Star-Geiger im Interview

„Ich tanze sehr gerne und nicht besonders gut“ – Daniel Hope über sein neues Album „Dance“

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Interview
Ulla Zierau
Onlinefassung
Dominic Konrad

„Dance“ lautet der Titel des neuen Albums von Daniel Hope, mit dem er jetzt auch auf Tour ist. Es ist ein Ritt durch 700 Jahre Musikgeschichte zum Thema Tanz und ein bereits zwanzig Jahre altes Traumprojekt von ihm. Der Violinist stellt in SWR2 sein neues Doppel-Album vor. Seine Tour führt ihn unter anderem nach Stuttgart, Freiburg und Friedrichshafen.

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Daniel Hope 2020
Einer der gefragtesten Violisten unserer Zeit, aber auch erfolgreich als Musikvermittler im Radio und Fernsehen: Daniel Hope.

Das Moderieren im Radio ist eine große Bereicherung

Herr Hope, Sie moderieren seit ein paar Jahren regelmäßig die Musiksendung „WDR 3 Persönlich mit Daniel Hope“. Unter Kollegen gefragt: Wenn Sie mal Daniel Hope interviewen könnten, was würden Sie ihn gerne fragen?

Hope: Ich würde ihn natürlich über die Musik befragen, denn ich glaube, das ist, was uns verbindet. Seit 2016 habe ich die große Freude und die große Ehre, diese Sendung jeden Sonntag zu machen. Und das ist für mich eine große Bereicherung.

Ich bin groß geworden mit dem Radio. Mit BBC Radio 3 und BBC Radio 4 in London, das waren die Kultur-Sender für Musik und auch Literatur. Es gab nichts Schöneres für mich als dem Radio zu lauschen und diese Welt des Radios zu entdecken.

Es gab nichts Schöneres für mich als dem Radio zu lauschen und diese Welt des Radios zu entdecken.

Und irgendwann kam dann das Angebot des WDR, eine eigene Sendung zu gestalten. Zwei Stunden jeden Sonntag. Es gibt immer ein Thema, und ich versuche, die Hörer auf diese Reise mitzunehmen, damit wir alle mehr über das Thema erfahren. Das geht mir genauso: Ich habe so viel Neues entdeckt durch diese Sendung, es ist eine unheimliche Bereicherung gewesen.

Daniel Hope 2021
Sein Publikum begeistert Daniel Hope auch durch seine nahbare Art.

700 Jahre Tanzgeschichte auf einem Doppelalbum

Ihr neues Album „Dance“ ist ein Ritt durch die Musikgeschichte und durch verschiedene Genres: Es beginnt im 14. Jahrhundert mit dem „Lamento di Tristano“, geht über Lully, Purcell und Händel zu Schubert und Brahms bis hin zu Ravel, Bartók, Strawinsky, Duke Ellington und Astor Piazzolla, um nur ein paar der Komponisten auf diesen zwei CDs zu nennen. Sie sagen, Ihr Album „Dance“ sei ein Traumprojekt, das Sie seit 20 Jahren im Kopf und im Herzen haben. Warum hat es so lange gedauert, bis es jetzt vor uns liegt?

Hope: Vor 20 Jahren war das eine meiner ersten Ideen für ein Album, doch niemand wollte das nehmen. Ich glaube, es kam einfach zu einem Zeitpunkt, wo Konzeptalben nicht an der Tagesordnung waren und wo ich auch sicherlich noch nicht bekannt genug war, um dieses Statement zu machen.

Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich mich 20 Jahre mit dieser Musik beschäftigt habe. Über die Zeit ist mein Wissen über das Repertoire natürlich stark gewachsen und die Begegnungen, vor allem mit Musikerinnen und Musikern, haben dieses Album im Prinzip überhaupt erst möglich gemacht. So sind aus 500 Jahren Tanzgeschichte 700 Jahre geworden und mit der Zeit sind aus einer CD zwei geworden. Es hätten auch sechs oder sieben werden können, denn dieses Thema ist so gigantisch groß.

So sind aus 500 Jahren Tanzgeschichte 700 Jahre geworden und mit der Zeit sind aus einer CD zwei geworden. Es hätten auch sechs oder sieben werden können, denn dieses Thema ist so gigantisch groß.

Ich habe mich entschlossen, als Anfangspunkt den Tristano aus dem 14. Jahrhundert zu setzen. Es ist eins der ersten Tanzstücke, die überhaupt notiert wurden. Ab da habe ich dann versucht, die Entwicklung zu zeigen: Wie radikal das teilweise war, vom gesellschaftlichen Zwang der Hoftänze, von den Komponisten, die erstmal gezwungen waren, Tanzmusik zu spielen bis hin zum Amüsement und Entertainment, das es im 18. und 19. Jahrhundert gab.

Mit der Geschichte ändern sich die Zugänge zur Tanzmusik

Die Tänze sind freier geworden, sie wurden mehr zur Kunstmusik. Das ist das Reizvolle daran, so durch die Jahrhunderte zu gehen. Aber auch durch die unterschiedlichen Genres: Manchmal ist der Titel der Musik schon Programm, bei Volkstänzen oder anderen Tanzbezeichnungen wie Saltarello, Fandango oder Menuett. Es gibt aber auch Titel, bei denen der Tanzbezug nicht gleich so offensichtlich ist, oder?

Hope: Das ist richtig. Ich dachte, ich kannte den Fandango, bis ich mich wirklich tief mit der Materie beschäftigt habe. Ich habe herausgefunden, dass das viel mit den versklavten Menschen in Lateinamerika zu tun hat, die ihren Ausdruck gefunden haben trotz die Unterdrückung.

Daraus ist eine Verschmelzung mit den spanischen und portugiesischen Kolonialmächten entstanden, die dann irgendwann nach Europa zurückgekehrt ist. Dann hat sie auf positive Art und Weise die musikalische Szene infiltriert. Mozart und anderen Komponisten haben das aufgegriffen.

Das heißt, die Geschichte und die Entwicklung der Tanzmusik haben was mit der politischen Entwicklung zu tun, mit Unterdrückung und mit Freiheit. Und dann begegnet uns im 20. Jahrhundert jemand wie Igor Strawinsky, der mit seinen „Sacre du printemps“ alle bisherigen Formen vollkommen gesprengt hat.

Oder Erwin Schulhoff, der auch zum Beispiel mehr oder weniger durch die Wand geht mit seiner Tanzenergie. Er selbst war besessen von Tanzmusik. Jeder zeigt auf seine Art und Weise einen anderen Zugang.

Daniel Hope bei der Verleihung des Opus Klassik 2021.
Daniel Hope bei der Verleihung des Opus Klassik 2021. In diesem Jahr wurde Hope für sein Pandemie-Programm „Hope@Home“, eine Zusammenarbeit mit ZDF und ARTE, ausgezeichnet.

Britten mit emotionalem Understatement

Ein bisschen bin ich über die Romanze von Benjamin Britten gestolpert. Beim Lesen des Booklets ist es einem nicht sofort klar, dass sich dahinter ein Tanz verbirgt.

Hope: Das ist eines der wenigen Werken, die wir als Auszug genommen haben. Es stammt aus seinen Variationen über ein Thema von Frank Bridge. Es zeigt für mich das Understatement des langsamen Tanzes.

Britten, zu dieser Zeit ein junger Komponist, war gerade dabei, sich einen Namen zu machen. Er schrieb dieses Werk auf eine relativ banale, aber sehr schöne Melodie von sein Lehrer Frank Bridge. Er ging dann durch die Systeme und verschiedenen Gattungen. Im Prinzip machte er das, was ich auf diesem Album mache, es basiert alles auf einer einzigen Idee.

Er (Britten) ging dann durch die Systeme und verschiedenen Gattungen. Im Prinzip machte er das, was ich auf diesem Album mache, es basiert alles auf einer einzigen Idee.

Bei dieser Romanze hört man einen langsamen Walzer. Er wird verzerrt durch die Zeit und die Harmonie. Er hat dabei aber etwas, wie ich finde, wahnsinnig emotionales, etwas understated emotionales.

Tanz ist sehr vielfältig

Ein Zitat der Jahrhunderttänzerin Isadora Duncan eröffnet das neue Album. Sie sagt: „Tanz ist die Bewegung des Universums, konzentriert in einem Individuum“. Was meint sie damit?

Hope: Ich werde oft gefragt, ob sich die Tanzmusik über die Jahrtausende sehr verändert hat? Natürlich, aber hat sie das wirklich? Ich bin mir da nicht sicher, denn ich glaube, dieses Bedürfnis, sich nach Klängen und Tönen zu bewegen, ist heute genauso wie es vor 7.000 oder 8.000 Jahren war. Insofern glaube ich, es ist einfach eine Erweiterung von unserer Welt und unserer Gesellschaft.

Ich glaube, dieses Bedürfnis, sich nach Klängen und Tönen zu bewegen, ist heute genauso wie es vor 7.000 oder 8.000 Jahren war. Insofern glaube ich, es ist einfach eine Erweiterung von unserer Welt und unserer Gesellschaft.

Aber die Instinkte sind tief in uns drin, und wir sind sozusagen nur ein winziger Teil des Universums. Deshalb bin ich eigentlich ganz bei ihr. Und aus diesem Grund habe ich auch dieses Zitat für den Anfang des Booklets gewählt.

Tanz ist, wie wir wissen, sehr vielfältig. Faszinierend finde ich auch die Idee eines „Danse macabere“, der auch auf dem Album zu hören ist, aber im weiteren Sinne. Während der Zeit der Pest haben die Menschen geglaubt, dass das Tanzen die böse Geister und Krankheiten vertreiben könnte. Es gibt etwa die sogenannte Tanzwut im 16. Jahrhundert in Straßburg, wo Leute wochenlang wie im Delirium durch die Straßen getanzt sind. Tanz hat in vielerlei Art und Weise die Gesellschaft geprägt, bis heute.

Tanzen Sie denn selbst gerne, Herr Hope?

Hope: Ich tanze sehr gerne und nicht besonders gut. Ich habe ein großes Faible für die lateinamerikanische Musik, für Tango und Samba. Es ist gar nicht einfach, gut zu tanzen. Deshalb bin ich immer froh, wenn niemand zuschaut. Aber dafür ist es umso enthusiastischer.

Ein flexibles Programm, das auf Publikum und Atmosphäre eingeht

In Ihren Konzerten, die Sie ab Februar geben, werden sie selbst nicht tanzen. Wenn sie mit dem Züricher Kammerorchester auf Tour gehen, ist da die Programmabfolge jeden Abend gleich? Oder stellen Sie mal spontan um, je nach Saal, Publikum oder persönlicher Tagesform?

Hope: Wir haben das Programm jetzt vor einigen Tagen ein einziges Mal gespielt, live in Zürich, und das ist gut angekommen. Gleich danach habe ich mich für eine völlig andere Programmreihenfolge entschieden. Beim ersten Konzert unserer Tour werden wir dann diese Reihenfolge machen.

Das ist gut möglich, dass wir es dann wieder verändern. Es ist ein flexibles Programm. Wir werden alles spielen, was auf dem Programm steht, aber die Reihenfolge ist sehr abhängig vom Moment, vom Publikum, von der Atmosphäre im Saal und natürlich auch von uns.

Es ist ein flexibles Programm. Wir werden alles spielen, was auf dem Programm steht, aber die Reihenfolge ist sehr abhängig vom Moment, vom Publikum, von der Atmosphäre im Saal und natürlich auch von uns.

Wir sind unterschiedlich, wir spielen unterschiedlich, wir fühlen uns unterschiedlich. Und wenn man es schafft, eine gewisse Lockerheit in das Programm zu bekommen, natürlich mit allen exakten Vorhaben, gut und richtig zu spielen. Aber trotzdem, dass man sozusagen dieses Tänzerische hinein lassen kann im Ganzen. Ich glaube, es könnte sich auch gut tun.

Daniel Hope and Friends in New York

Musik treibt Daniel Hope zu Höchstleistungen

Es ist unglaublich, was sie alles machen. 50 Konzerte am letzten Jahr als Porträtkünstler beim Schleswig-Holstein Festival, im Dezember waren Sie in New York und haben dort „Daniel Hope and Friends“ gemacht, was man sich auf ARTE ansehen kann. Dann ihre „Celtic Dreams“, die vielen Konzerte, ihr politisches Engagement … Das ist so beeindruckend, sagen Sie, woher nehmen Sie die Energie?

Hope: Ich wünschte, ich wüsste es. Aber ganz einfach und vielleicht ein bisschen salopp ausgedrückt: Es ist die Musik, die mich jedes Mal, selbst wenn ich müde bin oder wenn ich innehalte, überlegen lässt: Wie geht es denn weiter? Was versuche ich hier in der Sekunde, wo ich die Musik höre oder spiele? Dann bin ich wieder energiegeladen.

Das ist das Tolle an die Musik und deshalb möchte ich das gerne einfach mit so vielen Menschen wie möglich teilen. Damit jeder die Chance hat, zu erleben, was für ein Wunder die Musik ist.

Daniel Hope, vielen Dank und ganz viel Spaß mit Ihrem Projekt jetzt im Februar

Hope: Ich habe zu danken.

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