Neue Erkenntnisse zur Literaturgeschichte

Deutsches Literaturarchiv Marbach sichtet Rilke-Nachlass: Kein Poesie-Genie, sondern Sprach-Arbeiter

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Autor/in
Kristine Harthauer
Kristine Harthauer, SWR Kultur Autorin und Moderatorin

Im Dezember 2022 erwarb das Deutsche Literaturarchiv Marbach (DLA) den Nachlass Rainer Maria Rilkes mit allein mehr als 20.000 handschriftlichen Blättern. Nach Sichtung des ersten Teil gibt es bereits eine Erkenntnis: „Rilke war kein Poesie-Magier, sondern ein Arbeiter“, sagt Sandra Richter, Direktorin des Deutschen Literaturarchivs, in SWR Kultur.

100 Jahre lang in Besitz der Rilke-Nachfahren

Der Nachlass ist so bedeutend, weil Rilke einer der drei großen deutschsprachigen Dichter der Moderne neben Hofmannsthal und Stefan George sei, sagt Prof. Sandra Richter, Direktorin des Deutschen Literaturarchivs in Marbach: „Sein Bestand war bislang in privater Hand. Das heißt, er war für Öffentlichkeit und Forschung zwar zugänglich, aber nicht in einer Weise erschlossen, wie es dann bei uns der Fall sein wird.“

Sandra Richter (l), Direktorin des Deutschen Literaturarchivs Marbach, und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90Die Grünen) bei einem Pressetermin zum Erwerb des Rainer-Maria-Rilke-Archivs
Sandra Richter (l), Direktorin des Deutschen Literaturarchivs Marbach, und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) bei einem Pressetermin zum Erwerb des Rainer-Maria-Rilke-Archivs.

Rilke war kein einzelgängerisches Genie

Bisher hätten sie erhebliche Teile der Notizbücher erschließen können. Eine der ersten Erkenntnisse: Rilke war kein Poesie-Magier, sondern ein Arbeiter. Er habe sich Notizen gemacht und die Sprachbilder, die ihm gefielen, immer wieder hin und her gewendet.

Nachlass von Rainer Maria Rilke im Deutschen Literaturarchiv in Marbach
Katalog zum Rilke-Nachlass erstellt von den Nachfahren aus dem badischen Gernsbach

Zeichnung für das berühmte Gedichte „Der Panther“ erstellt

Sandra Richter beschreibt, dass Rilke für eines seiner berühmtesten Gedichte „Der Panther“, sogar eine kleine Zeichnung in seinem Notizheft angefertigt hat: „Also er hat sich regelrecht innerlich und physisch und malend mit der Hand mit diesem Tier befasst und der Frage, was es denn ausmacht. Und diese intensive Befassung, die korrigiert natürlich am Ende auch das Bild vom Genie“, so die Direktorin des Deutschen Literaturarchivs.

Nachlass von Rainer Maria Rilke im Deutschen Literaturarchiv in Marbach
Im Nachlass an das Deutsche Literaturarchiv in Marbach gegangen: Rilkes Notate zu den Duineser Elegien

Die Deutsche Literaturgeschichte muss teilweise korrigiert werden

Die Deutsche Literaturgeschichte müsse nicht neu geschrieben werden, wenn der Rilke-Nachlass erforscht sei, Aber sie müsse teilweise korrigiert werden, findet Sandra Richter.

Denn das Bild des Einzelgängers Rilke sei angesichts der mehr als achttausend Briefe und vielen Fotografien nicht mehr haltbar: „Wir werden uns fragen müssen, ob dieses Bild vom „Seher-Dichter“ so angemessen ist, wie es bisher auch vom Verlag natürlich kolportiert wurde, weil es wunderbar war, den großen Einzelgänger zu zeigen.

Nachlass von Rainer Maria Rilke im Deutschen Literaturarchiv in Marbach
„Lieber Herr Rilke ... “ Einladungsschreiben an Rainer Maria Rilke von Walther Rathenau vom 2. Mai 1915.

Gesamter Nachlass soll 2025 gezeigt werden

Der große Einzelgänger, das zeigt sich aber ist einer, der spricht, der stetig im Dialog ist und der seine Texte aus dem Dialog herausschreibt.“ Bis Ende 2025, zum hundertfünfzigsten Geburtstag Rilkes, soll der gesamte Nachlass erschlossen und im Deutschen Literaturarchiv in Marbach gezeigt werden.

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