Issa ging es schon mal besser: Sie muss sich ständig übergeben und ist mitten in einem großen Familienstreit: Denn Issa ist schwanger. Ihr Freund will das Kind unbedingt, ihre Mutter aber möchte, dass sie abtreibt. Um Abstand zu gewinnen, reist Issa zu ihren Großmüttern nach Kamerun. Dort erwarten sie einige Rituale, die sie durchlaufen soll. „Issa“ ist der erste Roman der Theatermacherin und Aktivistin Mirrianne Mahn.
Geteilte Erfahrungen
Im Gespräch mit SWR2 sagt Mirrianne Mahn, sie teile neben dem Geburtsland Kamerun auch einige Erfahrungen mit ihrer Hauptfigur: „Wir teilen ein Stück weit eine Lebensrealität. Und die ist es: Zu schwarz für Deutschland und zu weiß für Afrika zu sein.“ Als Issa in Kamerun ankommt, sei ihr zwar ganz viel vertraut wie etwa das Essen, die Gerüche, die Menschen. Das alles fühle sich für sie nach zuhause an.
Gleichzeitig sei sie aber auch eine Fremde: „Sie darf in der Öffentlichkeit, zum Beispiel auf dem Markt, nicht reden, weil sie sonst direkt übers Ohr gehauen wird. Ich glaube, das ist eine Erfahrung, die viele in der Diaspora kennen“, sagt Mahn.
Rituale für eine gute Schwangerschaft
Issas Mutter möchte, dass ihre Tochter einige Zeremonien und Rituale in Kamerun vollzieht, damit sie eine gute Schwangerschaft hat und ein gesundes Kind zur Welt bringt. Issa ist anfangs skeptisch und weiß nicht, worauf sie sich damit einlässt. Schnell muss sie aber ihre Vorstellung von diesen Zeremonien und auch vom Schamanen ablegen. Denn dieser entpuppt sich als attraktiver, sportlicher Mann in modernen Turnschuhen.
Mirrianne Mahn erzählt, dass sie bei der Arbeit an ihrem Roman interessiert habe, welche Spiritualität es in Kamerun vor der Kolonialzeit gegeben hat. Und welche Traditionen nach der Kolonialzeit erhalten geblieben und an unsere moderne Welt angepasst worden sind: „Issas Hauptmotivation liegt darin, ihre Mutter und ihre Oma zu verstehen. Ich wollte mit meinem Buch ein Stück weit die Antwort auf die Frage geben ‚Wo kommst du her?‘“
Frauen, die nicht vergessen werden
Als Theatermacherin war für Mirrianne Mahn von Anfang an klar, dass sie kein Sachbuch, sondern einen Roman schreiben möchte. Es gäbe genug Sachbücher zu den Themen Rassismus, Diskriminierung und die deutsche Kolonialzeit. Mahn verstehe sich als Geschichtenerzählerin: „Ich wollte eine Geschichte von einzelnen Frauen erzählen und ihnen so gerecht werden, damit sie nicht vergessen werden. So verstehe ich meinen Aktivismus. Nämlich die Vergangenheit nicht zu vergessen, sondern mit ihr umzugehen“, so Mirrianne Mahn.
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