Oppenheimer mit sieben Auszeichnungen

So waren die Oscars 2024: Wenig Überraschung, viel Unterhaltung

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Autor/in
Samira Straub

Mit sieben Auszeichnungen wird Christopher Nolans „Oppenheimer“ zum wenig überraschenden Gewinner des Oscar-Abends. Doch die Verleihung ist keineswegs langweilig und für ihre Verhältnisse sehr politisch.

An „Oppenheimer“ kommt keiner vorbei

Es ist nicht der Abend der großen Überraschungen bei der 96. Verleihung der Oscars in Los Angeles. Wie erwartet führt bei den großen Kategorien kein Weg an Christopher Nolan's „Oppenheimer“ vorbei: 13-fach nominiert sind es am Ende sieben Goldjungen für den Film von Regisseur Nolan, der mit seiner achten Nominierung erstmals den Regie-Oscar erhält. Nun steht er in einer Reihe mit Regie-Größen wie Martin Scorsese oder Steven Spielberg.

Die Filmkritik von Rüdiger Suchsland:

Yorgos Lanthimos verpasst die große Sensation

Kurzzeitig sieht es so aus, als würde „Poor Things“ von Regisseur Yorgos Lanthimos die Oppenheimer-Party sprengen. Gerade zu Beginn der Verleihung räumt „Poor Things“ ab, unter anderem für bestes MakeUp und Hairstyling, bestes Szenenbild und bestes Kostümbild. Schlussendlich gehen die großen Trophäen für den besten Film und die beste Regie jedoch an „Oppenheimer“.

Sandra Hüller geht leer aus

Sandra Hüller
Wird international für ihren Look auf dem roten Teppich gefeiert: Sandra Hüller in einem schwarzen Sanduhurkleid aus Samt von Schiaparelli.

Es sollte der große Abend von Sandra Hüller werden. In gleich zwei nominierten Filmen („The Zone of Interest“, „Anatomie eines Falls“) spielte Hüller mit, war unter anderem als beste Hauptdarstellerin in „Anatomie eines Falls“ nominiert. Doch Hüller, deren Chancen im Vorfeld als nicht hoch eingestuft wurden, unterliegt Emma Stone, die für ihre Hauptrolle in Yorgos Lanthimos' Drama „Poor Things“ ausgezeichnet wird.

Früh in der Oscarnacht erhalten Justine Triet und Arthur Harari den Oscar für das beste Originaldrehbuch für „Anatomie eines Falls“. Der Film seziert penibel die Ehe zwischen einer erfolgreichen Schriftstellerin und ihrem erfolglosen Ehemann. Mit einem Augenzwinkern sagt eine sichtlich gerührte Justine Triet, der Oscar werde ihr „über ihre Midlife-Crisis hinweghelfen“. Sie stechen damit unter anderem das Bernstein-Biopic „Maestro“ von Bradley Cooper aus, das an diesem Abend gänzlich leer ausgeht.

Die Filmkritik von Rüdiger Suchsland:

„Entmenschlichung“ damals wie heute: Jonathan Glazers Dankesrede

Das gab es in der Kategorie für den besten internationalen Film noch nie: Zwei deutsche Regisseure sind im selben Jahr nominiert. Doch weder Wim Wenders mit „Perfect Days“ für Japan noch der deutsche Beitrag von İlker Çatak, „Das Lehrerzimmer“, können sich durchsetzen. Mit Jonathan Glazers Auschwitzfilm „The Zone of Interest“ gewinnt dennoch ein deutschsprachiger Film.

Jonathan Glazer
In Cannes wurde Glazers Film mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet.

It’s not a film that says look at what they did then, look at what we do now.

Gleichzeitig wird es zum ersten Mal in der Oscarnacht politisch: Glazer nimmt in seiner berührenden Rede Bezug auf den Krieg in Gaza und die Angriffe der Hamas gegen Israel am 7. Oktober, bezeichnet sie als aktuelle Beispiele von Entmenschlichung. Klare und mutige Worte, wenn man bedenkt, dass Richard Gere einst für 20 Jahre von den Oscars ausgeschlossen wurde, nachdem er auf die Situation in Tibet aufmerksam machte.

Demonstrationen am Rande der Oscar-Verleihung in Los Angeles
Was man bei der glanzvollen Gala nicht mitbekommt, sind zahlreiche pro-palästinensische Demonstrationen, die rund um das Dolby Theatre stattfinden.

Doch Glazers Statement ist nicht die einzige politische Botschaft des Oscar-Abends. Die In-Memoriam-Rubrik wird eingeleitet von einem Statement des kürzlich in russischer Haft verstorbenen Alexey Nawalny, untermalt von Andrea Boccellis „Time to say Goodbye“. Im vergangenen Jahr wurde die Dokumentation „Nawalny“ mit einem Oscar ausgezeichnet.

„20 Tage in Mariupol“ in der ARD Mediathek

Mit „20 Days in Mariupol“ von Mstyslaw Tschernow wird auch in diesem Jahr ein Dokumentarfilm ausgezeichnet, der eine Gruppe von ukrainischen Journalisten porträtiert, die zu Beginn der russischen Invasion in der belagerten Stadt Mariupol festsitzt. Infolgedessen versuchen sie, ihre Arbeit fortzusetzen und die Gräueltaten des Krieges zu dokumentieren.

Der Dokumentarfilm entstand in Zusammenarbeit mit dem SWR und steht in der ARD Mediathek zur Verfügung.

Kreativität bei den Laudatios sorgt für einen kurzweiligen Abend

John Cena
Profi-Wrestler John Cena zieht blank bei seiner Laudatio.

Wie wichtig ein gutes Kostüm sein kann, zeigt die Laudatio für das beste Kostümbild: Ein nackter John Cena, nur mit dem Umschlag vor dem Schritt, wünscht sich verzweifelt, er hätte eines. Nach einer der kurzweiligsten Ansagen des Abends geht die Auszeichnung an Holly Waddington für „Poor Things“.

Ebenfalls unterhaltsam ist das Comeback der „Fab5“ Laudatoren: Für die besten Haupt- und Nebendarsteller*innen halten jeweils ehemals mit dem Award ausgezeichnete Schauspieler*innen ganz persönliche Reden auf die Nominierten. Das verleiht den vier Schauspiel-Kategorien nicht nur Authenzität, sondern macht die Verleihung ein ganzes Stück ergreifender. Obwohl die Fab Five den Abend in die Länge ziehen, fühlt es sich als Zuschauer nicht so an – ganz im Gegenteil.

Fab Five beste Nebendarstellerin
Schon bei den Oscars 2009 waren die „Fab Five“ im Einsatz. In diesem Jahr kamen unter anderem Schauspieler*innen wie Jamie Lee Curtis oder Mahershala Ali zum Einsatz.

Zum Publikumsliebling der Oscar-Nacht wird nebenbei ein Hund im Saal. Messi, der Border Collie, der in „Anatomie eines Falls“ Filmhund „Snoop“ spielt, wird schon in der Eröffnungsrede von Kimmel begrüßt und vom Saal bejubelt. Später sieht man ihn mit beiden Pfoten bei einer Auszeichnung klatschen.

Messi der Hund bei den Oscars
Ist im Internet jetzt schon das inoffizielle Maskottchen der Oscars: Border Collie Messi, dem eine Karriere als Meme-Star bevorsteht.

Das Highlight des Oscar-Abends bleibt unprämiert

Den Show-Moment des Abends liefert Ryan Gosling als Ken, der nicht nur Hollywood-Stars wie Emma Stone oder Margot Robbie mitsingen lässt, sondern auch flankiert von zahllosen Tänzern und Rock-Legende Slash die Stimmung im Saal zum Explodieren bringt. Gosling scheint den Spaß seines Lebens zu haben, als er „I'm just Ken“ performt.

Ryan Gosling als Ken

Ryan Gosling fully belting out ‘I’m Just Ken’ is the one of the most incredible Oscar musical performances I’ve ever seen. People were screaming, cheering and gasping inside the Dolby. #Oscar2024 pic.twitter.com/Eh70gDdIzj

Der Oscar für den besten Song geht allerdings, nur wenige Minuten nach Goslings Performance an Billie Eilish und ihren Bruder Finneas O'Connell für „What was I made for?“, ebenfalls aus „Barbie“. Eilish war zwar die haushohe Favoritin auf den Preis, ihre Auszeichnung wirkte jedoch nur wenige Minuten nach Goslings Performance etwas verwunderlich.

Billie Eilish
Für die 22jährige Eilish ist es nach dem Bond-Song „No Time To Die“ bereits der zweite Oscar.

Legt den Finger in die Wunde: Host Jimmy Kimmel

Jimmy Kimmel, Host der Oscars 2024
Schon zum vierten Mal führt Comedian Jimmy Kimmel durch die Oscar-Verleihung.

Wie bei seinen vorherigen Host-Auftritten bei den Academy Awards erlaubt sich Late-Night-Star Kimmel wieder den ein oder anderen grenzwertigen Scherz: Über „The Zone of Interest“ sagte er, dass „Nazifilme wie dieser in Deutschland als Rom-Coms gälten“ – was der Saal mit entnervtem Stöhnen quittiert, ist die deutsche Präsenz bei den Oscars doch so stark wie lange nicht.

Auch Robert Downey Jr., später als bester Nebendarsteller ausgezeichnet, bekommt von Kimmel sein Fett weg, als er über dessen Drogensucht feixt. Downey Jr. nimmt es mit Humor und freut sich über seinen ersten Oscar, den er für seine Rolle als verbitterter Oppenheimer-Widersacher Lewis Strauss erhält.

Robert Downey Jr. mit seinem ersten Oscar
1992 war Downey Jr. erstmals für einen Oscar nominiert, damals in einem Biopic über Charlie Chaplin. Damals ging „Iron Man“-Star leer aus.

Doch Kimmel spricht zwischen den Gags auch die Themen an, die Filmfans weltweit beschäftigen. Die Nicht-Nominierung für Greta Gerwig für den Regie-Oscar, die wochenlang kontrovers diskutiert wurde, wird von Kimmel ebenso aufgegriffen wie der Autoren-Streik. Die Routine bei seinen vierten Oscars als Host merkt man Kimmel mittlerweile an, bei Gags wie ernsten Themen geht er mehr auf Risiko.

Spotlight für die Menschen hinter den Kulissen

Kimmel hält eine lange Ansprache über die Autor*innen, deren Streik Hollywood 2023 für lange Zeit lahm legte. So richtig spürbar wird dieser im Jahr 2025 werden, wenn dadurch bedingt deutlich weniger US-Filme bei den Academy Awards zu erwarten sind.

Im Anschluss an Kimmels Rede strömen zahlreiche Mitarbeiter, die sonst hinter den Kulissen bleiben, auf die Bühne: Vom LKW-Fahrer bis zum Techniker feiert der Saal die Menschen im Hintergrund mit einem auffallend langen Applaus. Später werden explizit die Stuntmen gewürdigt – ein mögliches Indiz dafür, dass, wie schon lange gefordert, bald eine entsprechende Oscar-Kategorie kommen könnte.

Oscars 2024
Der rote Teppich bot abseits der atemberaubenden Looks (hier: Carey Mulligan und Marcus Mumford) in diesem Jahr nicht viel: Nur wenige der großen Stars standen für Interviews zur Verfügung – eine Enttäuschung für Fans der boulevardesken Interviews, die in den Vorjahren immer gut für kuriose Vorkommnisse waren.

Ausgezeichnet bei den Oscars 2024:

Bildstarker Film von Yorgos Lanthimos Emma Stone glänzt in „Poor Things“ und wird mit dem Oscar prämiert

Nominiert für elf Oscars: In „Poor Things“ spielt Emma Stone eine Frau, der nach ihrem Tod das Gehirn ihres ungeborenen Kindes eingesetzt wird, wodurch sie wieder zum Leben erweckt wird.

SWR2 am Morgen SWR2

Ausgezeichnet mit zwei Oscars Familienidylle am Abgrund der Hölle: Jonathan Glazers Meisterwerk „The Zone of Interest“ mit Sandra Hüller

Das Privatleben von Hedwig Höß und ihrem Mann Rudolf Höß, Kommandant von Auschwitz: Eine schizophrene Familienidylle, nur durch eine Betonmauer getrennt vom Vernichtungslager.

SWR2 am Morgen SWR2

Dokumentation in der ARD Mediathek Oscar für SWR-Koproduktion „20 Tage in Mariupol“ – Die Grauen der russischen Invasion

Der ukrainische FIlmemacher Mstyslaw Tschernow und sein Team dokumentierten unter Lebensgefahr die Gräueltaten der russischen Invasion in die ukrainische Metropole Mariupol.

SWR2 Journal am Mittag SWR2

Alterswerk einer Anime-Legende „Der Junge und der Reiher“ von Hayao Miyazaki: Trauma des Abschiednehmens

Der 83-jährige Hayao Miyazaki meldet sich mit „Der Junge und der Reiher“ aus dem Ruhestand zurück. Ein Film, der sich dank seiner Poesi in die Reihe der besten Ghibli-Filme einfügt

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Samira Straub