Frauen bei der Jagd
Viele stellen sich unter einem Jäger einen alten Mann mit Lodenhut, Dackel und Adelstitel vor. Dabei machen mehr und mehr junge Menschen, zunehmend auch Frauen, den Jagdschein.
Warum gehen mehr Frauen zur Jagd?
Die Natur erleben, den Wald schützen, hochwertiges Fleisch – sogenanntes Wildbret – gewinnen: Das sind laut einer Umfrage des Deutschen Jagdverbandes die Hauptgründe, weshalb junge Menschen den Jagdschein machen. Für viele Frauen sei zudem die Jagdhunde-Ausbildung eine Motivation. So auch für die junge Jägerin Sophia Lorenzoni aus Böblingen.
Torsten Reinwald ist stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Jagdverbandes, kurz DJV, der mit rund 250.000 Mitgliedern größten Jagdorganisation im Land. Er sieht im Jagd-Trend auch eine Sehnsucht nach Natur, nach dem „echten Leben“ als Kontrast zur Arbeit am Computer vieler Berufstätiger.
Wie viele Jägerinnen gibt es?
Mehr als 400.000 Jägerinnen und Jäger gibt es in Deutschland, so viele wie noch nie. Frauen machen mit sieben Prozent zwar immer noch einen kleinen Teil der Community aus, aber es werden mehr. Der Frauenanteil an Jagdschulen ist innerhalb von zehn Jahren von 20 auf 28 Prozent gestiegen, so eine Erhebung des Verbandes.
Warum war die Jagd so lange eine Männerdomäne? DJV-Sprecher Reinwald führt es darauf zurück, dass die Jagd-Community eher konservativ eingestellt ist und gesellschaftliche Entwicklungen wie die Emanzipation der Frau sich dort zeitverzögert niederschlagen.
Stimmt das Klischee: Frauen sammeln, Männer jagen?
Dieses Bild der Steinzeit hält sich bis heute hartnäckig. Dabei zeigt ein Blick in die Geschichte: Die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen war gar nicht so eindeutig, sagt die Archäologin Valeska Becker von der Universität Münster. In Gräbern aus der Mittelsteinzeit in Amerika, dem Mesolithikum, habe man auch bei Frauen Jagdwaffen gefunden.
Zur Männerangelegenheit wird die Jagd erst später, als die Jagd nicht mehr wichtig zum Überleben war. Erst als die Jagd auch mit Prestige und dem Zurschaustellen von Fähigkeiten wie Mut und Kraft verbunden war, wurde sie zur Männerdomäne, so die Archäologin Becker.
Treffen Jägerinnen in der Männerdomäne auf Vorurteile?
Für die meisten in der Jagd-Szene gehören Frauen inzwischen dazu. Natürlich erledigen junge Jägerinnen auch die sogenannte „rote Arbeit“ selbst, wie das Ausweiden – im Jagdjargon „Ausbrechen“ – des erlegten Wildtieres heißt. Mit dem Jagdmesser schneiden sie ein Reh oder Wildschwein auf, entfernen Innereien und zerlegen es anschließend in Tiefkühltruhen-geeignete Stücke. Nur manchmal stoße man auf Vorurteile, erzählt die junge Jägerin Sophia Lorenzoni.
Verändern Frauen das Image der Jagd?
Heute sind Frauen in der Jagdszene häufiger anzutreffen als früher. Auf Instagram posieren Jagd-Influencerinnen mit katalogtauglichen Bildern und verpassen der Jagd so ein anderes Image – die einstige Männerdomäne wirkt weiblicher und moderner. Aber wird die Jagd dadurch gesellschaftsfähiger?
Letztlich geht es darum, über Sinn und Zweck der Jagd zu sprechen. Für den Ökologischen Jagdverband (ÖJV) hat Jagd vor allem die Aufgabe, den Wald vor zu viel Wildschäden zu schützen. Auf Traditionspflege und Jagdbrauchtümer legt der Verband hingegen keinen besonderen Wert. Im Gegenteil: Sie seien hinderlich für eine modernes Jagdverständnis.
Wildtierökologe Rudi Suchant von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) plädiert im Forst-Jagd-Konflikt für ein differenziertes Bild der Jagd.
Das ist auch ein Anliegen von Sophia Lorenzoni. Um über die Jagd aufzuklären und Vorurteile abzubauen, hat die junge Jägerin ein Buch geschrieben, „Auf der Pirsch – Von Jagdhunden, Gewissensbissen und der Liebe zur Natur“, erschienen bei blv. Für sie ist klar: Fleisch selbst zu jagen sei letztlich ehrlicher als es abgepackt im Supermarkt zu kaufen.
SWR 2022