„Jede Äußerung unseres Lebens ist von Geräuschen begleitet“ (Luigi Russolo, 1913). Die Akustik definiert das Geräusch als einen Schall, dessen Schwingungen unregelmäßig, aperiodisch sind. Oft überlagern sich in einem Geräusch verschiedene, unharmonische Schwingungen. Das Geräusch mit der größten Dichte ist das weiße Rauschen. Auch der musikalisch reine Klang enthält stets einen Geräuschanteil, der untrennbar mit einem Instrument und speziellen Spieltechniken verbunden ist. Diesem Phänomen wird aus kompositorischer Perspektive erst mit Helmut Lachenmanns Konzeption der Musique concrète instrumentale Aufmerksamkeit geschenkt.
Sieht man von Ausnahmen wie den Kanonenschüssen in Tschaikowskys Ouvertüre Solenelle „1812“ (1882) oder den Hammerschlägen in Mahlers Sechster (1903–05) ab, emanzipieren sich die Alltagsgeräusche erst mit den bruitistischen Kompositionen und eigens gebauten Geräuschinstrumenten des Futurismus (seit 1913) im musikalischen Kontext allerdings sehr allmählich. 1937 konstatierte und prophezeite John Cage in dem Essay Die Zukunft der Musik – Credo, „dass die Verwendung von Geräuschen, um Musik zu machen, solange andauern und zunehmen wird, bis wir zu einer Musik gelangen, welche mit Hilfe elektrischer Instrumente produziert wird, die alle beliebigen hörbaren Klänge für musikalische Zwecke bereitstellen“.
Cage, der hier mit Geräuschen vor allem die mit Perkussionsinstrumenten erzeugten Sounds meinte, sollte recht behalten. Viele Werke der elektronischen Musik, so sie nicht den Sinuston allein als Ausgangsmaterial haben, der Musique concrète, der Ars Acustica sind Geräuschkompositionen, d. h. ihre wesentlichen Kompositionselemente sind Geräusche, Geräuschkomplexe, Geräuschstrecken, „öffentliche Klänge“ (Mauricio Kagel) aus ganz unterschiedlichen Kontexten (teils kombiniert mit instrumental-vokalen oder synthetischen Klängen).
So die Geräusche für die Komposition nicht übermäßig mit elektronischen Mitteln bearbeitet wurden (z. B. Filter, Tonhöhenveränderungen), ist die Herkunft des Geräuschs, sein Ursprungsplatz im Leben, auch deutlich wiederzuerkennen. Komponieren mit Geräuschen ist deshalb oft auch ein semantisches Komponieren, ein Komponieren mit Assoziationen und situativ-atmosphärischen Zitaten.
In der heutigen Musik ist der produktive Umgang mit Geräuschen ein selbstverständliches Mittel.