Die 64. Sitzung ist die letzte im Originalton überlieferte der 5. Wahlperiode und relativ kurz. Vorausgegangen war an dem Spätvormittag große Irritation wegen eines Polizeieinsatzes im Parlament. Abgeordnete der NSDAP hatten in der Reichstags-Wandelhalle (quasi der Kantine) einen Journalisten blutig geschlagen. Der Mann hieß Helmuth Klotz und hatte eine schillernde Vergangenheit. Er war auf Hitlers Seite beim Hitlerputsch dabei gewesen und kam wie dieser in Schutzhaft in Landsberg. Im Laufe der späten 1920er-Jahre wechselte er das Lager von extrem rechts nach links, trat in die SPD ein und arbeitete als Journalist. Von Klotz stammen viele Propagandaschriften gegen die Nationalsozialisten.
Eduard Dingeldey (DVP) fordert Aufhebung des Verbots von SA und SS
An diesem 12. Mai ist die Lage im Parlament noch völlig unklar. Parlamentspräsident Paul Löbe eröffnet die Sitzung nach der Unterbrechung erneut. Ab hier beginnt der Mitschnitt. Löbe zeigt sich fassungslos, kann aber noch keine Details nennen. Der DVP-Abgeordnete Eduard Dingelday spricht dem Außenminister das Misstrauen seiner Fraktion aus und plädiert für eine Aufhebung des Verbots von SA und SS.
Breitscheid lehnt Misstrauensanträge ab
Der SPD-Abgeordnete (und quasi Fraktionsvorsitzende) Rudolf Breitscheid lehnt sämtliche Misstrauensanträge ab, erklärt aber trotzdem seine Kritik am Kabinett Brüning. Die Erklärung führt zum Aufruhr im Parlament, Abgeordnete von SPD ("Bluthund!") und NSDAP ("Verbrecher!") werden zur Ordnung gerufen. Breitscheid sagt, dass die SPD einem Sturz der Brüning-Regierung nicht die Hand reichen würde, weil damit die Nationalsozialisten an die Macht kämen.
Turbulente Szenen am Nachmittag
Der frühe Nachmittag in diesem Original-Ton zeigt turbulente Szenen. Alle Anträge werden nach der Abstimmung mit kleiner Mehrheit abgelehnt. Der KPD-Abgeordnete (und quasi Fraktionsführer) Torgler macht sich über die SPD-Fraktion lustig, die sich nach dem Vorfall in der Kantine "wie die geprügelten Hunde" aufführte und sich "alles von denen da drüben gefallen" ließ. Kommunistische Abgeordnete seien immer wieder aus dem Parlament "herausgeschleppt" worden. Es wird eine Stunde Pause erbeten.
Polizeieinsatz im Parlament
Eine Stunde später, 14 Uhr 41, eröffnet Löbe die Sitzung mit der Anmerkung, er habe der Polizei jetzt wegen Verdunkelungsgefahr die Befugnis erteilt, die Straftat zu verfolgen. Ohne Kommentar liest er eine Mitteilung vor, die besagt, "dass die Frau des im Hause Verletzten inzwischen angeläutet worden ist und ihr mitgeteilt worden ist, dass ihr Mann sich im Hause ungebührlich betragen habe, dass er infolgedessen zusammengeschlagen worden wäre und sie herkommen solle, sich seine Knochen abzuholen."
Löbe kann sich gegen NSDAP nicht durchsetzen und schließt die Sitzung
Er schließt wegen Tatverdachts grober Verletzung der Ordnung vier NSDAP-Abgeordnete für 30 Tage von den Parlamentssitzungen aus: Heines, Krause, Weitzel, Stegmann. Die vier verlassen den Saal jedoch nicht. Daraufhin schließt Reichstagspräsident Paul Löbe die ganze Sitzung und behält sich vor, wann er die nächste Sitzung einberufen wolle. Um 14 Uhr 43, also zwei Minuten nach Eröffnung, ist die Sitzung geschlossen.
9.2.1931 Die NSDAP droht und verlässt das Parlament
9.2.1931 | Der Nationalsozialist Franz Stöhr erklärt den Vertretern des Zentrums: "Es kommt der Tag, und er kommt sehr bald, an dem Ihnen für Ihr schamloses Verhalten die Quittung ausgestellt werden wird, die Sie verdienen!" Die NSDAP-Abgeordneten stehen auf, rufen "Heil!" und verlassen, das Horst-Wessel-Lied singend, den Saal. Die kommunistische Fraktion fängt dann auch an zu skandieren, nämlich "Prolet erwache!"
Alle Aufnahmen: Der Reichstag vor Hitler
12.6.1930 Paul Löbe wirbt für Parlamentsdebatten im Radio
12.6.1930 | Sollen Reichstagsdebatten im Rundfunk übertragen werden? Darüber gingen die Meinungen 1930 auseinander. Reichstagspräsident Paul Löbe (SPD) hat eine klare Haltung: Ja! | 100 Jahre Radio | archivradio.de
5.2.1931 Haushalt des Deutschen Reichs wird verhandelt
5.2.1931 | Reichskanzler Heinrich Brüning (Zentrum) spricht über die darniederliegende Landwirtschaft im Osten des Reichs. Er pocht darauf, die Reparaturleistungen an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs zu begleichen. Joseph Goebbels (NSDAP) wirft dem Brüning-Kabinett Versagen vor.
6.2.1931 Tumulte und Streit um "Katholikenhetze"
6.2.1931 | Der Abgeordnete Josef Joos (Zentrum) greift den Domprediger Bruno Doehring (Deutschnationale Volkspartei) an, weil er gegen Katholiken hetze und der Zentrumspartei Linkslastigkeit vorwerfe. Nach Tumulten und dem Ausschluss mehrerer Abgeordneter durch Reichstagspräsident Paul Löbe (SPD) fährt Joos fort. Er fordert eine politische Kultur, die keine "Zerstörungsinstinkte" beim Mob auf der Straße wecke, sondern ihre Arbeit tue.
9.2.1931 Die NSDAP droht und verlässt das Parlament
9.2.1931 | Der Nationalsozialist Franz Stöhr erklärt den Vertretern des Zentrums: "Es kommt der Tag, und er kommt sehr bald, an dem Ihnen für Ihr schamloses Verhalten die Quittung ausgestellt werden wird, die Sie verdienen!" Die NSDAP-Abgeordneten stehen auf, rufen "Heil!" und verlassen, das Horst-Wessel-Lied singend, den Saal. Die kommunistische Fraktion fängt dann auch an zu skandieren, nämlich "Prolet erwache!"
10.2.1931 Reichsaußenminister Julius Curtius beklagt erdrückende Reparationsleistungen
10.2.1931 | Curtius berichtet von der Tagung des Völkerbunds in Genf. Deutschland sei dort "national", also selbstbewusst aufgetreten, auch wenn die Reparationsleistungen erdrückend seien.
5.3.1931 Reichsinnenminister Joseph Wirth bestreitet "Bürgerkrieg" und problematisiert die Rundfunkfreiheit
5.3.1931 | Das Parlament tagt ohne NSDAP weiter. Reichsinnenminister Joseph Wirth weist das „Gerede vom Bürgerkrieg“ zurück. Er spricht auch den Rundfunk an. Solle man ihn als politisches Instrument einsetzen? Wenn ja, würde er, Wirth, die Zensur am liebsten selbst in der Hand haben.
6.3.1931 Julius Moses (SPD) warnt vor wachsendem Elend in der Bevölkerung
6.3.1931 | Der SPD-Abgeordnete und Arzt Julius Moses beschwört die Abgeordneten, das Elend der Bevölkerung ernst zu nehmen. Er warnt vor "Verschmutzung und Verlausung".
13.10.1931 Regierungserklärung von Reichskanzler Brüning
13.10.1931 | Heinrich Brüning (Zentrum) spricht über die Not in Deutschland. Deutschland wolle ein solidarisches Mitglied im Bund der Nationen sein. Die Löhne der Arbeiter seien gesenkt worden, ohne dass es zu großen Streiks gekommen war. Doch durch die Krise des englischen Pfundes drohe die ganze Welt in Not und Armut zu versinken
15.10.1931 DVP setzt sich für die Interessen der Beamten ein
Laut Eduard Dingeldey (DVP) sind den Beamten die einschneidenden Gehaltskürzungen nicht vermittelbar. Ursache der Belastung seien die Reparationszahlungen an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs.
16.10.1931 Reichskanzler Brüning geht auf Adolf Hitler zu
16.10.1931 | In seiner Rede über die Notverordnungen schlägt Heinrich Brüning milde Töne an. Er dankt allen Fraktionen für die "Vornehmheit", die sie ihm bei aller Kritik entgegengebracht hätte – auch dem "Führer", der dem Parlament gar nicht angehört.
23.2.1932 Goebbels keift gegen Hindenburg
23.2.1932 | Die Neuwahl des Reichspräsidenten steht an. Joseph Goebbels (NSDAP) beschreibt Hindenburg als Witzfigur und nutzt die Aussprache für eine "Abrechnung" mit der Regierung. Goebbels wird des Saals verwiesen. Der Rest der Debatte ist von Tumulten geprägt. Kurt Schumacher spricht von einem hohen Grad der Verachtung und "Dummheit" der Nationalsozialisten.
24.2.1932 Eugen Bolz spricht im Reichstag
24.2.1932 | Eugen Bolz (1881 - 1945) saß ab 1920 für die Zentrumspartei im Berliner Reichstag. Dort spricht er 1932 über die aktuelle Krise. Anfangs hält Bolz die Machtübernahme Adolf Hitlers für ein notwendiges Übel in einer Krisensituation. Doch 1940 schließt er sich dem zivilen Widerstand um Carl Friedrich Goerdeler an. Am 23. Januar 1945 wird Eugen Bolz in Berlin-Plötzensee mit dem Fallbeil hingerichtet.
24.2.1932 Rudolf Breitscheid wettert gegen "Mein Kampf"
24.2.1932 | Im Zentrum der Debatte steht die Rede des SPD-Abgeordneten Rudolf Breitscheid. Er setzt sich mit Adolf Hitlers Buch "Mein Kampf" auseinander und zeichnet eine düstere Zukunft für die parlamentarische Demokratie. Der SPD-Mann kritisiert auch die KPD, weil sie ihren Hauptfeind in den Sozialdemokraten sähe statt in den Nationalsozialisten.