7., 8. und 9. Dezember 2024

Mitglieder des SWR Symphonieorchesters

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KONZERTTERMINE

SA 7. DEZEMBER 2024, 20 UHR
Baden-Baden, Museum Frieder Burda
SO 8. DEZEMBER 2024, 16 UHR
Stuttgart, Neues Schloss, Weißer Saal
MO 9. DEZEMBER 2024, 20 UHR
Freiburg, Konzerthaus, Runder Saal

PROGRAMMFOLGE

BEDŘICH SMETANA (1824 – 1884)
STREICHQUARTETT NR. 2 D-MOLL

Allegro
Allegro moderato
Allegro nicht moderat, agitiert und mit Feuer
Presto
ca. 9‘

FERRUCCIO BUSONI (1866 – 1924)
STREICHQUARTETT NR. 2 D-MOLL OP. 26

Allegro
Andante con moto
Vivace Assai
Andantino. Allegro con brio
ca. 27‘

Jermolaj Albiker und Jing Wen, Violine
Dirk Hegemann, Viola
Markus Tillier, Violoncello

Pause

FRANZ LISZT
UNGARISCHE RHAPSODIE NR. 14 F-MOLL
(Bearbeitung für zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Hörner und zwei Fagotte vom Komponisten und von Andreas N. Tarkmann)
ca. 13‘

CARL REINECKE
BLÄSEROKTETT B-DUR OP. 216

Allegro Moderato
Scherzo. Vivace
Adagio ma non troppo
Allegro molto e grazioso
ca. 22‘

Anne Romeis, Flöte
Ute Taxhet und Florian Hasel, Oboe
Ivo Ruf und Magdalena Lipska, Klarinette
Hanno Dönneweg und Angela Bergmann, Fagott
Thierry Lentz und Pascal Arets, Horn

Sendung im Mittagskonzert auf SWR Kultur am 2. Februar 2025 ab 12.30 Uhr (Smetana, Reinecke) und am 16. Februar 2025 ab 12.30 Uhr (Busoni, Liszt)

WERKEINFÜHRUNGSTEXTE

"Musik ist das Unsagbare."
Bedřich Smetana

Das Leben hat es mit Bedřich Smetana nicht immer gut gemeint. Zu steten Wegbegleitern seines Daseins gehören finanzielle Engpässe, die er durch die Gründungen eigener Musikschulen in Prag und Göteborg gerade so kompensieren konnte. Hinzu kommen Krankheiten, die beim tschechischen Nationalkomponisten ungute Rollen spielen. Seit 1874 ist Smetana an Syphilis erkrankt. Wie Ludwig van Beethoven wird er auch noch taub. Ein eindrückliches biographisches Zeugnis der zunehmenden Gehörschwächung offenbart der letzte Satz aus seinem berühmten ersten Streichquartett e-Moll "Aus meinem Leben" (1876). Hier bricht der feiernde Gestus im letzten Satz urplötzlich ab. Ein quietschend hohes "E" dokumentiert in Form eines Tinnitus‘ den Beginn der Ertaubung. Danach endet das Quartett unüberhörbar resignativ.

Smetanas heute gespieltes zweites Streichquartett in d-Moll ist längst nicht so bekannt. Zuweilen gerät es gar in Verdacht, das Erzeugnis eines schon verwirrten Geistes zu sein. Kurz nach der Beendigung kommt Smetana 1884 in eine Nervenheilanstalt. Arnold Schönberg sieht in diesem Quartett anderes als bloßen Irrsinn. Er hört hier den Beginn der Moderne, während andere Aufgeschlossene dieses Spätwerk mit den letzten Streichquartetten Ludwig van Beethovens vergleichen. Die Beethoven oft zugeschriebenen Ausdrücke der "Weltferne" und der "Sperrigkeit" prägen in der Tat jeden dieser vier Sätze Smetanas. Harmonisch kühne Fortschreitungen ziehen sich wie ein roter Faden durchs ganze Werk. Immer wieder bricht etwas ab, beginnt von Neuem – fast so, als manövriere sich Smetana bewusst in musikalische Sackgassen, um sich danach wieder mühsam-kunstvoll herauszuwinden. Selbst melodisch einprägsame Episoden haben etwas Doppelbödiges; etwa im beschwingten zweiten Satz, der an den tschechischen Nationalkomponisten der "Moldau" erinnert, aber zugleich schon Gustav Mahlers sinfonische Ironie vorwegnimmt. Ganz merkwürdig ist das Ende. Erzwungen wirkt nach all der Moll-Tristesse der unvermittelte Wechsel nach D-Dur – geradezu so, als wolle sich Smetana einem Schicksal nicht ergeben, an dem letztlich nichts mehr zu ändern ist. Wenige Monate nach der ersten öffentlichen Aufführung im Januar 1884 stirbt der Komponist im folgenden Mai in der Prager Nervenheilanstalt.

"Die Aufgabe des Schaffenden besteht darin, Gesetze aufzustellen, und nicht: Gesetzen zu folgen."
Ferruccio Busoni

Es ist schon ein Statement, wenn ein Komponist mit etwa 20 Jahren ein Streichquartett vorlegt. In dieser Gattung für den "Kenner" liegen die Messlatten hoch. Quartettkomposition verträgt weder unnötigen Zierrat noch Effekte im Sinne orchestral-farbenfroher Gestaltung oder überwältigender Lautstärken mit Pauken und Trompeten. Ferruccio Busoni ist bekannt für seine vielen Bearbeitungen von Johann Sebastian Bachs Fugen oder Partiten. "Meinem Vater", so schreibt Busoni im Rückblick, "verdanke ich den Segen, dass er mich in meiner Kindheit strengstens zum Studium Bachs anhielt; und dies zu einer Zeit und in einem Lande, wo der Meister nicht viel mehr gilt als ein Carl Czerny."

Als hervorragender Pianist und Klavierlehrer unter anderem am Konservatorium in Helsinki hat sich Ferruccio Busoni wohl mit den vielen Klavieretüden Carl Czernys beschäftigt. Als Komponist jedoch hält sich der vielgereiste und weltoffene Italiener an die deutsche Tradition mit den drei großen "B´s": Bach, Beethoven und Brahms heißen seine klaren Fixpunkte, als er dieses zweite Streichquartett 1887 schreibt. Viel differenzierte Kontrapunktik mitsamt ausgefeilten Fugen- oder Fugato-Abschnitten ist zu hören. Von Beethoven entlehnt der junge Busoni den Drang nach vorn, der sich gerade im so energischen Eröffnungssatz bemerkbar macht. Am rasanten Tempo ist in allen Sätzen auch die Wahl der Metren beteiligt. Oft notiert der Italiener im Dreier-Takt, sei es zu Beginn in drei Halben oder später im 3/8 oder 3/4 Takt. Oft nutzt er – wie Brahms – Triolen oder Quintolen, also drei oder fünf Noten auf einer Zählzeit, woraus der Eindruck eines rastlosen Fließens entsteht. Ein Highlight dieses durchaus deutschen, aber eben auch italienisch eleganten Quartetts ist der letzte Satz, der in einer fröhlichen Fuge endet. Busoni folgt dabei nicht sklavisch Johann Sebastian Bach. Es ist Barock gekleidet in romantische Harmonik, gekonnt gesetzt von einem jungen, sehr kreativen und einfallsreichen Geist.

"Woanders habe ich es immer mit Publikum zu tun. In Ungarn spreche ich zur Nation."
Franz Liszt

Franz Liszt und Ungarn: Obwohl sich schon der junge Franz Liszt 1823 mit seiner Familie in die große Weltstadt Paris aufmacht, bleibt es eine feste Beziehung. Liszt wird wie Smetana zum Nationalkomponisten, teils Dank seiner finanziellen Unterstützungen für Musikprojekte im ungarischen Pest, teils wegen seiner Begeisterung für die Volksmusik seines Heimatlandes. 1846 kommt Liszt als reifer Mann wieder nach Ungarn. Er besucht mehrere Städte und erkundet auch entlegene Regionen Transsylvaniens. Hier stößt er auf seltene Volkslieder, auf die Csárdás-Musik und die Verbunkos. 1854 entsteht seine große sinfonische Dichtung "Hungaria", aber schon davor beschäftigt Liszt die Durchdringung von Volks- und Kunstmusik. Seine 19 "Ungarischen Rhapsodien" für Klavier schreibt er zwischen 1846 und 1853. Es sind kurzweilige Stücke, die typische Eigenheiten der ungarischen Musik vor Ohren führen: die besondere, sich stets verändernde Rhythmik, der stete Wechsel von Dur nach Moll, die charakteristischen Tanzelemente etwa in Form von Tempo-Beschleunigungen und nicht zuletzt die besonderen Melodien, für die sich später auch Béla Bartók so begeistern sollte.

Die 14. Rhapsodie beginnt wie ein düsterer Trauermarsch. Ganz im Sinne der Rhapsodie-Form integriert Liszt danach recht frei die vielen ungarischen Melodien und Tänze wie den Verbunkos, den Csárdas oder den Ugrós. Eine ausgeprägte Breite der Ausdrucksmittel legt eine Bearbeitung der Rhapsodie nahe; auch die Vollgriffigkeit des typisch lisztschen Klavierstils verlangt geradezu nach einer klangfarblichen Differenzierung in Form einer Bearbeitung. Übernommen hat sie im Jahr 1994 Andreas N. Tarkmann, ehemaliger Professor für Instrumentation und Arrangieren an der Musikhochschule Mannheim. Tarkmann sagt, es ginge ihm primär um die kammermusikalische Spielfreude des Oktetts und um eine Konzentration auf das Wesentliche, das in der lisztschen Betonung der pianistischen Virtuosität schon mal verdeckt wird. Sehr transparent wirkt die Bearbeitung, dabei naturgemäß farbenfroher als das Original. Tarkmann nimmt sich wie Liszt seine Freiheiten, nimmt manche Töne weg, fügt in manch kadenzierten Phrasen andere Töne hinzu, wobei er als Oboist auf besondere Bläser-Eigenheiten Rücksicht nimmt. Liszt und Ungarn: hier also mal dezenter, schlanker, auch heller und irgendwo lebendiger.

"Ich war bis dahin ganz in deutscher Musik erzogen, sodass ich die italienische Geschmacksrichtung der Oper (...) wohl mehr als billig unterschätzte."
Carl Reineke

Das Zitat deutet es an: Carl Reinecke ist ein reflektierter, durchaus auch selbstkritischer Geist. Er wirkt vor allem in Leipzig, unter anderem ist er auch Lehrer von Ferruccio Busoni, der bei Reinecke in den späten 1880er-Jahren am Leipziger Konservatorium studiert. Leipzig prägt den in Altona (heute Hamburg) Geborenen. Und zum Leipziger Musikleben gehören auch die dort tätigen Robert Schumann und Felix Mendelssohn – beides Komponisten, die Reinecke besonders schätzt. Als ihm vorgeworfen wird, zu sehr von den beiden abhängig zu sein, sagt er salopp-augenzwinkernd: "Ich würde nicht opponieren, wenn man mich einen Epigonen nennt."

Das Selbstverständnis, mit dem sich Reinecke in die Musiktradition begibt, zeigen nicht nur seine Worte, sondern auch seine Werke. Von klarer Klassizität sind seine vier Sinfonien geprägt. Und auch sein Bläseroktett in B-Dur op. 216 hält sich an seine Leitsterne. Eine deutliche Spur führt zu Mozarts grazil-melodischem Einfallsreichtum, weitere Spuren zu den sinfonisch-hellen Klangbildern von Mendelssohns und Schumann. Man würde gerade aufgrund der überschaubaren Harmonik nicht unbedingt erraten, dass dieses Oktett erst 1894 entstand. Dabei bleibt anzumerken, dass die Komposition im Rahmen eines Revivals der "klassischen Harmoniemusik" stattfindet, die – gerade unter den Vorzeichen der Bläserkomposition – fast automatisch mit Stilanleihen an Mozarts Bläserserenaden einhergeht. "Stilanleihen" heißt letztlich keine Imitation. Im Gegensatz zu klassischen Zeiten im mittleren und späten 18. Jahrhundert, wo zwei Oboen als melodietragende Instrumente üblich waren, nutzt Reinecke eine Flöte neben der Oboe. Dialoge zwischen den beiden Instrumenten treten immer wieder in den farbenfroh-spielerischen Vordergrund. Und im letzten Satz sorgt die Flöte mit ihren vielen Läufen fast im Alleingang für den für dieses Oktett so charakteristisch hellen Ton.

Torsten Möller ∙ studierte an der Berliner Humboldt-Universität Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Soziologie. Mit dem Schwerpunkt auf der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts ist er freiberuflich tätig für Radio (SWR Kultur, Deutschlandfunk) und Print (Schweizer Musikzeitung, MusikTexte). In Essen unterrichtet Torsten Möller das Fach Musikjournalismus an der dortigen Folkwang Universität der Künste.

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Impressum
Sabrina Haane, Gesamtleitung SWR Symphonieorchester
Dr. Henning Bey, Künstlerische Planung
Tabea Dupree, Redaktion SWR Kultur
Henrik Hoffmann, Redaktion Programmheft

Sämtliche Texte sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.

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Autor/in
SWR