Der irische Autor Colm Tóibín hat am 4. Juni 2024 in Künzelsau den Würth-Preis für Europäische Literatur 2024 erhalten. Tóibín ist bekannt für Romane wie „Der Zauberer“ über Thomas Mann oder die Auswandergeschichte „Brooklyn“, die auch Vorlage für den Oscar-nominierten Film war. Für Volker Schlöndorf schrieb er außerdem das Drehbuch zu „Rückkehr nach Montauk“.
Colm Tóibín weiß, was er mit seiner Arbeit erreichen will
Colm Tóibín kommt locker gekleidet zum Interview. Schwarze Hose, weißes Hemd ungebügeltes Sakko. Er schaut mit einer etwas ernsten Mine drein, in den Mundwinkeln ist aber ein Hauch von einem verschmitzten Lächeln zu erkennen. Tóibín hat ein sehr klares und einfaches Bild dafür, was er mit seiner Arbeit erreichen will.
Der Instinkt des Zeigens: „Ich möchte, dass du dir das ansiehst“
Es sei das Gleiche wie bei Höhlenmenschen, die auf die Jagd gehen, so Tóibín: Einer bliebe zurück und male die Tiere an die Wand, die die anderen jagen, aber nicht für sich selbst, sondern für die anderen, damit die sehen, was sie getan haben. Es sei so wie bei einem Kind, das auf etwas zu zeige mit dem Instinkt „Ich möchte, dass du dir das ansiehst“.
Colm Tóibín beobachtet sein Umfeld genau, schaut intensiv auf Personen und deren Eigenschaften. In seinen Geschichten entwickelt er ihre Merkmale aber kontinuierlich weiter. Sie sind Keime der oft jahrelang wachsenden Kristalle, die die Personen und Charaktere dann später in seinen Novellen und Romanen detailliert ausleuchten.
Präzise Beschreibung von Figuren und Menschen
Sylvia Weber, Vorsitzende der Jury des Würth-Preises für Europäische Literatur, hebt die Vielfalt von Colm Tóibíns Themen und Formate und besonders seine „wunderbare Einfühlsamkeit“, seine „präzisen Beschreibung von Figuren und Menschen und seine „unaufgeregt Erzählkunst“ hervor. „Er beschreibt so fesselnd, dass man bereits auf den ersten Seiten eigentlich von den Büchern nicht mehr loskommt.“