Buch-Tipp

Ein Lexikon voll leichter Anekdoten: „66 x Beethoven. Ludwig van A - Z“

Stand
Autor/in
Eva Hofem

Von Beethovens Repertoire an Schimpfwörtern bis hin zu der zertretenen Wiese vor seinem Grab: Im Lexikon „66 x Beethoven“ von Hans-Georg Klemm und Yvonne Zoll beleuchten 66 Geschichten und Anekdoten das Leben und Werk Beethovens und lassen ungewöhnliche Seiten des Komponisten kennenlernen.

Noch ein Beethoven-Buch im Beethovenjahr. Das mag man jetzt vielleicht denken. Gibt es noch etwas Neues, Unentdecktes über Ludwig van, dass in diesem Jahr unausgesprochen bleib?

Wohl kaum. Um dieses Problem scheinen auch die beiden Autor*innen des neuerschienen Beethoven-Lexikons zu wissen. Deswegen liefern sie auch gleich im Vorwort eine Leseempfehlung mit:

Das Buch soll dem Einsteiger eine Vielzahl von Möglichkeiten bieten, sich einem faszinierenden Menschen und seinem Werk Stück für Stück zu nähern, das Wissen der bereits Vorgebildeten erweitern und festigen, die Persönlichkeit Ludwig van Beethoven aus verschiedenen Perspektiven schlaglichtartig erhellen. Eine solide Grundlage für jedwede Konversation, in deren Mittelpunkt der Komponist steht, dürfte nach der Lektüre gesichert sein.“

Und weiter geht es mit der als solche deklarierten Gebrauchsanweisung – nicht ganz unerheblich für ein Lexikon-Format wie dieses:

Wie will nun dieses Buch gelesen werden? Auch wenn es, ungeachtet seiner lexikonartigen Anlage, durchaus denkbar ist, es sich von A bis Z zu Gemüte zu führen, schön der Reihe nach, dürfte es vermutlich weitaus reizvoller und spannender sein, sich von Artikel zu Artikel (ver-)führen zu lassen.“

Also dann mal los, es gibt ja immerhin 66 Artikel zum Thema Beethoven zur Auswahl. Beginnt man direkt am Anfang, also bei A wie Anekdoten, finden sich neben mehreren humorvollen Geschichten über Beethoven auch Querverweise zu verwandten Artikeln im Text.

Damit wird das Stöbern von A nach Z erheblich erleichtert. Schnell wird deutlich, dass neben den großen Lebensthemen Beethovens, abgehandelt unter Rubriken wie „Geburt“, „Tod“, „Frauen“ oder „Taubheit“, vor allem die kleinen und auf den ersten Blick wohl eher unbedeutenden Kategorien herausstechen.

S wie Schimpfwörter: Das ihm zu Verfügung stehende Repertoire muss beeindruckend gewesen sein, und glücklicherweise haben diverse Dokumente einen Teil davon überliefert. Insbesondere während der privaten und gerichtlichen Auseinandersetzung mit seiner Schwägerin Johanna (diesem „Ungeheuer“, diesem „Scheusal“, dieser „pestartigen Mutter“, „Bestie“ und „alten Hexe“) um die Vormundschaft seines Neffen Karl legte der Meister auch in dieser Hinsicht eine beachtliche Kreativität an den Tag. Und Beethoven benachteiligte auch ansonsten niemanden: Es traf Familienangehörige („mein eselhafter Herr Bruder“), Beamte, Behörden, Gerichte, ganz Wien und seine Einwohner („verflucht, verdammt, vermaledeites Wienerpack“).

Eine erfrischende Art, über das Leben und Wirken des großen Komponisten zu erfahren. Die Autoren des Beethoven-Lexikons Yvonne Zoll und Hans-Georg Klemm haben sich schon in der Vergangenheit damit beschäftigt, Musikgeschichte auch für Laien zugänglich zu machen und vor allem die oft auferlegte Schwere zu nehmen.

Das wird nicht nur in der lockeren Schreibweise des Buches deutlich, sondern auch durch konkrete Werkempfehlungen nicht nur für den Beethoven-Einsteiger.

 W wie Werk: Auch wenn die Geschmäcker verschieden, die Pfade zum ganz individuell sein mögen und die folgende kleine „Wegbeschreibung“ vermutlich auf Widerspruch stoßen wird: Ganz falsch kann es gewiss nicht sein, mit der Klaviermusik zu beginnen, vielleicht ja mit einer der Bagatellen. Die Sechs Bagatellen wurden sein letztes wichtiges Werk für Klavier und wären, da die zu zweifelhafter Berühmtheit gelangte „Für Elise“ gewiss bei Weitem nicht deren Rang erreicht, ein guter Einstieg, um mit den berühmtesten der insgesamt 32 Klaviersonaten fortzufahren: der „Appassionata“, der „Sturm“-, „Waldstein“- oder „Mondscheinsonate“, der „Pathétique“, der „Hammerklavier“. Letztlich haben jedoch alle 32 Sonaten ihren individuellen Charakter und Reiz – es lohnt daher sehr, sie nach und nach in sein Leben zu nehmen.

Ob Beethoven-Einsteiger oder Beethoven-Muffel – spätestens jetzt gibt es keinen Grund mehr, sich vor der Beschäftigung mit dessen Musik zu drücken. Wer sich trotzdem lieber mit lebensnahen Themen rund um Ludwig beschäftigt, findet ebenfalls immer genügend Lesefutter. Zum Beispiel direkt vom Wiener Zentralfriedhof:

„(…) G wie Grab: Oft haben die Gärtner ihre liebe Mühe damit, immer wieder für Ansehnlichkeit und Ordnung zu sorgen, was sogar dazu geführt hat, dass sich nun statt ständig zertretener Wiese lockerer Rindenmulch vor Beethovens Stätte befindet, damit Bewunderer ihrem großen Komponisten noch ein wenig näher kommen können, ohne die gesamte Anlage zu zerstören.“

Mit diesem Buch ist es den Autoren gelungen, musikalische und private Beethoven-Themen harmonisch zu bündeln und dem Leser auf leichte Art und Weise greifbarer zu machen.

Allerdings, schon auf der ersten Seite wird deutlich: Wer sich lieber mit komplexen wissenschaftlichen Abhandlungen beschäftigen möchte, wird hier nicht auf seine Kosten kommen. Doch auch dann könnte man nach dieser Lektüre immerhin bei der nächsten Dinnerparty durch Beethoven-Trivia glänzen… Und das ist ja auch kein schlechtes Ergebnis für ein Beethovenjahr…

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Eva Hofem