Der 15-jährige Theo Astor gibt seinen Freunden von der Jugendfeuerwehr Adenau Kommandos. Selbst beim Löschschlauch mit anpacken kann er nicht, denn der Junge mit dem lockigen Pferdeschwanz sitzt im Rollstuhl. Dass Theo überhaupt dabei ist, ist eine kleine Sensation. Zwei Jahre lang konnte er nur im Bett liegen, keine Schule, keine Feuerwehr. "Ich bin permanent am Zittern und sobald ich irgendwas mache, was ich nicht kann, sperrt sich der ganze Körper und wenn ich dann noch mehr mache, dann kriege ich einen Krampfanfall."

Im März 2022 steckten sich Theo, seine Eltern und seine Schwester mit Corona an. Wenige Wochen später merkte er: Da stimmt was nicht. Er bekam Muskelschmerzen, Magenprobleme und war permanent erschöpft. Im Juni brach Theo zusammen und wurde zum Pflegefall. Theo entwickelte aufgrund einer Coronainfektion eine schwere Form des Chronische Fatigue-Syndrom.
In Rheinland-Pfalz leiden laut statistischem Landesamt etwa 17.500 Menschen auch drei Monate nach einer Corona-Erkrankung immer noch an gesundheitlichen Einschränkungen. Leider sei der Anteil der Betroffenen größer als anfangs vermutet, sagt Dr. Astrid Weber. Seit drei Jahren leitet sie das Ambulante Corona-Kompetenzzentrum in Koblenz, eines von mehreren Ankerzentren im Land. "Man schätzt, dass 0,4 bis drei Prozent der Bevölkerung an Long-Covid erkranken", so Weber.
Viel mehr Long-Covid-Patienten als gedacht
Wenn der Hausarzt keine andere Erkrankung als Long-Post-Covid feststellen kann, dann könnten sich Patienten im nächsten Schritt bei ihrer Ambulanz melden. Die Warteliste wird immer länger. Es eine ganze Palette von Symptomen. Bei den Älteren seien es vor allem Herz- und Lungenerkrankungen. Es gebe aber auch eine Gruppe von jungen Menschen und Kindern, die vorher völlig gesund waren und nach einer Covid-Erkrankung plötzlich an einer chronischen Müdigkeit leiden oder insgesamt nicht mehr sehr belastbar sind.
Inzwischen würden solche Symptome ernster genommen als früher. Die Aufklärung habe sich verbessert, aber da sei noch viel zu tun, erklärt Weber. Ihrer Erfahrung nach sei es für viele Patienten erst einmal wichtig, ernst genommen zu werden und eine Diagnose zu bekommen. Bei der Behandlung werden bisher allerdings vor allem die Symptome wie etwa die Müdigkeit oder Schlafprobleme behandelt. Denn Medikamente gegen Long-Covid gibt es noch nicht. Astrid Weber wünscht sich von der Politik mehr Gelder für die Forschung. Es gebe erfolgversprechende therapeutische Ansätze, aber Studien und Anträge dauern viel zu lange, das müsste ihrer Meinung nach unbedingt beschleunigt werden.

Psychische Folgen für Kinder und Jugendliche
Doch Corona hat viele Menschen auch psychisch belastet. Vor allem für Kinder und Jugendliche waren die Folgen gravierender als gedacht. Ihre psychische Gesundheit ist auch Jahre nach der Corona-Pandemie noch deutlich schlechter als davor. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie zu Corona und Psyche, kurz Copsy, des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Schulangst, die Angst vor sozialen Kontakten, Gefühle von Einsamkeit und Depressionen habe bei Schulkindern seit Corona enorm zugenommen, sagt Dr. Katrin Deitigsmann, Ärztin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums Stuttgart.
"Keine Drehtage wie andere"
Sascha Becker, Anchorman von SWR Aktuell RP, ist Geschichten von Menschen nachgegangen, die immer noch die Folgen der Pandemie spüren. Über ihre Schicksale hat er eine 45-minütige Dokumentation für das SWR-Fernsehen produziert. Das seien keine Drehtage gewesen wie jede andere, sagt er im Rückblick. Er habe mit Familien gesprochen, deren Kinder nicht wieder zurück in den Alltag gefunden haben. Darunter auch die junge Annika, die seit einem Impfschaden das Bett nicht mehr verlassen kann.
Da wird man ganz schön demütig und dankbar für die eigene Situation.

Er hat sich auch mit einem jungen Witwer und zweifachen Familienvater getroffen, der sich aus Angst vor den Nebenwirkungen nicht impfen lassen wollte. Es sei laut Becker ein Mensch gewesen, der weit davon entfernt war, Verschwörungstheorien anzuhängen. Mit ihm habe niemand mehr nach einem Fußballspiel ein Bier trinken wollen, weil er als der Ungeimpfte galt. Darunter habe der Mann sehr gelitten.
Sascha Beckers Fazit aus seiner Doku ist: "Wir dürfen nicht wegschauen. Es gibt viel mehr Menschen als ich gedacht habe, die im Verborgenen still leiden." Die Aufarbeitung und die Diskussion darüber, was während der Corona-Pandemie falsch gelaufen sei, ist Beckers Meinung nach unbedingt nötig. Es müsse offen über die Dinge gesprochen werden. Doch dafür müssten alle Seiten aufeinander zugehen.