DVD-Tipp

Schumanns Sinfonien: Die Sächsische Staatskapelle mit Christian Thielemann

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AUTOR/IN
Moritz Chelius

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Letztes Jahr war die Sächsische Staatskapelle mit Christian Thielemann auf Asientournee. Im Gepäck: Schumanns Sinfonien. Jetzt sind die Konzerte als DVD erschienen. Moritz Chelius hat sie sich angeschaut.

Für die Sächsische Staatskapelle Dresden ist Robert Schumann ein Herzenskomponist. Sechs Jahre lebte er in Dresden, hier kamen vier seiner Kinder zur Welt, hier komponierte er zahlreiche Werke, darunter auch seine zweite Sinfonie.

Viele Leute wollten lieber den ganz großen Effekt

Robert Schumann ist zwar einer der bekanntesten Komponisten, seine Sinfonien gehören für die meisten Orchester trotzdem nicht zum Kernrepertoire. Sie kämen sogar immer mehr aus der Mode, sagt Chefdirigent Christian Thielemann, denn viele Leute wollten lieber den ganz großen Effekt, also lieber Mahler, Strauss oder Beethoven. Schumanns Sinfonien würden dem Hörer mehr abverlangen, sie seien subtiler und voller Stimmungswechsel.

„Starke Stimmungswechsel, ohne zu übertreiben. Schumann hat ja immer diese sehr extreme Gefühlswelt. Sehr sanft. Sehr laut wird es nie, gottlob, aber er hat eine unglaubliche Fülle von starken seelischen Kontrasten. Jeder Satz ist völlig anders, muss mit einer teilweise sogar leichten Hysterie dirigiert werden, Hysterie im guten Sinne, im Überschwang, es ist eben eine extreme Musik.“

Dieser Tonausschnitt stammt aus einem 30-minütigen Interview, das ebenfalls auf den DVDs enthalten ist. Thielemann erklärt darin seine Sicht auf Schumann und die Sinfonien, er greift einzelne Sätze heraus, macht auf besondere Stellen aufmerksam oder erzählt, welche Bilder er bei der Musik im Kopf hat.

Also ich hab dem Orchester gesagt, man muss das so spielen, als hätte man schon zweieinhalb Gläser Riesling getrunken und weiß nicht mehr ganz genau, wo es durch die Tür geht. Aber die Töne müssen noch stimmen!“

Hier geht es um die Musik, nicht um die Show

Thielemann redet im Interview frei. Man merkt ihm an, wie intensiv er sich mit den Schumann-Sinfonien beschäftigt hat. Dabei strahlt er etwas Unaufgeregtes und fast schon Aristokratisches aus. Genau so dirigiert er auch: Ruhig und mit sparsamen Bewegungen. Da gibt es keine Selbstverliebtheiten. Jede Geste macht deutlich: Hier geht es um die Musik, nicht um die Show. Dazu passen die maßvollen Tempi.

Ein über Jahre gewachsenes Vertrauensverhältnis

Die Musiker der Sächsischen Staatskapelle folgen ihrem Chefdirigenten Christian Thielemann gerne, man spürt das über Jahre gewachsene Vertrauensverhältnis. Auch bei den heiklen Stellen, von denen es bei Schumann viele gibt, strahlen sie große Sicherheit aus. Die stark geforderten Holzbläser zum Beispiel sind exzellent und machen dem Orchester alle Ehre - schließlich ist die Sächsische Staatskapelle der älteste existierende Klangkörper der Welt, und auch einer der besten. Da dürfen die magischen Momente nicht fehlen - und es gibt sie reichlich. Etwa, wenn im traumhaft schönen langsamen Satz der 2. Sinfonie minutenlange Spannungsbögen gelingen.

Die Konzerte wurden in der Suntory Hall in Tokio aufgezeichnet. Der holzvertäfelte Saal hat eine warme Akustik mit nicht zu viel Nachhall und ist damit für die romantischen, aber sehr feinen Schumann-Sinfonien bestens geeignet. Auch deshalb erfüllt die Aufnahme höchste audiophile Ansprüche. Nur eins ist schade: Dass die Kamera kaum einmal nah an die Musiker herangeht. Beim Klarinettensolo sieht man dann zum Beispiel, statt der Finger des Klarinettisten, die ganze Holzbläsergruppe, und der Dirigent ist kein einziges Mal in Großaufnahme.

Minutenlange Standing Ovations

Den musikalischen Wert dieser hervorragenden Aufnahme schmälert das nicht. Den hat auch das Publikum erkannt: Am Ende bedachten, die sonst nicht für große Gefühlsausbrüche bekannten, japanischen Zuhörer Christian Thielemann und seine Sächsische Staatskapelle mit minutenlangen Standing Ovations.

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Moritz Chelius