Anne Rabe, 1986 in Wismar geboren, ist bislang ausschließlich als Theater- und Drehbuchautorin und Verfasserin von Essays in Erscheinung getreten. Ihr Blick auf Deutschland nimmt eine dezidiert ostdeutsche Perspektive ein, und zwar genau die einer Generation, die zwischen allem steht: Geboren in einem Land, das noch DDR hieß, aber in den letzten Zuckungen lag; aufgewachsen in einem Umfeld, in dem die bisherigen Lebensentwürfe der Eltern plötzlich nichts mehr wert waren und radikal umgeschrieben wurden. Aber auch schöngeredet wurden. Vor allem aber interessiert Anne Rabe sich für die Zwischenräume, die Ambivalenzen.
Stine heißt die Protagonistin von Rabes Debütroman, und Stines Lebensdaten stimmen mit denen der Autorin überein. Es geht, versteht sich, um Prägungen und um das Beschweigen.
Literaturpreis Die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2023: Eine Art Schadensbegrenzung
Die Jury des deutschen Buchpreises hat sechs Titel auf die Shortlist des deutschen Buchpreises gewählt. Hochgelobte Werke renommierter Autorinnen und Autoren fehlen. Die engere Auswahl wirkt wie die Fortsetzung eigensinniger Jury-Entscheidungen, findet SWR2 Literaturredakteur Carsten Otte.
Die Mutter ist eine harte Frau, die jeden Anschein, sie würde ihre Kinder verhätscheln, mit regelmäßigen Prügeln aus der Welt räumt. Die Gegenfigur dazu ist der Großvater, der mit den Enkeln liebevoll umgeht, aber ein knallharter Vertreter des SED-Regimes und verstrickt in dessen Machenschaften war. Doch das erfahren die Kinder erst später.
Wie findet man sich zurecht in einem Aufwachsen, das die repressiven Erfahrungen einer Diktatur nach wie vor spürt? Gibt es tatsächlich die scharfe Trennlinie zwischen richtigem und falschem Handeln, oder verschwimmt sie im individuellen Blick?
Anne Rabe relativiert nichts, aber sie klagt auch nicht an. Sie erforscht Ursachen von Phänomenen, die bis in die Gegenwart hineinreichen.