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Bühnenabschied von Waltraud Meier

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AUTOR/IN
Kirsten Liese
ONLINEFASSUNG
Sebastian Kiefl

Als Isolde, Kundry oder Sieglinde setzte sie Maßstäbe: die gebürtige Würzburgerin Waltraud Meier. Peu á peu hatte sich die heute 67-Jährige in den vergangenen 12 Jahren zunehmend von ihren Partien verabschiedet.
Heute Abend hebt sich definitiv zum letzten Mal der Vorhang für die Mezzosopranistin. Einmal noch singt sie die Klytämnestra in Richard Strauss‘ Einakter „Elektra“, danach ist Schluss für immer.

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Der letzte Auftritt

Fast alle bedeutenden großen Partien hat Waltraud Meier längst abgelegt. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum die Mezzosopranistin für ihren allerletzten Auftritt die Klytämnestra in Richard Strauss‘ Einakter „Elektra“ gewählt hat, die noch übrig geblieben ist.

Das Entscheidende ist, dass ihr die Berliner Staatsoper Gelegenheit gibt, in einer Inszenierung des legendären Regisseurs Patrice Chéreau Abschied zu nehmen.

Waltraud Meier hatte meist starke Partnerinnen und Partner auf der Bühne und im Graben. Aber Daniel Barenboim und Patrice Chéreau nahmen unter allen als kongeniale langjährige Weggefährten eine Sonderstellung ein.

„Ich habe so zwei Lebensmenschen, das eine ist der Lebensmensch Daniel Barenboim, der Lebensdirigent und Lebensmusiker. Und das andere eben der Lebensregisseur Patrice Chéreau.“

Waldtraud Meier neben Daniel Barenboim und Orchester
Etliche Male sang Waltraud Meier unter Daniel Barenboim. Wie hier, 2008 mit Simon O'Neill unter Daniel Barenboim mit dem West-Eastern Divan Orchestra auf der Berliner Waldbühne.

„Tristan und Isolde“ als Höhepunkt

Im Idealfall kamen alle Drei – Meier, Barenboim und Chéreau – für eine Produktion zusammen wie für Richard Wagners Musikdrama „Tristan und Isolde“ 2007 in Mailand, der absolute Höhepunkt in der 47-jährigen langen Laufbahn der Sängerin. 

Die Isolde war gewiss die Rolle, mit der Waltraud Meier am meisten identifiziert wurde. Schon mit ihrer schönen, schlanken, ewig jung anmutenden Erscheinung entsprach sie ideal der stolzen, begehrten Königin.

Ihre Interpretation, die beeindruckte Kraft der sinnlichen, edlen Tongebung, Spitzentönen, die sie wie Leuchtraketen abfeuerte und einer profunden, sonoren Mittellage.

Abschied ohne Drama

Mit der letzten Isolde folgte ein Abschied auf Raten. 2016 sang Waltraud Meier zum letzten Mal die Kundry unter Daniel Barenboim, die Venus und die Sieglinde hatte sie da auch schon abgelegt. Ihren letzten Rollenabschied von einer Wagnerpartie gab die gebürtige Würzburgerin in diesem Frühjahr als Waltraute in der „Götterdämmerung“ in Dresden unter Christian Thielemann.

Das Karriere-Ende bedeutet für die 67-Jährige kein Drama. Weder habe sie das Gefühl, es käme einem Tod gleich, wie es Dietrich Fischer-Dieskau erlebte, von dem das geflügelte Wort stammt, ein Sänger sterbe zweimal.

Interview mit Waltraud Meier über ihren Bühnenabschied – YouTube Kanal Staatsoper Unter den Linden

Noch hätte sie sich jemals vorstellen können, in alle Ewigkeit weiter zu singen wie manche Kolleginnen, die trotz unüberhörbar nachlassendem Niveau krampfhaft an ihrem Beruf festhalten.

„Der ganze Körper verändert sich, warum sollte das die Stimme nicht tun. Das ist eine Illusion, und ich bin mein erster und eigener Zuhörer, und ich möchte auch, dass es schön klingt.“

Regisseur-Größen

Meier zieht souverän einen Schluss-Strich unter die Bühnenlaufbahn, die 1976 begann, als sie in ihrer Heimatstadt Würzburg als Lola in „Cavalleria Rusticana“ debütierte.

Bei alledem schwingt ein bisschen Erleichterung über den Ausstand mit. In ihren besten Jahren hatte Waltraud Meier stets geschätzte Regisseure, die ihre Figuren psychologisch mit ihr erarbeiteten.

Harry Kupfer, Götz Friedrich oder Klaus Michael Grüber zählten neben Patrice Chéreau dazu. Solche Größen vermisst sie heute zusehends.

Meisterkurse interessieren sie nicht

Und was folgt nach der letzten Vorstellung? Die einzigen künstlerischen Aktivitäten, die sich Waltraud Meier noch vorstellen könnte, wären Text-Rezitationen als Sprecherin, eingebettet  in einen musikalischen Kontext.

Wie sie ihr Wissen weitergeben kann, wird sich zeigen. Eine kontinuierliche Arbeit als Gesangslehrerin kommt für sie nicht infrage, Meisterkurse nur unter bestimmten Voraussetzungen. 

„Ich bin nicht diejenige, wo man einen Meisterkurs macht, wo ein Sänger mal für zwei Stunden einen heißen Tipp bekommt. Das interessiert mich nicht. Wenn dann will ich wirklich mit den Sängern gemeinsam arbeiten[...]“

Aber diese Pläne sind noch nicht ausgereift. Jetzt stehen erst einmal eine Reise nach New York an und schöne Dinge, für die Waltraud Meier während ihrer langen Laufbahn keine Zeit fand. 

In der ARD Mediathek Daniel Barenboim spielt Beethovens Klaviersonaten

Die 32 Klaviersonaten Ludwig van Beethovens beschäftigen den Pianisten und Dirigenten Daniel Barenboim seit den Anfängen seiner Karriere. Bis 21. Mai 2024 in der Mediathek.

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