. Derzeit deute aber nichts darauf hin. Vielmehr sollte man dazu übergehen, Corona als etwas Normales zu betrachten. Da die Auswirkungen mittlerweile ähnlich seien wie bei anderen Atemwegserkrankungen, sei es völlig egal, ob sich der Patient nun mit Rhinoviren oder Covid2-Viren angesteckt hat. Durch die Pandemie habe das Coronavirus eine Bedeutungsaufladung erfahren - aber diese Einzelstellung sei heute nicht mehr gerechtfertigt.