Gordon Kampe ist Komponist und kommt in seinem Tun immer mehr mit KI in Berührung. Sind Komponisten im Zeitalter der KI-generierten Töne überhaupt noch zeitgemäß? Oder wird der Beruf wie einst Gerber und Hofnarren aussterben, weil kein Bedarf mehr besteht für handgeschriebene und kopfersonnene Musik?
Cool bleiben
Es ist, schräg genug, ein warmer Tag in Hamburg. Ich sitze am Computer und neben mir brummt und saust ein Ventilator, auf dessen Gehäuse die klare Ansage „Be Cool“ prangt. Und während ich hier sitze und über „Künstliche Intelligenz“ nachdenke, ist alles was ich denke bereits Schnee von gestern.
Plötzlich knackt, zischt und flackert es in meinem Zimmer. Vor mir taucht ein überdimensionierter Avatar des Interneterklärers Sascha Lobo auf. Wie immer frei von jeglichen Zweifeln lacht er mir schallend ins Gesicht: „Ach, du armes, analoges Komponierwürstchen! Das ist so süß, Dich da mit einem Bleistift zu sehen.“
Während Lobo seine Frisur in Ordnung bringt, flüstert er mir noch etwas ins Ohr. Irgendwas mit „Zeichen der Zeit“ und „isch over“ und ob ich Interesse an einem Spiegel-Abo hätte. Dann brizzelt die Luft wieder, ich nehme schnell meine blaue Pille ein und bin wieder allein am Schreibtisch.
Komponieren – Ein aussterbender Beruf?
Es ist also vorbei mit meinem Beruf. Durch zahlreiche öffentliche KI-Förderprogramme, mit denen sich künstlerisches Mittelmaß noch ein wenig länger über Wasser halten wird, wird das Aussterben der Zunft beschleunigt. Der Komponist oder die Komponistin wird sich alsbald neben dem Gerber, dem Hofnarren, dem Fischbeinreißer oder dem Laternenanzünder auf der Liste der ausgestorbenen Berufe finden.
Habe ich vor kurzer Zeit noch über die jämmerlichen Ergebnisse von KI-basierter Musik gelacht, kann man nun schon mindestens irritiert sein, wenn man mal eine halbe Nacht mit Anwendungen wie „Suno“ oder „Udio“ verbracht hat.
Musik per Mausklick Virtuelle Pop-Stars: Wenn Künstliche Intelligenz die Charts stürmt
In Korea erobern derzeit Musikacts das Internet, die von der Künstlichen Intelligenz generiert wurden. Ist das der Anfang einer neuen Entwicklung im Pop-Business?
Dass eine Musik, die mit verhältnismäßig einfachen Regeln gestaltet ist, recht schnell und gut von einer KI nachgebildet werden kann, überrascht nicht. Aber „Udio“ etwa kann auch das typische „Brösel-Schab-Quiek-Knirsch-Heul-Zischel-Raschel-Wuschel-Idiom“ zeitgenössischer Musik ganz gut nachahmen und während ich das schreibe, wird eine andere KI das bereits 12-mal besser können.
Putzigerweise liefert das Programm die Titel gleich mit: „Echoes in the void“, „Echoes of the future“, „Echoes of Serenity“ – und mein Favorit: „Whispers of Helmut“.
Die KI wird das Komponieren nicht so lieben wie wir
Ich zeigte die Ergebnisse, inklusive einer Motown-Upbeat-Ode, die auf meinem ungeheuer gehaltvollen Text „Gurky, Gurky, ich will Gurkensaft“ basiert, meinen Studierenden in der Hochschule. Ich vermutete Entsetzen, Panik, Exmatrikulation und Anträge auf Umschulung. Doch – Potztausend: Ich erntete Gelächter und selbstbewusstes Schulterzucken.
Da kann die KI besser, schneller, origineller und sogar uns selbst noch ähnlicher sein – sie wird den Vorgang des Komponierens nicht so lieben können wie wir. Irgendwann, da sind wir uns sicher, wird man das wieder hören. Ein Avatar schwitzt nicht, wir schon. Da KI nicht mehr weggeht, werden wir damit arbeiten, wie mit einem Staubsaugerroboter.
Sascha Lobos Hologramm neben mir lacht wieder: „Bist du naiv!“ Und, wie so oft taucht aber auch sie wieder auf – scheu und schüchtern, wie immer: die Musik. Sie lächelt, nickt, zupft mir freundschaftlich an den Ohren und flüstert mir zu: „Bleib cool. Weitermachen!“
Mehr zu KI und Musik
Musikgespräch Künstliche Intelligenz trifft Kreativität: Der KI-Professor und Komponist Ali Nikrang
„Es liegt an uns, wie wir die KI benutzen“, sagt Ali Nikrang, Professor für Künstliche Intelligenz und musikalische Kreation an der Musikhochschule München.
Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Kreativität und KI: Ist Maschinenkunst auch Kunst?
Programme wie Dall-E oder Midjourney revolutionieren die Art und Weise wie Kunst hergestellt wird. Es braucht nur noch eine Eingabe, einen Prompt, der das gewünschte Bild präzise beschreibt und in Windeseile spuckt der Algorithmus passende Darstellungen aus.
Gerade hat Google ImaGen vorgestellt, das bewegte Bilder herstellt, Videos zu bauen ist also auch kein Problem mehr. Schon lange gibt es automatische Textgeneratoren wie GPT-3. Die Zukunft ganzer Berufszweige der Kreativbranche scheint bedroht zu sein.
Der Künstler Mario Klingemann arbeitet schon lange mit KI. Jetzt, wo jede*r mithilfe von Programmen wie Dall-E Kunst erzeugen kann, wird es für ihn als Künstler immer schwerer wirklich Neues zu schaffen: „Das reine Erzeugen hübscher Bilder ist mir zu einfach. Ich versuche herauszufinden, was Kunst ausmacht“, sagt er uns.
Die Literaturwissenschaftlerin Stephanie Catani von der Uni Würzburg forscht unter anderem zu Literatur und Kunst, die auf Algorithmen basiert. Sie ist der Meinung, dass eine KI erst mal noch nicht den großen Roman schreiben wird.
Einen ganzen fiktionalen Text zu schreiben, das könnten Maschinen noch nicht besonders gut. Was Catani hingegen mehr interessiere, ist die Frage: „Welches kreative Potenzial steckt in der Maschine als Tool für Künstler*innen der Gegenwart? Denn das eigentlich Kreative ist, mit diesem Programm so umzugehen, dass etwas entsteht, was weiterdenkt.“
Unsere Kollegen vom NDR haben in ihrem Podcast „Die Idee“ auch eine Folge zum Thema Künstliche Intelligenz gemacht! Norbert Grundei spricht darin mit dem KI-Experten Prof. Peter Kabel darüber, ob Künstliche Intelligenz die Bestseller von morgen schreibt oder die Charthits, die wir hören. Er sagt: Ja! Denn für bestimmte Texte ist heute schon KI verantwortlich. Hört doch mal rein bei „Die Idee“:
https://www.ardaudiothek.de/episode/die-idee-mit-norbert-grundei/36-was-kann-die-kuenstliche-intelligenz-prof-peter-kabel/n-joy/12007465/
Weblinks zum Thema:
Dall-E 2: https://openai.com/dall-e-2/
Midjourney: https://www.midjourney.com/home/
Google KI-Video Genarator: https://imagen.research.google/video/
Mario Klingemann: https://quasimondo.com/
KI-Podcast Steve Jobs im Joe Rogan-Interview: https://share.transistor.fm/s/22f16c7f
SWR Wissenschaftspodcast "Fakt ab": https://www.ardaudiothek.de/episode/fakt-ab-eine-woche-wissenschaft/sie-hat-jetzt-einen-anwalt-eine-google-ki-macht-ernst/swr2/10625093/
Was geht - was bleibt? Die Debatte um LaMDA: https://www.ardaudiothek.de/episode/was-geht-was-bleibt-zeitgeist-debatten-kultur/debatte-um-lamda-haben-algorithmen-gefuehle/swr2/10588035/
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Host: Max Knieriemen
Redaktion: Max Knieriemen und Kristine Harthauer
Was geht - was bleibt? Zeitgest. Debatten. Kultur. So viele Drake-Fakes: Wie verändert KI die Musik?
Na, erkannt? Das Bild zu dieser Folge ist fake. Eine Künstliche Intelligenz sollte für uns hier den Rapper Drake darstellen. Der kann von solchen Spielereien ein Liedchen singen. Mit seiner Stimme wird gerade besonders viel experimentiert. Etwa im Song “Heart on my sleeve” des Produzenten Ghostwriter997 rappt nicht Drake, sondern eine täuschend echt klingende KI-generierte Stimme.
Der KI-begeisterte Musiker und Produzent Stefan Harth glaubt, Drakes roboterartige Stimme biete sich für ein KI-Imitat geradezu an: “Eine KI kann mit solch einer glatt gebügelten Stimme gut arbeiten.” Die KI-Songs gehören für ihn in die Kategorie “Fanfiction”: Hartgesottene Fans bringen die guten alten Zeiten ihrer Idole wieder zurück.
Ein ernstes Problem ist und bleibt der Schutz der Urheberrechte. Das kennt Dr. Tobias Holzmüller nur zu gut als Leiter der Rechtsabteilung bei der GEMA: “Normalerweise schafft eine KI immer etwas Neues. Wenn aber ganze Harmonie-Sequenzen übernommen werden, handelt es sich um ein Plagiat.” Die Stimme hingegen sei vom Persönlichkeitsrecht geschützt. Ganz ausgeliefert ist man dem Stimmenklau also nicht.
Und dann haben wir extra für diese Folge einen eigenen Rap-Song mithilfe von KI produziert! Der ist (fast) hitverdächtig!
Wenn ihr weitere Themen oder Feedback habt, mailt uns an kulturpodcast@swr.de.
Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Christian Batzlen
Hörtipps:
Ghostwriter997 - “Heart on my sleeve” https://youtu.be/_iYU9h7FEw0
AllttA - “Savages” https://youtu.be/y7r6PAkFRfU
Anleitung für alle, die selbst einen KI-Song produzieren wollen: https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/ki-und-musik-wie-man-mithilfe-von-ki-einen-rap-song-schreibt-100.html