Ab sofort ist Kiffen auch in Baden-Württemberg legal. Dabei hatte der Bundesrat erst vor einer Woche endgültig die Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland ermöglicht - gegen den Willen von Baden-Württemberg. Als eines von vier Ländern wollte es eigentlich die Legalisierung abbremsen. Jetzt kommt sie trotzdem - und bringt viele offene Fragen mit sich.
Ein Überblick über die neuen Regeln und Hintergründe zu Cannabis in BW:
- Wie viel Cannabis ist für wen seit Montag erlaubt?
- Wo genau darf in BW gekifft werden?
- Was gilt in Restaurants und bei Großveranstaltungen wie dem Stuttgarter Frühlingsfest?
- Zu welchen Uhrzeiten ist Cannabiskonsum legal?
- Welche Grenzwerte gelten im Straßenverkehr?
- Welche Regeln gibt es für den Anbau von Cannabis?
- Wann kommen Social Clubs und was dürfen sie?
- Was bedeutet das neue Gesetz für alte Cannabis-Delikte?
- Wie wird das neue Cannabis-Gesetz kontrolliert?
- Welche Strafen drohen ab April in BW?
- Welche Kritik gibt es in BW am neuen Cannabis-Gesetz?
Wie viel Cannabis ist für wen erlaubt?
Cannabis wird für alle ab 18 Jahren legal - mit Einschränkungen: Daheim dürfen bis zu 50 Gramm gelagert werden. Unterwegs dürfen Volljährige höchstens 25 Gramm und diese nur für den Eigengebrauch dabei haben. Die Weitergabe und der Verkauf der Droge bleiben verboten.
Wo genau darf in Baden-Württemberg gekifft werden?
Der Konsum von Cannabis in der Öffentlichkeit in Baden-Württemberg ist seit Ostermontag erlaubt. Verbote gibt es im Umkreis von 100 Metern zum Eingang von Schulen, Kitas, Kinder- und Jugendeinrichtungen und öffentlich zugänglichen Sportstätten sowie in Sichtweite davon. Auch wenn Minderjährige anwesend sind, darf kein Cannabis konsumiert werden - das gilt auch im Privaten, also zum Beispiel im Garten. Online kursieren "Kiffer-Karten", die Konsumverbotszonen zeigen sollen. Die Kommunen selbst können keine neuen Verbotszonen ausweisen.
Was gilt in Restaurants und bei Großveranstaltungen in BW?
Ob das Kiffen bei Großveranstaltungen erlaubt ist, hängt nicht nur vom Ort ab, sondern auch vom Veranstalter. Da vom Verbot auch Sportstätten betroffen sind, bleibt das Rauchen von Cannabis etwa bei Spielen in Fußballstadien verboten. Auf dem Stuttgarter Frühlingsfest, das am 20. April beginnt und bis zum 12. Mai läuft, ist das Kiffen in den Festzelten nicht erlaubt. Das haben die Wirte gemeinsam entschieden. Das Verbot soll laut Festwirt Marcel Benz auch für den Herbst gelten, also den Cannstatter Wasen ab Ende September. Noch offen ist, ob der Konsum vor den Zelten erlaubt sein soll. Hierzu fehlt bisher eine Entscheidung der Stadt.
Wenn das Rauchen in Kneipen oder in Außenbereichen von Restaurants erlaubt ist, ist grundsätzlich auch Cannabiskonsum erlaubt. Gastronominnen und Gastronomen dürfen allerdings ihr Hausrecht wahrnehmen und Kiffen in ihren Räumen oder auf ihrem Gelände untersagen, bestätigte der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA). Viele Raucherkneipen und Lokale mit Raucherbereich wollen das Kiffen vorerst aber nicht erlauben, wie eine nicht repräsentative SWR-Umfrage unter Gastwirten im Raum Stuttgart ergeben hat.
Zu welchen Uhrzeiten ist Cannabiskonsum legal?
Neben den Verboten an einzelnen Orten gibt es auch Regeln für den Cannabiskonsum zu bestimmten Uhrzeiten. In Fußgängerzonen in Baden-Württemberg ist das Kiffen zwischen 7 und 20 Uhr verboten.
Welche Grenzwerte gelten beim Autofahren in BW?
Wer mit dem Cannabis-Wirkstoff THC am Steuer erwischt wird, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Ab einem Nanogramm THC je Milliliter Blut drohen 500 bis 1.500 Euro Strafe, zwei Punkte in Flensburg und ein bis drei Monate Fahrverbot. Der Richtwert wird laut ADAC bei gelegentlichem Konsum erst nach mehr als sechs Stunden unterschritten. Bei regelmäßigem Konsum kann es Tage dauern. Nach dem Vorbild der 0,5-Promille-Marke für Alkohol soll aber auch ein Toleranz-Grenzwert für THC kommen. Eine Expertenkommission schlug 3,5 Nanogramm vor. Erst ist aber der Bundestag am Zug, ein Gesetz dafür zu beschließen. Das dürfte allerdings noch dauern.
Welche Regeln gibt es für den Anbau von Cannabis?
Der Anbau ist ab jetzt im Privaten (höchstens drei Pflanzen) und ab Juli auch in Cannabis-Clubs erlaubt. Kleingärten fallen nicht unter die erlaubten Bereiche. Zum Schutz von Minderjährigen und vor Diebstahl müssen Samen, Pflanzen und geerntetes Cannabis geschützt werden, zum Beispiel mit Schlössern an Schränken.
Wann kommen Social Clubs und was dürfen sie?
Ab Juli dürfen in Cannabis-Clubs bis zu 500 Mitglieder gemeinsam anbauen - aber weder konsumieren noch verkaufen. Jedem Mitglied ab 22 Jahren dürfen sie monatlich bis zu 50 Gramm abgeben, neutral verpackt und nur mit einem Zettel mit Informationen, etwa zu Risiken. Für 18- bis 21-Jährige gilt eine Grenze von 30 Gramm pro Monat. Die Clubs müssen mindestens 200 Meter von Schulen, Kitas, Spielplätzen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen entfernt sein. Sie dürfen nicht in Wohngebäuden untergebracht sein. Anbauflächen und Lager müssen gesichert werden, auffällige Werbung ist verboten. Ein Club aus Heidelberg berichtete von großem Interesse in der Bevölkerung, aber auch von Herausforderungen.
Gras-Anbau folgt vielen Vorgaben und Regeln Heidelberger Cannabis Social Club bereitet sich auf Anbau von Cannabis vor
Mit der Teil-Legalisierung von Cannabis kommen große Aufgaben auf Cannabis Social Clubs zu - wie in Heidelberg. Sie sollen ein Baustein für die Abgabe von legalem Cannabis sein.
Was bedeutet das neue Gesetz für alte Cannabis-Delikte?
In Baden-Württemberg müssen 21 Häftlinge am 1. April freigelassen werden. Das hatte das Landesjustizministerium vergangene Woche mitgeteilt. Weil das neue Cannabis-Gesetz eine Amnestie vorsieht, müssen nicht oder nicht vollständig vollstreckte Geld- und Haftstrafen also erlassen werden. Bei 25.000 Fällen wird überprüft, ob ihre Vollstreckung gestoppt werden muss. Auch deswegen wäre Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) froh über eine Verschiebung der Teillegalisierung gewesen.
Außerdem könnten entsprechende Einträge aus Führungszeugnissen verschwinden. Denn Betroffene sollen beantragen können, dass diese im Bundeszentralregister getilgt werden.
Wie wird das neue Cannabis-Gesetz kontrolliert?
Die Polizeigewerkschaften befürchten einen hohen Kontrollaufwand. Auch ein Sprecher des Polizeipräsidiums Aalen (Ostalbkreis) erklärte diese Woche, er rechne mit mehr Arbeit. Grundsätzlich seien viele Fragen noch unklar, die Entfernung zu Schulen etwa liege häufig im Auge der Betrachterin oder des Betrachters. Es sei schwer festzustellen, wie viel Gramm jemand tatsächlich bei sich trägt, etwa bei fertig gedrehten Joints. Ähnlich äußerte sich das Polizeipräsidium Ulm, man wolle verstärkt Aufklärungsarbeit leisten.
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Welche Strafen drohen in BW, wenn das Cannabis-Gesetz missachtet wird?
Bei Verstößen gegen die neuen Regeln sind Haft- und Geldstrafen möglich. Wer mehr Gramm als erlaubt besitzt, kann mit einer Höchststrafe von bis zu 30.000 Euro belangt werden. Wer die Droge an Minderjährige weitergibt, kann sogar im Gefängnis landen. Auch bei mehr als den erlaubten drei Pflanzen zuhause oder einer größeren Menge als 60 Gramm sowie 30 Gramm unterwegs droht eine Haftstrafe. In den Verbotszonen werden beim Konsum bis zu 30.000 Euro fällig. Beim Besitz und Konsum von Kindern und Jugendlichen muss die Polizei die Eltern informieren. Teilweise kann auch das Jugendamt eingeschaltet oder die Teilnahme an Präventionsprogrammen angeordnet werden. Auch strafrechtliche Konsequenzen drohen Jugendlichen.
Welche Kritik gibt es in BW am neuen Cannabis-Gesetz?
Baden-Württembergs Innenminister und Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) nannte das Cannabis-Gesetz "handwerklich verkorkst" und ein "Bürokratiemonstrum". Es habe negative Auswirkungen auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und gefährde die Verkehrssicherheit sowie den Kinder- und Jugendschutz.
Keine Erhöhung seit 25 Jahren Cannabis-Legalisierung: Suchtberatungsstellen fordern höhere Zuschüsse
Sozialverbände beklagen: Seit 25 Jahren habe das Land seine Mittel für Suchtberatungsstellen nicht erhöht. Angesichts der Cannabis-Legalisierung sei das nun aber dringend notwendig.
Die 102 Suchtberatungsstellen in Baden-Württemberg befürchten einen höheren Beratungsbedarf und fordern vom Land mehr Geld. Auch Ärztinnen und Ärzte kritisieren die Neuregelung, etwa ein Ulmer Psychiater oder ein Mannheimer Suchtmediziner. Die Ex-Süchtige Jennifer Thumm aus Weinsberg (Kreis Heilbronn) hat beim Bundestag eine Petition gegen die Teillegalisierung eingereicht.
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