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Jérôme Leroy – Die letzten Tage der Raubtiere

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Autor/in
Dina Netz

Frankreichs Präsidentin Nathalie Séchard wird bei den nächsten Wahlen nicht mehr kandidieren. Sie, eine ehemalige Linke, war angetreten, um Frankreich jenseits der politischen Milieus zu einen. Jérôme Leroys Politthriller spielt in einem extremen Hitzesommer mit vielen Toten. Nathalie Séchard muss sich in dieser brisanten Situation eingestehen, dass ihr Projekt gescheitert ist. Jerôme Leroys Blick auf den französischen Politikbetrieb ist so düster wie spannend.

In Frankreich herrschen seit fünfzehn Monaten Pandemie-bedingter Lockdown und verschärfter Ausnahmezustand. Nur mit Sondergenehmigung dürfen die Bürgerinnen und Bürger das Haus für mehr als das Lebensnotwendige verlassen. Das ist die Ausgangslage in Jérôme Leroys neuem Politthriller „Die letzten Tage der Raubtiere". Im Süden des Landes haben Überschwemmungen immense Schäden angerichtet, es gab Dutzende Tote und Hunderte Verletzte, die zum Teil in Feldlazaretten versorgt werden mussten. Kaum ist diese Katastrophe überstanden, trocknet eine extreme Hitzewelle das Land aus. In Frankreich herrscht Agonie. Die gesellschaftlichen Spannungen nehmen zu, die Gelbwesten protestieren gegen soziale Ungerechtigkeit.

Frankreichs Präsidentin heißt in diesem Roman Nathalie Séchard. Sie ist eine ehemalige Linke und war eigentlich angetreten, das Land zu einen, die zerstrittenen politischen Lager wieder zusammenzuführen und die großen Probleme der Gegenwart gemeinsam anzugehen. Sie wollte die Reichen mit ins Boot holen, denn auch ihnen muss doch an der Zukunftsfähigkeit Frankreichs gelegen sein – eine von vielen Hoffnungen, die sich nicht erfüllt haben. Jetzt, kurz vor Ende ihrer Amtszeit, muss Nathalie Séchard sich eingestehen, dass ihr Projekt gescheitert ist.

Dass Séchard einer neu gegründeten, pro-europäischen und sozialliberalen Partei vorsteht, der „Nouvelle Société", lässt nicht zufällig an den aktuellen Präsidenten Emmanuel Macron denken. Zumal Séchard mit einem deutlich jüngeren Mann verheiratet ist. So ist „Die letzten Tage der Raubtiere" auch ein dystopischer Roman über das mögliche Ende einer politischen Ära, mit der große Hoffnungen verbunden waren. Doch in erster Linie hat Jérôme Leroy einen spannenden Politthriller geschrieben.

Als Nathalie Séchard ankündigt, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen nicht mehr zu kandidieren, verschärfen sich die politischen Grabenkämpfe in ihrer Regierung. Die möglichen Nachfolger bringen sich in Stellung. Da ist zum einen Patrick Beauséant, konservativer Innenminister und ehemaliger Militär, der vor nichts zurückschreckt und für seine Karriere völlig buchstäblich über Leichen geht – für die er wahlweise radikale Impfgegner, Linksextreme oder Islamisten verantwortlich macht. Beauséants einziger Konkurrent ist der grüne Umweltminister Guillaume Manerville, der auf eine ökologische Wende setzt, ein bisschen an einen zerstreuten Professor erinnert und mit seiner natürlichen, gewinnenden Art beim Volk gut ankommt.

Jérôme Leroy beschreibt die Figuren so plastisch, dass man sie beim Lesen vor sich sieht. Wie im Film schwenkt der Autor zwischen seinen verschiedenen Protagonistinnen und Protagonisten hin und her, teilweise wechselt er von Absatz zu Absatz die Perspektive, was die Geschichte zusätzlich dramatisiert.

Als der Freund von Guillaume Manervilles Tochter bei Patrick Beauséant als Ghostwriter anheuert, verquicken sich die Laufbahnen der politischen Gegner auch auf privater Ebene. Und Beauséant begeht einen fatalen Fehler. Jérôme Leroy spitzt die Ereignisse seines düsteren, spannenden Politthrillers immer weiter zu. Er treibt die Handlung in kurzen Sätzen und flüssiger, unkomplizierter Sprache immer schneller voran; Folter, Morde und eine atemberaubende Hetzjagd nach Manervilles Tochter wechseln einander ab. Dutzende Tote, eine ermordete Ministerin, ein ehemaliger General an der Spitze des Verteidigungsministeriums: Jerôme Leroy, ein politischer Autor und genauer Beobachter der Geschehnisse in Frankreich, lässt sein Land geradezu genussvoll in dem Chaos versinken, das die politischen Eliten angerichtet haben. Dass der Romantitel „Die letzten Tage der Raubtiere" ankündigt, drückt wohl die Hoffnung des Autors aus, dass dieses korrupte, von konservativen Strippenziehern bediente politische System über lang oder besser kurz zusammenbrechen möge. Was an seine Stelle treten könnte, skizziert Leroy nicht. Ihm geht es um eine düstere Bestandsaufnahme des französischen Politikbetriebs. Dieser Politthriller ist sicher nicht im Detail realistisch, aber dass einzelne Elemente es sind, ist schon besorgniserregend genug.

Aus dem Französischen von Cornelia Wend
Edition Nautilus, 400 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-96054-313-8

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