Das französische Streichquartett Quatuor Ébène hat unter dem Projektnamen „Beethoven around the World“ sämtliche Beethoven-Streichquartette eingespielt. Zwischen April 2019 und Januar 2020 tourte das Ensemble mit diesen Werken durch 18 Länder rund um den Globus. Das Ergebnis wurde in einzelnen Folgen auf digitalen Wegen zugänglich gemacht und erscheint als Gesamtedition auf 7 CDs. Christoph Vratz über die neue Veröffentlichung des Ensembles Quatuor Ébène, das im Beethoven-Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert.
Das französische „Quatuor Ébène“ hat sich inzwischen als feste Größe im Musikgeschäft und als eines der führenden Streichquartette des 21. Jahrhunderts etabliert. Der jüngste Schwerpunkt seiner Arbeit lag auf dem Kosmos der 16 Streichquartette von Ludwig van Beethoven.
Sieben Reisen in alle Kontinente
Zwischen April 2019 und Januar 2020 tourte das Ensemble mit diesen Werken durch 18 Länder rund um den Globus – aufgeteilt in sieben Reisen in alle Kontinente. Gerade noch rechtzeitig konnte man alle Ziele erreichen, bevor der internationale Reiseverkehr Corona-bedingt zusammenbrach.
„Beethoven around the World“ heißt folgerichtig dieses Projekt, das zunächst in einzelnen Folgen auf digitalen Wegen zugänglich gemacht wurde und (in wenigen Tagen) auch als Gesamtedition auf 7 CDs erscheint. Man könnte auch sagen: Pro CD ein Mitschnitt aus einer anderen Stadt, von Melbourne bis Nairobi, von Tokio bis São Paulo – eine Missionstour im eigentlichen Wortsinn, denn längst nicht überall ist Streichquartett-Musik so populär wie hierzulande.
Doch sind die vier Musiker des Quatuor Ébène nicht irgendwelche Botschafter, sondern musikalische Diplomaten von hohem Rang. „Beethoven ist wie ein Architekt, der Kathedralen mit Streichhölzern bauen kann“, hat Cellist Raphaël Merlin einmal in einem Interview bekannt: „Für das Gesamtwerk braucht es dann zwar Milliarden Streichhölzer, aber das Wissen darüber, wie man sie anordnen muss, damit die Statik stimmt, das ist Beethovens Genie. “Beim Quatuor Ébène sind gleich vier Statiker am Werk, die Beethovens Klang-Kathedralen nicht nur theoretisch als Machbarkeitsstudie geprüft, sondern sie voller Hingabe praktisch umgesetzt haben.
Mit schlankem Klang und sparsam dosiertem Vibrato
Jede Nuance wurde dabei genau erwogen, jeder Akzent erfolgt scharf und klar, kein Einsatz, der brüchig wirkt. Das französische Ensemble spielt mit schlankem Klang und sparsam dosiertem Vibrato. So entsteht eine sehr homogene, stellenweise erfreulich individuelle Darstellung. In Wien hat das Quatuor Ébène das zweite von Beethovens Quartetten aus op. 59 aufgenommen, und in Wien wurden die so genannten „Rasumowsky-Quartette“ auch erstmals aufgeführt, benannt nach einem russischen Diplomaten, der den Komponisten vor allem finanziell nach Kräften unterstützt hat.
Dem Quatuor Ébène geht in seiner Gesamtschau der Beethovenschen Streichquartette nicht allein um puren Schönklang, sondern vor allem um die Darstellung von Risiko und extremen Erfahrungen. Dies allerdings nicht im Sinne von Hochleistungssport auf jeweils vier Saiten. Daran wäre den Franzosen auch nicht gelegen. Der Hörer wird vielmehr Zeuge des Versuchs, Kunst als Wagnis darzustellen.
Dass jede Interpretation immer auch vom Risiko des Scheiterns bedroht ist, kalkulieren die vier Streicher mit ein. Doch von sentimentaler Einfühlung ist hier ebenso wenig zu spüren wie von technischer Virtuosität als Selbstzweck. Der Zugang zu einem Werk ist immer auch mit dem Anspruch der Abstraktion verbunden, mit einem Zergliedern in Zusammenhänge.
Dieser von Spannung und einer Fülle an scharfen Kontrasten geprägte Zyklus mit dem Quatuor Ébène ist auf 7 CDs beim Label Warner erschienen. Auch wenn es bereits eine Reihe hochwertiger Aufnahmen der Beethoven-Quartette gibt, das Quatuor Ébène darf sicher einen der vorderen Plätze für sich beanspruchen.