Den serbischen Geiger Nemanja Radulović umweht ein Hauch von Ursprünglichkeit, Rauheit und Freiheit. Und zu welchem Komponisten passt das besser als zu Beethoven? Die Ergebnisse sind nicht nur häufig sehr schlüssig, sondern oft auch tief berührend.
Beethoven mit einem ganz unaufdringlichen Radulović
Ah, Beethoven! Das Violinkonzert. Diese Paukenschläge zu Beginn, dann das Thema mit Oboen, Klarinetten, Fagotten. So schön, so oft schon gehört. Sehr behutsam phrasiert klingt das hier, sauber ausformuliert.
Und endlich, nach drei Minuten, tritt der Protagonist auf den Plan. Das tut er nicht etwa mit Pauken und Trompeten. Sondern ganz leise und behutsam. Anders als viele andere Geiger. Gestatten: Nemanja Radulović.
Beethoven mit Geschmack und Eigenart
Kompliment! Das hat Idee, Geschmack und Eigenart. Radulović, der auf den Konzertbühnen mit Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ als exzentrischer junger Wilder bejubelt wurde, drängt sich hier überhaupt nicht auf.
Ja, er wagt Extremes, aber er begründet jede gestalterische Entscheidung aus der Musik heraus. Und sucht mit feinem Ton nach der Geschichte hinter den Klängen.
Das Violinkonzert überzeugt mehr als die Kreutzer-Sonate
Das klingt deutlich überzeugender als Beethovens Kreutzer-Sonate, die auf dieser CD auch zu hören ist. In der Bearbeitung für Solovioline und Streichsextett wirkt sie wie ein verdecktes Solokonzert mit weich gezeichneten Kontrasten.
Besondere Kultur des Leisen
Gehen wir lieber zurück zum Violinkonzert. Denn im Mittelteil des langsamen Satzes bezaubert Nemanja Radulović mit einer ganz besonderen Kultur des Leisen. Was für ein ätherisches, dabei substanzreiches und singendes Piano!
Beethovens Larghetto als versponnene, frei schwingende Traumsequenz, extrem verlangsamt, aber eine in sich schlüssige andere Welt. Radulovićs Beethoven-Konzert ist gewagt, in Dynamik, Tempi und Balance manchmal exzentrisch, aber in seinem gestalterischen Freiheitsdrang rundum authentisch.
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