Im Spannungsfeld von Ästhetik und Politik
Widersprüche ziehen Katharina Sieverding an und inspirieren sie — seit mehr als fünfzig Jahren. In „Die Sonne um Mitternacht schauen“ trifft eine flirrende blaue Sonne, als Film projiziert auf eine riesige LED-Folie an der Außenwand des Museums, auf eine rotglühende Sonne im Innenraum. In diesem Spannungsfeld stehen die Fotografien von Sieverding – großformatig, überwältigend in Ästhetik und meist auch politischer Aussage: Mal sind es kriegerische Konflikte, mal sind es die Grenzen zwischen Mann und Frau, die die Künstlerin in ihren Werken auslotet — dazwischen Installationen mit Monitoren, auf denen Filmausschnitte zu sehen sind.
Als Tochter eines Röntgenarztes wurde Katharina Sieverding schon früh durch die Verfremdungseffekte medizinischer Fotografie beeinflusst, etwa durch irisierende, zum Teil kontrastreiche Lichteffekte. Metallisch verfärbte Selbstporträts in diesem Stil gehören seit vielen Jahren zu ihren Werken.
Vielseitige Künstlerin
Auch ihre Arbeit als Bühnenbildnerin prägte sie: „Besonders die Tätigkeit am Deutschen Schauspielhaus Hamburg mit Größen wie dem Intendanten Gustav Gründgens oder Fritz Kortner, der Umgang mit den Live-Darstellungen und dem Bühnenraum. War natürlich klar, dass das die Voraussetzungen waren für die Beantwortung der Frage, wie ich künstlerisch alles verwerten, verwenden und anwenden könnte und dass es natürlich um das große Format ging.“
In Baden-Baden sind nun Werke aus allen Schaffensperioden der Künstlerin versammelt — von den 1960er Jahren bis heute. Sieverding thematisiert die Flüchtlingskrise und die Pandemie, sie habe ein „seismographisches Gefühl“, sagt Kurator Udo Kittelmann.
Die Ausstellung „Die Sonne um Mitternacht schauen“ von Katharina Sieverding im Museum Frieder Burda in Baden-Baden läuft noch bis 9. Januar 2022.