Singen im Chor hat bekanntlich viele positive Effekte: es macht Spaß, fördert die Gesundheit, baut Stress ab. Und es hilft gegen die Einsamkeit, weshalb sich die ganz unterschiedlichen Frauen, die sich in dem neuen Roman von Anna Katharina Hahn zum Singen treffen, auch auf durchaus ambivalente Freundschaften einlassen. Und die Autorin tut ihr Bestes, ihre Figuren auf harte Belastungsproben zu stellen.
Auf die Zwischentöne kommt es an
Für Anna Katharina Hahn ist der Chor ein spannender Handlungsort: „Da kann es Reibungen geben, es kann ungeheure Erwartungen erzeugen“. Manche Frauenfreundschaften entwickelten sich fast wie eine Liebesbeziehung, die in der Geschichte zu starken emotionalen Abhängigkeiten führen.
„Der Chor“ ist dabei alles andere als Frauenliteratur, geht es doch vielmehr um die Qualität von Beziehungen, darum, was sie tragfähig oder brüchig macht.
Stuttgart als Ort unerschöpflicher Geschichten
Wieder einmal ist die baden-württembergische Landeshauptstadt Schauplatz eines Romans von Anna Katharina Hahn, die sich ihre Geschichten mit langen Märschen durch den Talkessel und versteckte Stadtwinkel erlaufen hat.
„Der Chor“ zeichnet daher nicht nur ein gruppen- sondern auch ein stadtsoziologisches Porträt, das sehr präzise und vielschichtig ausfällt. Stuttgart gelte vielen Menschen im Land als „hässlich“ und „unsympathisch“, so die Feststellung der Autorin. Für Anna Katharina Hahn war es daher eine besondere Herausforderung, die Stadt als „einen verwunschenen Ort“ darzustellen.
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