Ich habe einmal erwähnt, dass ich an einem visuellen Kleid arbeite, das ich den Klängen anziehen möchte, und dabei auf die konkreten bildnerischen und skulpturhaften Elemente verzichten könnte, die mir bei meinen Klangobjekten wichtig sind. Damit meinte ich, der Musik, und nur um sie ging es mir hierbei, all die haptischen Eigenschaften, die ich beispielsweise von körnigen Installationsklängen her kenne, zu erhalten. Mir gefallen Klänge, die ich unter Schalen finde, oder die von einer rauen Wand heruntergefallen sind, mir gefallen sie rein musikalisch, auch wenn sie noch mit dem Objekt oder mit der Situation behaftet sind. Ich mag Klänge, die sehr weit entfernt sind, ich mag die Klänge, die man aus halber Entfernung hört, ich mag, wie sie sich untereinander austauschen, sich vermengen, sich wieder trennen und plötzlich direkt neben einem auftauchen und sich zu spontanen Klanggesten formieren.
Von meinen Installationen und besonders von meinen Objekten weiß ich, dass Musik hier permanent stattfindet, und zwar im Austausch und in Verbindung mit dem Visuellen. Die Musik umkreist das Objekt oder schwebt bei meinem Großen Grau zum Beispiel ca. 20 cm über der gesiebten Fläche. Oder wenn ich an den kleinen Stein mit dem Lautsprecher denke, spüre ich die akustische Energie um ihn herum. Die Musik, die ein Objekt umspielt, ist also permanent, das heißt, die Musik hat dessen permanente Ausdehnung in der Gegenwart. Es fällt schwer, sich Vergangenheit in solch einer Situation vorzustellen. Jede andere Musik hat einen Anfang, einen sehr kleinen Gegenwartsteil, und von der Zukunft weiß man, dass sie sich eingestellt haben wird. Meine Art, mit Musik umzugehen, ist anders, ich könnte es so beschreiben, dass ich sage, die Gegenwart wird während der Aufführung permanent und bruchstückweise vor sich her geschoben, bis sie beinahe an die Zukunft stößt. Vergangenheit kann sich da kaum einstellen, weil sie an der Grenze zur Gegenwart fortwährend daran gehindert wird, wahrgenommen zu werden.
Musik für eine weite Ebene hat einen Mittelgrund, einen aktiven Vordergrund, der sporadisch sehr präsent sein wird, und einen weiter entfernten Bereich, der mir wegen der Perspektive wichtig ist. Und es gibt einen sehr nahen Bereich, der uns auf das Ensemble im zeitlich hinteren Drittel des Stückes einstimmen soll.
Installation und Performance
Rolf Julius Entwurf für die Musik für Hunde bestand aus drei Komponenten: in althergebrachten Kategorien beschrieben waren das eine Installation, die mit einer Performance verbunden war, dem "piano concerto Nr.2". Dritte Komponente war ein Konzertstück mit dem Titel "Musik für eine weite Ebene".
Die Installation "piano concerto No.2"
In einem recheckigen großen Raum in der Sporthalle der Realschule Donauschingen hingen mehr als 100 Blätter aus koreanischem Papier von Rolf Julius, auf denen schwarze und rote Kreise, Rechtecke und einige Worte zu sehen waren. Diese Blätter waren bildendes Kunstwerk und Partitur zugleich. Als Partitur wurden sie in mehreren Performances durch die japanische Pianistin Aki Takahashi interpretiert. Ausgangspunkt aber war das bildende Kunstwerk; für Julius ist das Werk fertig, wenn es als visuelles Werk funktioniert. Dann, so Julius, stimme auch die Musik..
Die Performance "piano concerto No.2"
Aki Takahashi ging in ihrer Performance "piano concerto No.2" auf den Gesamteindruck der Blätter an der Wand ein. Durch Wörter wie "stumm", "silence" oder "piano" wurde an verschiedenen Stellen die Art der Interpretation schon vorgegeben.
Darüber hinaus hatten Künstler und Interpretin abgesprochen, welches Zeichen wie zu spielen sei. So wurde beispielsweise eher mit tiefen Tönen und "grummelartigen" Klängen ausgeführt, während schwarze Rechtecke clusterartig zu spielen waren. Rote Punkte waren ein Signal für eine lautere Dynamik.
Das Konzertstück "Musik für eine weite Ebene"
Eine ganz andere Form der Musik kam im dritten Werk von "Zwischen Schwarz und Rot" zum Ausdruck: die "Musik für eine weite Ebene" ist ein Konzertstück für Kammerensemble und Elektronik. Hierzu schrieb Rolf Julius im Programmheft der Donaueschinger Musiktage:
"Ich mag Klänge, die sehr weit entfernt sind, ich mag die Klänge, die man aus halber Entfernung hört, ich mag, wie sie sich untereinander austauschen, sich vermengen, sich wieder trennen und plötzlich direkt neben einem auftauchen und sich zu spontanen Klanggesten formieren. [...]
Musik für eine weite Ebene hat einen Mittelgrund, einen aktiven Vordergrund, der sporadisch sehr präsent sein wird, und einen weiter entfernten Bereich, der mir wegen der Perspektive wichtig ist. Und es gibt einen sehr nahen Bereich, der uns auf das Ensemble im zeitlich hinteren Drittel des Stückes einstimmen soll."
- Festivaljahrgänge
- Donaueschinger Musiktage 2003
- Themen in diesem Beitrag
- Rolf Julius, Zwischen Schwarz und Rot, Teil 1: piano concerto No. 2
- Verwandte Beiträge
- Werke des Jahres 1998: Rolf Julius' "Neun mal Rot", Werke des Jahres 1998: Rolf Julius' "Musik für den Blick auf das Wasser", Werke des Jahres 2003: Rolf Julius' "Zwischen Schwarz und Rot - Piano concerto Nr. 2"