Musikthema

50. Todestag von Pablo Casals: Cellist und Friedensaktivist

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AUTOR/IN
Jane Höck
ONLINEFASSUNG
Teodora Mebus

Am 22. Oktober 2023 hat sich der Todestag des Katalanen Pablo Casals zum 50. Mal gejährt. Der wohl größte Cellist des 20. Jahrhunderts war aber weit mehr als nur Musiker. Er war Komponist und Dirigent und ein Kämpfer für Freiheit und Frieden.
Aus diesem Anlass widmete der 22-jährige Cellist Philipp Schupelius ihm sein Debütalbum „Pau! A Tribute to Casals.“ Jane Höck hat mit Schupelius über den Künstler und Friedensaktivisten Pablo „Pau“ Casals gesprochen.

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Das haben wir gerade in diesen Krisenzeiten erlebt, dass Musik für Unterhaltung oder ein Luxusgut gehalten wurde. Dem hat Casals vehement widersprochen, und gesagt, dass Musik gerade in einer existenziellen Krise von größter Bedeutung ist.

Pablo „Pau“ Casals Leben umspannt fast ein Jahrhundert. 1876 wird er geboren. Krieg und Gewalt sind allgegenwärtig. Er erlebt den Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898, blutige Scharmützel zwischen Spanien und Marokko, zwei Weltkriege und den Spanischen Bürgerkrieg, der aus Spanien eine Diktatur macht.

Woher also nimmt Casals, der in diesen turbulenten Zeiten eine beeindruckende Karriere als Cellist und Dirigent hinlegt, die Kraft, an den Frieden zu glauben?

„Ich bin Katalane“, sagt Casals als er mit über 90 Jahren vor den Vereinten Nationen spielt. Seine Heimat, heute nur noch Provinz von Spanien, sei eine der größten Nationen der Welt. Warum? Noch vor England besitzt Katalonien ein eigenes Parlament und setzt schon im 11. Jahrhundert auf Frieden statt auf Krieg. Die Quelle für Casals Friedensengagement und für seine Liebe zur Musik liegt in Katalonien.

Katalonien – für Casals mehr als nur ein Ort

Casals ist in El Vendrell geboren und hat seine Urlaube mit der Familie im Fischerdorf San Salvador verbracht. Das weiße Sommerhaus mit Konzertsaal und üppigem Garten liegt direkt am Strand. „Es war ganz still dort, nur das Plätschern der Wellen war zu hören. Dies war … das Bewusstwerden meiner selbst, heute noch höre ich das Raunen der See“, schreibt Casals in seiner Autobiografie „Licht und Schatten“.

Hier gibt ihm der Vater, der in der Dorfkirche Orgel spielt, ersten Klavierunterricht und schnitzt ihm aus einem Kürbis ein erstes Cello mit nur einer Saite. Seine Mutter schickt ihn zur Musikschule nach Barcelona. Mit einem königlichen Stipendium geht es weiter nach Madrid. 1899 feiert Casals mit Anfang 20 seine ersten großen Erfolge: In England spielt er für Queen Victoria und in Paris gibt er sein furioses internationales Debüt. 

Konzert-Abonnements für Arbeiter

Im neuen Jahrhundert bereist der junge Star am Cello-Himmel Nord- und Südamerika. Er tritt im Weißen Haus und in der Carnegie Hall auf, besucht Russ-land und lässt sich am Strand seiner Kindheit eine Sommer-Residenz bauen. Nach dem 1. Weltkrieg, den Casals vor allem in den USA verbringt, beginnen seine produktivsten Jahre. In Barcelona etwa wird aus dem Cello-Virtuosen ein Dirigent mit eigenem Orchester und eigenen Ideen. Mit einem Abo für Arbeiter etwa öffnet er auch weniger Reichen und Gebildeten den Zugang zur Klassik.   

Das finde ich, ist eine unglaublich wichtige Aufgabe des Musikers. Zu zeigen, das ist nicht was, wofür man jahrelang studieren muss, damit man sich was anhört. Und das ist auch nichts Langweiliges, sondern ganz im Gegenteil. Klassische Musik ist das Aufregendste, was man sich vorstellen kann.

Eine politische Figur: Keine Konzerte in Diktaturen

Casals, der den Frieden „Pau“ schon im Namen trägt, ist überzeugter Pazifist. In der 2. Spanischen Republik kämpft er für Freiheit und Demokratie. In Diktaturen wie Russland und Deutschland etwa tritt er deshalb gar nicht mehr auf. Aber auch Spanien stehen dramatische Jahre bevor. 1936 bricht der Vulkan los.

Jeder Krieg ist schrecklich, aber Bürgerkrieg ist der Schrecklichste von allen. Da kämpft Nachbar gegen Nachbar, Bruder gegen Bruder, der Sohn gegen den Vater. Diese Jahre waren ein einziger Alptraum voller heilloser Schrecken. 

Casals und der Spanische Bürgerkrieg

Casals Orchester wird aufgelöst. Aber er glaubt weiter an die Kraft der Musik. Er spielt Benefizkonzerte für die Opfer des Bürgerkrieges und versucht mit der Aufnahme aller sechs Bach-Suiten für Violoncello an das Wunder seiner Kindheit anzuknüpfen, als er in Barcelona bei einem Trödler zufällig die Noten der lange vergessenen Suiten findet. Jetzt trägt ihn Bach durch die schwere Zeit.

„In einer Zeit, in der der Mensch funktionalisiert wird, da ist Musik der Gegenpol. Denn Musik kann das Schöne weitertragen, was uns zum Menschen macht“, so der Cellist Philipp Schupelius. „Er sagte, man war zuerst ein Mensch und dann ein Künstler und die Kunst war im Dienste dieses Menschseins.“

Taktstock und Cello – die Waffen im Kampf für den Frieden

Die Gewalt aufhalten, kann Casals damit nicht. 1939 geht er ins Exil. Erst nach Frankreich, dann nach Puerto Rico. Dass die Alliierten nichts gegen Franco tun, erzürnt ihn sehr. Viele Jahre lang verstummt sein Instrument in der Öffentlichkeit. Bis ihm klar wird, dass Taktstock und Cello seine besten Waffen im Kampf für Frieden bleiben.

Jedes Konzert, das er fortan spielt, beendet Casals mit dem „Gesang der Vögel“, einem alten katalanischen Weihnachtslied. Der „Cant dels ocells“ wird zum Sehnsuchtssong aller Exil-Katalanen und hat bis heute große Bedeutung.

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