Schlafen ist die natürlichste Sache der Welt. Jeder Mensch muss schlafen, Babys und Kinder besonders viel. Während wir schlafen, lernt unser Immunsystem, neue Anforderungen zu bewältigen. Und von klein auf wird alles, was wir neu erlernen, erst im Schlaf richtig verarbeitet. Gerade Babys, für die praktisch alles neu ist, brauchen daher viel Schlaf.
Das Gehirn kann nicht gleichzeitig Informationen aufnehmen und so verarbeiten, dass sie sortiert und später wieder aus dem Langzeitspeicher abgerufen werden können, vermutet Neurobiologe Jan Born. Mit seinem Team an der Universität Tübingen erforscht er die gedächtnisbildenden Vorgänge im Schlaf. Das würde auch erklären, warum Babys so oft und über den Tag verteilt schlafen müssen. Fast alles, was sie erleben, ist neu für sie und muss verarbeitet werden.
Nun ist das Leben eines Säuglings sehr stark geprägt von Tagesabläufen, die nicht seine eigenen sind, sondern die seiner Umwelt. Berufstätigkeit der Eltern, Termine oder auch die Kinderkrippe beeinflussen, wann ein Kind schlafen kann. Eltern müssen außerdem lernen, den Kindern die Bedingungen für ihren Schlaf so ideal wie möglich zu gestalten.
Schlafmangel: weniger Lebensqualität und Probleme beim Lernen
Bei Schreibabys hingegen spielten auch psychische Faktoren eine Rolle, sagt Maria Knott, ärztliche Psychoanalytikerin in einer niedergelassenen Stuttgarter Baby-Ambulanz. Denn das Schreien eines Babys kann bei manchen Eltern an tiefe eigene Erfahrungen rühren, bei denen sie selbst nicht gut versorgt waren. Diese Erinnerungen machen es schwer zu akzeptieren, das eigene Kind nicht immer trösten zu können.
Zu wenig Schlaf mindert nicht nur die Lebensqualität, sondern wer zu wenig schläft, lernt auch deutlich weniger. Dies gilt nicht nur für Babys, sondern auch für Schulkinder, Jugendliche und Erwachsene. Gerade in der Schulzeit, in der Kinder und Jugendliche viel lernen müssen, wirkt sich schlechter Schlaf besonders negativ aus. Eine Studie an der Tübinger Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin zeigt, dass Schulkinder, die schnarchen und deshalb schlecht schlafen, deutlich schlechtere Schulnoten aufweisen.
Laut einer Studie an der Universität Marburg schlafen rund zwei Drittel aller Jugendlichen zu wenig und sind am Tag müde. Ist das nur ein individuelles Problem? Persönliche Traumata, zu viel Daddeln am Handy oder Angst vor der nächsten Klassenarbeit? Einige Experten meinen, wenn eine so große Anzahl an Jugendlichen Probleme mit dem Schlafen hat, dann muss es dafür noch andere, strukturelle Ursachen geben.
Täglicher Kampf gegen den natürlichen Schlafrhythmus
Es drängt sich der Gedanke auf, dass der frühe Schulbeginn letztlich ein Relikt aus preußischer Zeit ist, in der die Disziplinierung der Jugend wichtiger war als ihre Bildung. Denn nach allem, was die Schlafforschung heute weiß, wären die meisten Kinder und Jugendlichen wesentlich leistungsfähiger, wenn sie nicht Tag für Tag gegen ihren Schlafrhythmus leben müssten.
Aber das gesellschaftliche Vorurteil hält sich hartnäckig, nach dem nur derjenige, der früh aufsteht, auch etwas leistet. Der Schlaf ist komplex und elementar für die Gesundheit, für das Gedächtnis und zum Lernen. Babys und kleine Kinder müssen ihren Schlafrhythmus erst finden. Wer ihn später verliert oder sogar ernste Probleme mit dem Ein- und Durchschlafen hat, kann im Schlaflabor Hilfe suchen.
Gegen Einschlafprobleme werden Einschlafrituale wie Meditation, Lesen oder Musikhören von den Ärzten empfohlen. Sie gehören zur sogenannten Schlafhygiene und können den Betroffenen helfen. Mittlerweile kommen Ärzte vielen psychischen oder organischen Problemen auf die Schliche. Doch das klappt längst nicht immer. Denn der Schlaf gibt nach wie vor viele Rätsel auf.
SWR 2019