Gera, 10. November 1989. Die Eltern bestellen den 26jährigen Carl Bischoff ein, um ihm zu erklären, dass sie die DDR in Richtung Westen verlassen werden.
Carl ist perplex, zumal er mit der Aufgabe betraut wird, das Haus und das Auto zu hüten, die Stellung im Osten zu halten.
Zwei Wochen lang hält Carl das aus und fährt nach Berlin, wo er sich einer utopistisch-anarchistischen Community, genannt „das Rudel“, anschließt. Und: Carl will Dichter werden.
Nach „Kruso“, Lutz Seilers erstem Roman, für den er mit dem deutschen Buchpreis 2014 ausgezeichnet wurde, hat Seiler nun einen Roman über ein kurzes Zeitfenster geschrieben, in dem scheinbar alle Möglichkeiten offen waren.
Ganz eindeutig trägt „Stern 111“ autobiografische Züge, doch der Roman ist keine Autofiktion im eigentlichen Sinn.
Lutz Seiler betont, dass er zwar im Hinblick auf die Handlungsorte die Strahlkraft des Authentischen genutzt habe. Auf der anderen Seite wird aber auch schnell deutlich, dass erst die Wirkungsmacht von Seilers eleganter, bildreicher Sprache die dokumentarischen Elemente des Romans literarisch erhebt.
„Stern 111“ ist ein Roman der Verwandlungen und Übergänge. Seilers Terrain ist ein Machtvakuum; ein Staat, der seine alte Form verloren und seine neue Form noch nicht gefunden hat. Kruso hat übrigens einen Gastauftritt. Und am Ende beginnt eine Ziege zu sprechen.