Der Bundesrat hat das vom Bundestag beschlossene Gesetz für eine kontrollierte Freigabe von Cannabis an Erwachsene passieren lassen. Damit kann die Teil-Legalisierung der Droge zum 1. April in Kraft treten. Nur vier Länder stimmten am Freitag dafür, den Vermittlungsausschuss anzurufen: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg und das Saarland.
Trotz vieler Kritikpunkte enthielten sich alle anderen Bundesländer bis auf Sachsen bei der Frage, ob das Gesetz zu Nachverhandlungen in den Vermittlungsausschuss geschickt werden soll. Das Cannabis-Gesetz war nicht zustimmungsbedürftig, die Länderkammer hätte es aber zumindest abbremsen können. Der Freistaat Sachsen stimmte entgegen den Regeln nicht einheitlich, sein Votum wurde daher für ungültig erklärt.
Gentges kritisiert Entscheidung des Bundesrats
Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges zeigte sich nach der Abstimmung enttäuscht. Die Länderkammer habe am Freitag die letzte Chance vertan, die Reißleine zu ziehen und ein handwerklich schlechtes Gesetz zu verhindern, sagte die CDU-Politikerin. Es verschließe die Augen vor der Wirklichkeit und der enormen Mehrbelastung für die Justiz. "Zum 1. April tritt das Cannabisgesetz in Kraft - was wie ein schlechter Aprilscherz klingt, ist leider Realität geworden", sagte Gentges.
Innenminister und Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) sprach von einem "handwerklich verkorksten" Gesetz und einem "Bürokratiemonstrum", das negative Auswirkungen auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die Verkehrssicherheit sowie den Kinder- und Jugendschutz habe.
Landesregierung wollte Terminverschiebung erreichen
Das Staatsministerium begrüßte die Zielrichtung des Gesetzes im Hinblick auf eine bessere Drogenpolitik grundsätzlich. "Das Gesetz zielt darauf ab, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention zu stärken, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu stärken", sagte ein Regierungssprecher.
Er wies aber kritisch auf die großen Herausforderungen durch die rückwirkende Straffreiheit im Gesetzentwurf hin. Der Amnestie-Regelung zufolge werden bereits verhängte Haft- und Geldstrafen wegen Cannabis-Delikten, die nach dem neuen Gesetz nicht mehr strafbar sein sollen, beim Inkrafttreten erlassen. Wenn die Cannabis-Legalisierung zum 1. April in Kraft tritt, müssen in Baden-Württemberg laut Justizministerium 21 Häftlinge sofort freigelassen werden.
Die Landesregierung sieht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in der Verantwortung. "Lauterbach war, wie schon beim Krankenhaustransparenzgesetz, leider nicht bereit, die handwerklichen Fehler zu korrigieren", sagte der Sprecher des Staatsministeriums. Daher habe man einen Vermittlungsausschuss einberufen wollen - mit dem alleinigen Ziel, der Justiz mehr Zeit zur Prüfung der entsprechenden Fälle einzuräumen.
Psychiater Carlos Schönfeldt-Lecuona Ulmer Arzt kritisiert Cannabisgesetz: "Ab jetzt befinden wir uns in einer Phase des Experiments"
Der Bundesrat hat am Freitag dem umstrittenen Cannabisgesetz zugestimmt. Der Professor für Psychiatrie an der Universität Ulm, Carlos Schönfeldt-Lecuona, hält den Schritt für gefährlich.
Baden-württembergische FDP kritisiert Uneinigkeit bei Grün-Schwarz
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jochen Haußmann, warf der Landesregierung und den Fraktionen von Grünen und CDU vor, bei der Cannabis-Legalisierung "weiterhin tief gespalten und ohne Linie" zu sein. "Dabei benötigen wir jetzt gerade eine klare politische Verantwortung, um die Entkriminalisierung von Cannabis umzusetzen, die Prävention zu stärken und den Schwarzmarkt in Baden-Württemberg einzudämmen", sagte Haußmann dem SWR.
Der suchtpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Andreas Kenner, lobte die Entscheidung des Bundesrats, bei der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) aber "eine unselige Rolle gespielt" habe. Kretschmanns Zustimmung zur Anrufung des Vermittlungsausschusses stehe "für eine jahrzehntelange erfolglose, eine gescheiterte Drogenpolitik", kritisierte Kenner. So habe der Ministerpräsident gegen die eigene Partei agiert.
Gesetz erlaubt Cannabis-Besitz in kleinen Mengen
Dem Gesetz zufolge ist Erwachsenen in Deutschland ab dem 1. April unter bestimmten Vorgaben der Konsum und Besitz von Cannabis in begrenzten Mengen erlaubt. Auf den Besitz größerer Mengen steht nach wie vor eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Privat dürfen auch bis zu drei Cannabis-Pflanzen angebaut werden.
Von Juli an dürfen außerdem Anbauvereine bestimmte Mengen an ihre Mitglieder abgeben. Vor allem Unionspolitiker hatten das Vorhaben kritisiert und auf Gesundheitsgefahren verwiesen. Die Liberalisierung wird von Detail- und Kontrollregelungen begleitet, die die Bundesländer umsetzen müssen. So wird der Verkauf der Droge an Heranwachsende künftig härter bestraft. Offen ist noch, welche Grenzwerte für den in Cannabis enthaltenen psychoaktiven Wirkstoff THC im Straßenverkehr gelten soll. Ein Vorschlag dafür wird für Ende März erwartet.