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KONZERTTERMINE
SO 3. NOVEMBER 2024, 16 UHR
Stuttgart, Neues Schloss, Weißer Saal
MO 4. NOVEMBER 2024, 20 UHR
Freiburg, Konzerthaus, Runder Saal
SA 16. NOVEMBER 2024, 20 UHR
Baden-Baden, Kulturhaus LA 8
PROGRAMMFOLGE
ALBERT ROUSSEL (1869 – 1937)
TRIO FÜR FLÖTE, VIOLA UND VIOLONCELLO OP. 40
Allegro grazioso
Andante
Allegro non troppo
ca. 15‘
FRANZ SCHUBERT (1797 – 182816)
SERENADE FÜR FLÖTE, VIOLINE UND VIOLA G-DUR OP. 141A
Allegro
ca. 9‘
MAX REGER (1873 – 1916)
STREICHTRIO (TRIOSATZ) B-DUR D 471
Vivace
Larghetto
Presto
ca. 9‘
Christina Singer, Flöte
Gesa Jenne-Dönneweg, Violine
Bohye Lee, Viola
Fionn Bockemühl, Violoncello
FRANZ SCHUBERT
STREICHQUARTETT NR. 4 C-DUR D 46
Adagio – Allegro con moto
Andante con moto
Menuetto. Allegro – Trio
ca. 21‘
ERICH WOLFGANG KORNGOLD
STREICHQUARTETT NR. 2 ES-DUR OP. 26
Allegro
Intermezzo
Larghetto
Waltz
ca. 22‘
Anna Breidenstein und Soo Eun Lee, Violine
Barbara Weiske, Viola
Ulrike Hofmann, Violoncello
WERKEINFÜHRUNGSTEXTE
Pure und luftige Musik: Albert Roussels Trio op. 40
Albert Roussel ist ein Spätstarter. Erst nach seiner Ausbildung als Marineoffizier und als schon viel gereister Weltmann beginnt er mit etwa 25 Jahren ein Kompositionsstudium. Seine Fixsterne sind da noch klar: Er bekennt sich zur Heimat und damit zu Claude Debussy. Im Jargon des französischen Impressionismus entsteht sein erfolgreiches Ballett "Le festin de l‘arraignée", mit dem Roussel 1913 auf sich aufmerksam machen kann. Danach steht seine stilistische Entwicklung vor allem im Zeichen des Neoklassizismus, den unter anderem auch Igor Strawinsky und Erich Wolfgang Korngold pflegen. Neoklassizismus heißt auch: Konzentration aufs innermusikalisch Wesentliche, damit auch der harmonischen wie thematischen Vereinfachung. "Es liegt mir fern, beschreiben zu wollen", äußert Roussel nach seiner impressionistischen Phase, und fügt hinzu: "Ich strebe danach, in meinem Denken jegliche Erinnerung an Gegenstände und Formen auszulöschen, die den Verdacht erwecken könnten, in musikalische Effekte verwandelt zu werden. Ich will nichts weiter als Musik machen."
Unermüdlich arbeitet Roussel an seinem Stil, der sich immer in weiter Richtung einer ebenso klaren wie verständlichen Tonsprache entwickelt. Ganz in diesem Sinne schreibt er mit 60 Jahren sein Trio für Flöte, Viola und Violoncello op. 40 (1929): Im klassischen Dreischritt von schnell – langsam – schnell erscheint die Folge der drei Sätze. Insbesondere der erste Satz wirkt ausgesprochen transparent, dabei auch geprägt von einer französischen Eleganz und Luftigkeit. Auffallend ist Roussels reger Synkopen-Gebrauch und das Setzen anderweitiger rhythmischer Akzente, die dem Geschehen rhythmischen Elan geben. Roussel ist sicher kein forscher Bilderstürmer. Fast abgeklärt ruhig verlaufen die lang gezogenen Flöten-Melodien des zweiten Satzes über einfachen Begleitfiguren des grundierenden Cellos. Das abschließende Allegro non troppo lässt die "Schwebewelten" des Andantes hinter sich. Zwar behält auch hier die Flöte die Oberstimme, doch wird sie öfters auch dialogisch-imitatorisch begleitet von beiden Streichern. Ein besonders "luftiger" Ohrenschmaus sind die Flageolett-Begleitungen von Viola und Cello in einer tranquillo-Passage kurz vor Ende.
Ein Wink mit dem Zaunpfahl? Max Regers Serenade für Flöte, Violine und Viola op. 141a
Harry Halbreich, der französische Musikwissenschaftler, sieht eine direkte Wirkung von Max Regers Kammermusik auf Albert Roussel. In der Tat sind die Parallelen zwischen Albert Roussels Trio und Max Regers Serenade frappierend: wieder ein Spätwerk, wieder eine bewusste Ausdünnung, und wieder das eigene Bekenntnis zur Tradition inklusive der Kritik an musikalischer Gegenwart: "Jetzt kommt der missverstandene Strauss und all der Kram heraus", so Reger im Jahr 1910, "oh, es ist zum Konservativwerden." Im Vergleich zu Roussels Trio wirkt seine Serenade etwas dichter, nicht derart die Oberstimmen betonend. Immer wieder verzahnen sich die Linien der drei Streicher. Reger will keinesfalls den Eindruck eines "Concertinos" erwecken. Zu Gunsten einer kontrapunktisch gedachten Kammermusik verzichtet er daher auf jegliche Virtuosität und äußerliche Effekte. Zugleich macht die Serenade ihrem Namen alle Ehre. Gerade der erste Satz wirkt – ganz dem lateinische "serenus" entsprechend – sehr hell und heiter. Es hat zum einen mit der im Vergleich zu Roussels Trio "höhergelegten" Besetzung mit Flöte, Violine und einer Viola zu tun, zum anderen aber auch mit einer freien, stellenweise fast rhapsodisch wirkenden Form. Im letzten, munter im 6/8-Takt dahinfließenden Satz streut Reger ein Zitat aus Beethovens leichter Klaviersonate op. 49 Nr. 1 ein. Vielleicht ist dies ein Wink mit dem Zaunpfahl, ein dezenter Hinweis auf die eigene Traditionsbesinnung? Beethoven jedenfalls hatte schon für die gleiche Besetzung seine eigene Serenade op. 25 geschrieben, die gelegentlich als Bezugspunkt Regers erwähnt wird.
Zukunftsahnungen und Fingerübungen: Franz Schuberts Streichtrio D 471 und das Streichquartett D 46
Der Name Franz Schubert weckt Erinnerungen an den Lieder- und Klavierkomponisten – also an den Autor der herausragenden "Winterreise", des opulenten "Der Wanderer" für Klavier oder die charmanten Klavierstücke Impromptus oder Moments Musicaux. Dass Schuberts Quartett und sein Streichtrio eher ein Schattendasein fristen, hat in der Tat seine Gründe: Beide Werke gelten als Frühwerke, in denen etwas erprobt wird, das erst später ausgereifte Früchte tragen wird. Schubert selbst hat diese Annahme bestätigt, indem er in seiner zurückhaltenden Art lieber auf andere Kammermusik verwies als auf seine eigene. Noch 1824, vier Jahre vor seinem viel zu frühen Tod, rät er seinem Bruder Ferdinand, einem ausgezeichneten Geiger, von einer Aufführung ab: "Besser wird des sein, wenn ihr Euch an andere Quartette als die meinigen haltet, denn es ist nichts daran."
Mit gerade einmal 16 Jahren schreibt Franz Schubert sein Streichquartett Nr. 4 C-Dur. Es ist eine schnelle Arbeit. In nur fünf Tagen bringt sie der offenbar rastlose Teenager zu Papier. Obwohl das viersätzige Werk vorrangig für das familiäre Quartett mit seinem Vater und den älteren Brüdern entsteht, enthält es doch schon einige personalstilistische Eigenheiten. Schon gleich zu Beginn, im kurzen einleitenden Adagio, wird die Chromatik erkundet, die Welt der kleinen Sekunden. Im folgenden Andante nimmt Schubert den damit zusammenhängenden melancholischen Ausdruck auf, wobei sich der "spätere Schubert" schon bemerkbar macht. Dessen späterer melodischer wie harmonischer Reichtum ist noch nicht ablesbar. Aber: Dieses eigentümliche Kreisen um Themen, die Kunst, das Gleiche immer wieder in verschiedenem Licht zu zeigen – dies ist schon zu spüren in diesem frühen Quartett, dass der Musikwissenschaftler Peter Gülke mit dem Tod der kurz zuvor verstorbenen Mutter in Verbindung bringt: "Derlei Zusammenhänge", so Gülke, "stellen das Streichquartett des Sechzehnjährigen in ein sehr anderes Licht als dasjenige unbeschwerten Erfahrungserwerbs oder verspielter Formversuche – wenngleich es ihrer wiederum nicht bedürfen sollte, um es der Unterschätzung als bloßes Propädeutikum zu entziehen."
Das drei Jahre später komponierte Streichtrio D 471 zeigt ein anderes Gesicht: Durchweg ist der Ton hier freundlich. Keine Spur von Tod und harmonischen Experimenten. Es ist eine Art Fingerübung im Stil Wolfgang Amadeus Mozarts: Stets elegant reihen sich die Themen aneinander, werden fein klassisch variiert, ohne sich dabei in weiten Regionen des Quintenzirkels zu verlieren. Warum Franz Schubert das Streichtrio nicht weiterführte und das nach dem Allegro folgenden Andante bereits nach 39 Takten abbricht, dies bleibt offen. Nur zu vermuten ist, dass Schubert sich der Tragfähigkeit des Themas bewusst wurde. Der bereits rastlos Schaffende nahm da lieber andere, größere Arbeiten ins Visier. Just 1816 entsteht auch schon die große "tragische" Sinfonie in c-Moll.
Walzer mit Witz: Erich Wolfgang Korngolds Streichquartett Nr. 2
Als Erich Wolfgang Korngold sein zweites Streichquartett 1933 schreibt, hat er seine großen Erfolge bereits hinter sich. Mit seinem Ballett "Der Schneemann" und mit seinen Opern "Violanta" und "Die tote Stadt" machte er in den 1910er- und 1920er-Jahren Furore; namhafte Kollegen wie Gustav Mahler oder Richard Strauss bewunderten seine Musiksprache, die stets tonal bleibt, aber immer wieder geschickt oszilliert zwischen Spätmoderne und Neoklassizismus. Farbreichtum und stilistische Vielfalt sind die prägenden Merkmale von Korngolds Kammermusik, so auch die des zweiten Streichquartetts. Als wollte Korngold dem düsteren Zeitgeschehen trotzen, setzt er im ersten Satz einen spritzig-optimistischen Kontrapunkt. Im Grunde kann nur das variiert-versteckte "Schicksalsmotiv" aus Beethovens fünfter Sinfonie Mitte des ersten Satzes an Adolf Hitlers Wahl zum Reichskanzler gemahnen.
Korngolds musikalische Welt ist eng mit Wien verknüpft. Seine größten Erfolge feiert er unter anderem dort; eines seiner vielen Idole ist just der Walzerkönig Johann Strauß, dessen Operetten Korngold eifrig bearbeitete. Die "Welt Wiens" ist mehr als nur spürbar im dritten und vierten Satz des Streichquartetts. Ein Walzer gehört natürlich dazu. Hier ist es ein tüchtig mit vielen Pizzicati und Witz gewürzter.
Noch 1953 ist Korngold von Johann Strauß fasziniert und verarbeitet dessen Walzer in den "Straussiana" für Orchester. Längst lebt er da in den Staaten und ist dort ein ums andere Mal als Filmkomponist für Hollywood in Erscheinung getreten; für die Musik zu den Filmen "Ein rastloses Leben" und "Robin Hood – König der Vagabunden" erhält er sogar jeweils einen Oskar. Weit weniger Erfolg hat Korngold mit seinen späten Sinfonien, mit denen er wieder an die europäische Musiktradition anknüpfen will. Es bleibt die Tragik seines Lebens, dass er in Europa nicht mehr gehört – und in Amerika nicht verstanden wird.
Torsten Möller ∙ studierte an der Berliner Humboldt-Universität Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Soziologie. Mit dem Schwerpunkt auf der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts ist er freiberuflich tätig für Radio (SWR2, Deutschlandfunk) und Print (Schweizer Musikzeitung, MusikTexte). In Essen unterrichtet Torsten Möller das Fach Musikjournalismus an der dortigen Folkwang Universität der Künste.
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Impressum
Sabrina Haane, Gesamtleitung SWR Symphonieorchester
Dr. Henning Bey, Künstlerische Planung
Tabea Dupree, Redaktion SWR Kultur
Henrik Hoffmann, Redaktion Programmheft
Matthias Claudi, Teamleiter Kommunikation SWR Ensembles und Festivals
Sämtliche Texte sind Originalbeiträge für dieses Programmheft