Jeder kennt ihn: den Schmerz. Oft verdrängen wir den Schmerz, aber es lohnt sich, das Phänomen einmal näher zu betrachten: ästhetisch und gesellschaftlich. Björn Hayer liefert kluge und tröstliche Reflexionen zum Thema Schmerz.
Über 12 Millionen Menschen in Deutschland sind von lang anhaltenden, chronischen Schmerzen betroffen. Rücken-, Kopf- oder Zahnschmerzen: kennt jeder und fürchtet jeder. Wir verdrängen den Schmerz gern oder bekämpfen ihn mit den bekannten Mitteln wie Ibuprofen und Paracetamol. Aber es lohnt sich, den Schmerz einmal näher zu betrachten, ihn als Phänomen - ästhetisch und gesellschaftlich - zu untersuchen.
Dies tut, auf sehr vielschichtige und gut lesbare Art, der Autor und Literaturwissenschaftler Björn Hayer: „Sinn und Unheil. Zur Ästhetik des Schmerzes“ heißt sein schmaler Essayband, der als erster der Reihe „Quintessenzen“ im Quintus Verlag erschienen ist.
Hayer nähert sich dem Schmerz als Phänomen auf vielen Ebenen: Schmerz als Schock, der lebensverändernd wirken kann, als Konfrontation mit dem Unerklärlichen, Schmerz als Antriebskraft für künstlerische, kreative Prozesse, Schmerz als Schule des Mitfühlens und der Empathie, Schmerz nicht zuletzt als Lehrmeister für den Tod.
Schmerz bleibt - auch wenn wir das Leiden in unserer leistungs- und optimierungsorientierten Zeit gerne verdrängen - eine zutiefst humane Konstante. Hayer schreibt dazu:
Wie vulnerabel wir sind, wie zerbrechlich das ist, was wir gemeinhin als selbstverständlich begreifen - davon erzählt der Schmerz als Teil der Conditio humana. Ex negativo bildet er unser Ich heraus. Aufgrund seines Wirkens erhalten wir erst einen Begriff von der (fehlenden) Übereinstimmung von Innen und Außen. Schmerz ist Identitätsarbeit im besten Sinne - vom Schmerz der Geburt über die Zunahme an Gebrechen im Alter bis hin zu all den einschneidenden Abschieden, die unseren Weg prägen: Ziehen, Pochen, Blitzen lassen sich als Appelle zur Arbeit an und Deutung der eigenen Biografie verstehen. Schmerz ergibt, sobald man ihn bewältigt oder sich mit ihm arrangiert hat, vor allem im Nachhinein einen Sinn. Erst in der Rekonstruktion unserer Geschichte vernehmen wir, wie er einst entstand und vielleicht geheilt wurde.“
Björn Hayers Essay "Sinn und Unheil. Zur Ästhetik des Schmerzes“: Das ist kluges und tröstliches Nachdenken über das Phänomen Schmerz, das ihm auch ein wenig den Schrecken nimmt.