Es war ein epochales Konzert am 12. Februar 1924 in New York: George Gershwin brachte am Klavier seine „Rhapsody in Blue“ zur Uraufführung. Noch hundert Jahre später ist die „Rhapsody“ ein Welthit. Rainer Peters blickt auf Gershwins „volles Leben“ zurück und räumt in seiner Biografie mit einigen Mythen auf.
Die Geschichte beginnt im badischen Kuppenheim
Die Geschichte dieses Buchs beginnt im 19. Jahrhundert in Kuppenheim, einem kleinen Städtchen nahe Baden-Baden, mit der Familie Dreyfuß. Aus dieser Familie stammt Max Dreyfus, der sich später in New York als Talent-Scout und Agent rund um den Broadway einen Namen macht. Dort wird er 1918 auf einen jungen, hochbegabten Pianisten aufmerksam:
Dieser Jüngling ist niemand anders als George Gershwin. Zwölf Jahre später widmet dieser Dreyfus seine „Second Rhapsody“.
Rainer Peters nimmt Gershwins Werk genau unter die Lupe
Rainer Peters, Autor und Rundfunk-Journalist, hat nun eine Biografie über George Gershwin geschrieben. Sie beleuchtet nicht nur das Leben dieses Ausnahmemusikers, sondern nimmt auch seine Werke genau unter die Lupe. Bereits im Vorwort weist Peters darauf hin, dass die Spanne bisheriger Bücher über Gershwin auffallend heterogen ist.
Kein Wunder bei diesem Komponisten, dessen Musik, so schreibt Peters, „sich zwischen Tristan-Akkord, Blue Note, doppeltem Kontrapunkt und Bitonalität bewegt, Einflüsse von Debussy, Strawinsky, Ragtime und der Wiener Schule zu einem eigenen Ton verarbeitet und weltweit gespielt wird“.
Jahrestag der Uraufführung 100 Jahre „Rhapsody in Blue“: Wie Paul Whiteman Gershwin sein Meisterwerk entlockte
Am 12. Februar 1924 bringt George Gershwin seine „Rhapsody in Blue“ zur Uraufführung. Die Komposition hat ihm der „King of Jazz“ Paul Whiteman abgerungen.
Aufräumen mit den gängigen Gershwin-Mythen
Gegen gängige Klischees setzt sich Peters an einigen Punkten erfreulich offensiv zur Wehr. Etwa mit Blick auf Gershwins Kindheit:
George Gershwin, 1898 geboren, macht als hochtalentierter Klavierspieler schnell von sich Reden. Auch als Komponist sorgt er bald für Furore, etwa mit seinen Songs. Einige davon nimmt Rainer Peters genauer unter die Lupe, etwa „Swanee“– laut Autor ein Song „wie hunderte anderer Gershwin-Songs, ein untadeliges Gebilde mit ‚a little twist somewhere‘“.
Judy Garland singt „Swanee“
Alles andere als bleischwer und gelehrig
Natürlich widmet sich Peters auch Gershwins Erfolgshit schlechthin, der „Rhapsody in Blue“ – und räumt erneut auf mit einigen häufig kolportierten Anekdoten, etwa dass bei der Uraufführung 1924 auch Musiker wie Sergej Rachmaninow oder der Geiger Jascha Heifetz anwesend waren. Beide hatten am selben Abend Konzerte in Kansas City und Illinois.
Gern folgt man Peters, wie er mit einigen Mythen aufräumt, denn er geht dabei sehr stichhaltig vor. Seinen Werk-Analysen kann man gut folgen, auch ohne ein musikwissenschaftliches Studium. Gelegentliche Querverbindungen innerhalb der Musikgeschichte wirken souverän und kommen manchmal sogar mit einem Augenzwinkern daher.
Überhaupt gefällt dieses Buch durch seine Sprache: Eine seriöse Biografie muss eben nicht bleischwer und gelehrig daherkommen, alles Wissen lässt sich auch geradezu elegant vermitteln. Genau das ist hier gelungen.
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