Jubiläum

500 Jahre Kirchheimer Turmbläser: Eine lebendige Tradition

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Autor/in
Helga Spannhake

Am Wochenende dreht sich in Kirchheim unter Teck alles um Turmbläsergruppen: Zum Turmbläsertag unter dem Motto „500 Jahre Turmbläser“ werden zwölf Gruppen aus ganz Baden-Württemberg erwartet. Das Ständchen auf dem Kirchheimer Rathausturm erfreut sich einer langen Tradition, denn jeden Samstag um 11:30 Uhr, zur besten Marktzeit, erklingen Choräle von hoch oben.

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Uralt und cool

Das Jubiläum 500 Jahre Kirchheimer Turmbläser wird in diesem Jahr mit dem Turmbläsertag gebührend gefeiert, denn im ältesten überlieferten Rechnungsbuch der Stadt wird bereits für das Jahr 1524 „dem bleßer seyn Jahreslon“ ausgewiesen.

Daher weiß man um die jahrhundertelange Tradition des Musizierens auf dem Rathausturm und das begeistert Trompeter Matthias Pandel.

Bei so etwas Uraltem mitspielen zu können, ist wirklich eine coole Sache.

Zwei Trompeter, zwei Posaunisten – das ist das Standardquartett für die Musik in luftiger Höhe. Es gibt einen richtigen Dienstplan und man wechselt sich wöchentlich ab. 

YouTube-Video von den Kirchheimer Turmbläsern

Wer mitspielt, muss erst den Turm erklimmen

Samstags zur Marktzeit um 11:30 Uhr wird stets vom Turm geblasen – zuvor heißt es aber erst einmal die 21 Meter hochzusteigen. Das Rathaus von Kirchheim unter Teck gilt als eines der schönsten Fachwerk-Rathäuser des Landes und genau 116 Stufen führen hinauf in den kleinen runden Raum unter der Zwiebelhaube des Rathausturms.

Auf einer breiten Treppe geht es zunächst vorbei am Büro des Oberbürgermeisters hin zur Eingangstür in den Turmaufsatz. Seine alten dunklen schmalen Holzstufen knarzen beim Betreten und erfordern Kondition beim Erklimmen.

Der Rathausturm in Kirchheim unter Teck
Das Rathaus von Kirchheim unter Teck gilt als eines der schönsten Fachwerk-Rathäuser des Landes.

Oben angekommen wird man belohnt mit einer fantastischen Aussicht über die Stadt – bei gutem Wetter ist am Horizont sogar der Stuttgarter Fernsehturm zu sehen.

Treue Fans unter den Marktbesuchern

Während sich oben das Bläserquartett formiert, seine Marschbücher mit den Choralnoten ans Instrument klemmt und Luft holt für den ersten Ton, stehen unten auf dem Marktplatz zwei ganz treue Fans.

Ich stehe mit meiner Freundin jeden Samstag hier, wenn wir nicht im Urlaub oder krank sind, und das schon seit etlichen Jahren.

Eine christliche Tradition

„Es ist eine christliche Tradition, es sind christliche Lieder, die wir spielen, also Loblieder oder Danklieder“, erklärt Heribert Diemer, Trompeter und mit 85 Jahren das älteste Mitglied bei den Turmbläsern.

Der jeweilige Choral werde immer viermal gespielt – erklingt also in allen vier Himmelsrichtungen. Beim Spiel zur Marktseite hin wird von den Marktbesuchern dann gerne geklatscht.

Auch den Toten wird gedacht

Der Applaus ist dem musikalischen Blasquartett auch an diesem Samstag sicher und für die Musiker ist noch eine weitere Spielrichtung eine besonders berührende, wie Heribert Diemer erläutert.

Die letzte Richtung, in die wir spielen, ist der Friedhof. Und wenn dann jemand aus dem Verein verstorben ist, erwähne ich den Namen.

Und es wird dann mit der Blasmusik an diesem Tag auch dem Verstorbenen gedacht. Nachdem die vier Turmbläser ihr Spiel beendet haben, übernehmen um Punkt 12 Uhr die Glocken des Rathausturms wieder das Musizieren. 

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